Steuerbetrug, Wohnungskrise und mehrere Gemeindesyndikate: Diese Themen trafen in den vergangenen zwölf Monaten auf großes Interesse und hatten entsprechende Wirkung. Wir präsentieren die meistgelesenen Artikel, die 2022 bei Reporter.lu erschienen sind.
Ein Ereignis und seine Konsequenzen haben 2022 maßgeblich bestimmt: der Angriff Russlands auf die Ukraine. Das war auch bei Reporter.lu der Fall. Nur wenige Tage vor Beginn des Krieges hatte unser Journalist Pit Scholtes den Osten der Ukraine bereist und berichtete aus der kriegsgebeutelten Region.
Nach Kriegsausbruch beleuchtete die Redaktion dann in mehreren Artikeln die engen Beziehungen, die Luxemburg mit Russland pflegte. Dabei standen vor allem die finanziellen Interessen russischer Oligarchen und engen Putin-Vertrauten am hiesigen Finanzplatz im Zentrum. Neben exklusiven Recherchen, wie jene zu den russischen Honorarkonsuln, stießen aber auch Artikel aus ganz anderen Bereichen auf außerordentliches Interesse bei unseren Leserinnen und Lesern.
So etwa auch ein Artikel, der von den Honorarkonsuln aus Russland inspiriert wurde: Unser Journalist Luc Caregari nahm im Rahmen einer internationalen Recherche alle Ehrenbotschafter unter die Lupe, die Luxemburgs Interessen in der Welt vertreten. Er fand heraus, dass dabei vor allem wirtschaftliche Interessen zählen. Dies war nur eine von vielen Gelegenheiten, bei der Reporter.lu sich an einer internationalen Recherche beteiligte. Ein anderes Beispiel war der „Russian Asset Tracker“, der zeigte, wo die Vermögen russischer Oligarchen liegen.
Während die Energiekrise direkt mit dem Krieg und der Abhängigkeit von Russland zusammenhängt, ist die Wohnungskrise hierzulande größtenteils ein hausgemachtes Problem. Die verschiedenen Aspekte dieser Krise haben unsere Journalisten das ganze Jahr lang beschäftigt: Die steigenden Kreditzinsen oder die Wirkung der staatlichen Bauhilfen sowie die Auswirkungen auf soziale Einrichtungen sind nur einige der Facetten.
Unternehmer auf Abwegen
Unsere Berichte über die Unternehmensgruppe „Cenaro“ beleuchteten die Auswüchse des Wohnungsmarkts. Die Immobilienfirma hatte Investoren hohe Renditen versprochen, das Geschäftsmodell geriet aber durch Covid unter Druck. Doch nicht nur Anleger sind beunruhigt, auch Käufer von Immobilien bei der Baufirma warten vergeblich auf deren Fertigstellung. Mehrere Betroffene haben sich nach dem ersten Artikel bei Reporter.lu gemeldet und ihre Erfahrungen geschildert.
Auch der Artikel „Le «roi du foncier» face au fisc“ unserer Journalistin Véronique Poujol schaute hinter die Kulissen einer Unternehmensgruppe, die vor allem auf dem Immobilienmarkt aktiv ist. Nämlich jener von Nico Arend, der als einer der größten Grundbesitzer des Landes gilt und der sich wegen missbräuchlicher Steueroptimierung vor Gericht verantworten musste. Der 72-Jährige war aber nicht der einzige bekannte Unternehmer, der ins Visier der Justiz geraten ist.
Reporter.lu berichtete exklusiv über die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung der Gebrüder Grosbusch, die sich im Obst- und Gemüsegroßhandel einen Namen gemacht haben, über den ehemaligen Chef des Familienunternehmens „Constructions Métalliques Arendt“, der hohe Summen veruntreut haben soll, sowie über einen juristischen Streit zur dubiosen Geschäftsführung der Ex-Abgeordneten Christianne Wickler.
Kommunale Winkelzüge
In den Blick der Justiz und unserer Journalisten geriet auch eine fragwürdige Ratsabstimmung in Diekirch. Der Verwaltungsgerichtshof kritisierte das Vorgehen des Gemeinderats und des damaligen Bürgermeisters Claude Haagen (LSAP) bei der Neuausweisung von Grundstücken als „in einer parlamentarischen Demokratie vollkommen unzulässig“. Im Artikel „Diekircher Winkelzüge“ werden die Hintergründe des Urteils erklärt. In der Folge musste die Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) auch im Parlament zum Fall Stellung beziehen.
Es war zudem nicht der einzige Fall, der in der Gemeinde Diekirch für Furore sorgte. Im Januar fiel das Urteil, dass die geplante „Seniorenresidenz“ im Ortskern nicht gebaut werden darf, da sie die Kriterien des öffentlichen Nutzens nicht erfüllt. Reporter.lu hatte vor mehr als zwei Jahren in einer exklusiven Recherche von den Plänen für das Gebäude berichtet und die Frage der „utilité publique“ des privaten Immobilienprojekts aufgeworfen. Der ehemalige Bürgermeister und aktuelle Minister Claude Haagen wollte sich nicht zu dem Urteil äußern: „Ich kommentiere keine Dossiers aus Diekirch mehr.“
Wie es in Luxemburg schon eine gewisse Tradition hat, waren 2022 auch Gartenhäuschen wieder ein Thema. Diesmal waren es sogar benachbarte Häuschen von zwei Politikern: Sowohl das des bereits erwähnten Claude Haagen wie auch das vom Wiltzer Bürgermeister Fränk Arndt (LSAP) wurden möglicherweise ohne Genehmigung umgebaut. Anders als bei Claude Haagens Chalet wurden die möglichen Gesetzverstöße im Fall von Fränk Arndt noch kurz vor der Verjährungsfrist festgestellt.
Der Bürgermeister von Wiltz ist damit direkt mit mehreren Ermittlungen konfrontiert. Pit Scholtes recherchierte auch zu den Korruptionsvorwürfen gegen Fränk Arndt, die seit Anfang 2022 im Raum stehen. Verdächtig sind dabei Immobilientransaktionen und die entsprechenden Abstimmungen im Gemeinderat. Die Ermittlungen dauern an.
Syndikate mit Missständen
Auf Gemeindeebene liegt auch die Verantwortung für das „Syndicat Intercommunal de Gestion Informatique“, kurz SIGI, das Kommunen bei der Digitalisierung helfen soll. Unser Journalist Pol Reuter recherchierte zu internen Missständen und fand visionäre Manager, verfehlte Missionen und ein Klima der Angst und Einschüchterung. Als Reaktion auf die Recherche sollen nun drei Audits über die Probleme aufklären.
Auch beim „Centre d’Initiative et de Gestion Régional“ (CIGR) im Müllerthal berichteten Mitarbeiter von problematischen Bedingungen. Eigentlich soll die Beschäftigungsinitiative Langzeitarbeitslosen eine Perspektive bieten. Pit Scholtes berichtete über die Schattenseiten der Struktur, bei der es ebenfalls an ausreichender Kontrolle mangelt.
In Esch/Alzette machte derweil ein Verein vor allem wegen finanziellen Missmanagements auf sich aufmerksam. Das „Syndicat d’Initiative et de Tourisme“ sollte unter anderem den Weihnachtsmarkt organisieren, musste diese Aufgabe aber an die Gemeinde abgeben, als ihm das Budget bereits vorher ausging.
Affären, die vor Gericht kommen
Um Geld ging es auch bei der „Akte Hesperingen“: Nämlich um die mutmaßliche Veruntreuung von fünf Millionen Euro durch zwei ehemalige Beamte der siebtgrößten Gemeinde des Landes. Im Oktober beleuchtete Pol Reuter die Hintergründe der Affäre und berichtete exklusiv, dass die beiden Beschuldigten und ein örtlicher Unternehmer sich nun Mitte Januar vor Gericht verantworten müssen.
Ebenfalls vor Gericht stehen demnächst die Protagonisten der sogenannten „Lunghi-Affäre“. Wie Reporter.lu im Juli exklusiv berichtete, wird vier Personen wegen mutmaßlicher Diffamierung der Prozess gemacht, darunter die ehemaligen „RTL“-Journalisten Marc Thoma und Sophie Schram sowie ihr einstiger Generaldirektor Alain Berwick. Hintergrund ist ein Fernsehbericht, der den damaligen „Mudam“-Direktor Enrico Lunghi durch eine irreführende Darstellung belastete und letztlich zu dessen Rücktritt führte.
Ein anderer Rücktritt war derweil bereits Thema vor Gericht: Jener des ehemaligen Vizepremiers Felix Braz. Der Grünen-Politiker hatte gegen seine Absetzung im Herbst 2019 geklagt, vergangenen November wurde der Prozess vor dem Verwaltungsgericht verhandelt. Der Journalist Pol Reuter verfolgte das Verfahren für Reporter.lu und zeigte auf, warum dieser Fall sogar das Potenzial einer Verfassungskrise birgt.
Von Topverdienern und Tripartiten
Um Personalien und ranghohe Posten beziehungsweise vergütete politische Mandate ging es auch in anderen Artikeln, die zu den am meisten gelesenen im Jahr 2022 zählen. So befasste sich der Beitrag „Die wechselnden Berater des Premiers“ mit dem sich schnell drehenden Personalkarussell im Kabinett von Xavier Bettel (DP). Der Artikel „Der Tausendsassa des Parlaments“ hingegen beleuchte die zahlreichen Aktivitäten des Topverdieners unter den Abgeordneten, Léon Gloden (CSV).
Unterm Strich war 2022 aber von Krisen dominiert und damit auch die Berichterstattung über die politische Aktualität. So fand in dem Jahr etwa eine außerordentliche Luftfahrt-Tripartite statt. Unsere Journalisten Luc Caregari und Laurent Schmit recherchierten in diesem Zusammenhang „Was hinter der Luxair-Krise steckt“. Vor allem aber kamen Regierung und Sozialpartner angesichts der Inflation und der Energiekrise zu zwei klassischen Tripartite-Runden zusammen. Reporter.lu blickte dabei hinter die Kulissen und Chefredakteur Christoph Bumb analysierte die Verhandlungen aus der politischen Perspektive: Dabei ging es um die Kräfteverhältnisse in der Regierung, aber auch die Widersprüche innerhalb der Koalition.
Wir werden 2023 weiter für Sie recherchieren. Dies machen wir seit einigen Monaten auch gerne gemeinsam mit unseren Lesern. Teilweise durch gezielte Leseraufrufe auf unserer Webseite oder auch aufgrund von Hinweisen, die wir geschickt bekommen. Wir freuen uns auf viele spannende Recherchen in diesem neuen Jahr.


