Überlastetes Personal, ein umstrittener Leasing-Vertrag und Kritik am Führungsstil des Chefs: Die Probleme bei der nationalen Fluggesellschaft spitzen sich zu. Dabei lässt Minister François Bausch keinen Zweifel daran, dass die Regierung ihre eigene Agenda hat. 

Die Gewerkschaften und der Luxair-Generaldirektor Gilles Feith streiten viel und heftig. Doch in einem Punkt sind sie sich einig: Im Zweifel soll der Staat es richten und der Airline finanziell unter die Arme greifen. Doch dazu gibt es ein klares Nein von François Bausch (Déi Gréng): „So wird das nicht gehen“, sagt der Vizepremier und Mobilitätsminister im Interview mit Reporter.lu.

Im Vorfeld des „Comité de suivi tripartite aviation“ am 26. September brodelt es bei der nationalen Airline. Mehr als 170 Mitarbeiter haben Luxair seit 2019 verlassen. Bei denen, die noch da sind, wächst der Frust: Ihre Gehälter sind eingefroren bei gleichzeitig hoher Inflation, in manchen Sparten der Firma gibt es viel zu viel Arbeit für zu wenig Angestellte. Viele sind dabei, sich neu zu orientieren.

Die Luxair verliert dabei vor allem Personal an den privaten und den staatlichen Gesundheitssektor sowie an den Finanzplatz. Mehr Stabilität, bessere Arbeitszeiten und Bezahlung sind oft die Gründe, weshalb manche den Betrieb auch nach Jahrzehnten verlassen. Zahlen des Arbeitsministeriums zeigen zudem, dass im Krisenjahr 2020 mehr als 100 Luxair-Mitarbeiter in Frührente gingen – mehr waren es in dem Jahr nur bei ArcelorMittal.

Gewerkschaften schlagen Alarm

„Das Personal arbeitet momentan am absoluten Limit“, sagt der beigeordnete LCGB-Generalsekretär Robert Fornieri. Um diese Lage abzufedern, fordern die Gewerkschaften eine bessere Arbeitsaufteilung und Planung sowie genug Personal, betont Michelle Cloos, OGBL-Zentralsekretärin „Aviation Civile“. „Im Sommer ist übermäßig viel geflogen worden, ohne dass das Personal eine Gegenleistung dafür gesehen hätte“, erklärt sie.

Wer ein Problem mit mir hat, soll zu mir kommen und es mir ins Gesicht sagen.“Gilles Feith, Luxair-Generaldirektor

Klar ist: Es geht auch um Geld. Durch den „Plan de maintien dans l’emploi“ sind die Gehälter bis Ende 2023 eingefroren. Das sorgt für Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern, die der Inflation ausgesetzt sind. Gleichzeitig macht diese Regelung es schwieriger, neue Mitarbeiter zu finden.

Doch der Mobilitätsminister will in der Tripartite weder über die Arbeitsbedingungen noch über die anstehende Neuverhandlung des Kollektivvertrags sprechen. Luxair sei ein privatwirtschaftliches Unternehmen und das sei Sache des Verwaltungsrates, sagt François Bausch. Doch natürlich geht es auch der Regierung um Geld – nur anders als von Belegschaft und Management erhofft. „Das Thema der Tripartite ist, zu überprüfen, ob die Krisenmechanismen heute noch berechtigt sind“, betont François Bausch im Interview mit Reporter.lu. Wenn sich die wirtschaftliche Lage so entwickle, wie aktuell abzusehen, dann sei klar: „Die Kurzarbeit endet“.

Kontroverse um Leasing-Vertrag

Dabei schwingt ein gewisser Überdruss der Regierung gegenüber dem Luxair-Management mit: „Man kann nicht einerseits sagen, wir fliegen wieder wie 2019 und andererseits die Krisenmaßnahmen laufen lassen, die eingeführt wurden, als Zweidrittel der Flüge ausfielen“, stellt François Bausch klar. In der Mobilitätskommission des Parlaments wurde zudem der Vorwurf diskutiert, dass Luxair die Kurzarbeit nutze, um Kosten zu senken. Und nicht, wie vorgesehen, weil es an Arbeit fehlte.

Die Pandemie versetzte dem Kerngeschäft der Luxair einen schweren Schlag. Doch die Krise der Airline hat noch weitere Facetten. (Foto: Mike Zenari)

Am 13. Mai 2022 startete erstmals ein Flugzeug von „German Airways“ im Auftrag der Luxair Richtung Porto. Die nationale Airline mietet eine „Embraer 190“-Maschine vom deutschen Dienstleister. Der Haken: „German Airways“ stellt nicht nur das Flugzeug zur Verfügung, sondern auch die Piloten und das Kabinenpersonal. Luxair-Generaldirektor Gilles Feith sagte im Interview mit „RTL Télé“, dass dieser sogenannte „Wet Lease“-Vertrag sehr flexibel eingesetzt werden könne: „Wir müssen nicht damit fliegen, wir können damit fliegen.“

Die Flugdaten des angemieteten Jets „D-ACJJ“, die Reporter.lu auswertete, zeichnen allerdings ein anderes Bild: Seit Mitte Mai flog die Maschine an 94 von 110 Tagen im Auftrag von Luxair. An weiteren sieben Tagen flog der Jet „D-AMWO“ von „German Airways“ als Ersatz für die erste Maschine. Darunter waren Flüge nach Rom, Palermo, Barcelona oder Mailand, die auch mit den elf „Bombardier Q400“-Maschinen von Luxair durchgeführt werden. Ursprünglich hatte die Airline angekündigt, mit der geleasten Embraer die größere Boeing 737 der eigenen Flotte zu entlasten.

Möglicher Missbrauch der Kurzarbeit

Der Grund, warum Luxair das Flugzeug und das Personal bei dem deutschen Dienstleister geleast hat, erscheint auf den ersten Blick schlüssig. Die nationale Airline muss expandieren, findet aber zurzeit nicht die passende Maschine, sprich ein preiswertes, gebrauchtes Flugzeug der Marke Boeing. Doch die Versuchung ist groß, die „Embraer“ (100 Sitzplätze) statt der Q400 (76 Sitzplätze) einzusetzen, denn damit könnte Luxair ein Viertel mehr Tickets verkaufen. Es ist eine Hypothese, die François Bausch nicht ausschließt.

Die Gespräche mit der Direktion sind schwierig. (…) Der Sozialdialog funktioniert nicht gut.“Michelle Cloos, OGBL

Dass „German Airways“ ebenfalls Strecken der Q400 übernahm, während deren Crew in Kurzarbeit war, sorgte bei den Gewerkschaften früh für Unmut. Laut Informationen von Reporter.lu forderten sie Generaldirektor Gilles Feith bereits auf, die Kurzarbeit des betreffenden Personals sofort zu beenden. Dieser bestätigte gegenüber RTL, dass Luxair im Juni 22,5 Tage Kurzarbeit für Kabinenpersonal der kleineren Flugzeuge beantragt habe.

Sechs Millionen Euro an staatlicher Hilfe

Die finanzielle Lage von Luxair ist eng verknüpft mit den Personalfragen. 2021 reduzierte das Unternehmen seine Personalkosten um zehn Millionen auf knapp 170 Millionen Euro. Dazu trug wesentlich bei, dass der Staat zahlreiche Luxair-Mitarbeiter übernahm. Laut Bilanz 2021 brachte diese Praxis eine Entlastung von 3,6 Millionen Euro. Im Vertrag zum „prêt temporaire de main d’oeuvre“ waren bis zu 166 Personen vorgesehen. Tatsächlich wurde im Sommer 2021 ein Maximum von 120 Personen erreicht. Dazu kamen in der Krise hunderte bis tausende Mitarbeiter in Kurzarbeit.

"Luxair bekam keine direkte staatliche Hilfe in der Covid-Krise", behauptete Generaldirektor Gilles Feith im RTL-Interview. Doch zu dieser Aussage passt nicht, dass das Unternehmen 2021 insgesamt 2,2 Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen erhielt – sowohl die "aide de relance" als auch die Beihilfen zu nicht gedeckten Kosten. Das lässt sich im EU-Register der Staatsbeihilfen nachvollziehen. "Das war eine Beihilfe für die Tourismusbranche, die jedes Reiseunternehmen erhielt", verteidigt sich Gilles Feith im Reporter.lu-Interview.

Hat Luxair die Kurzarbeit damit missbräuchlich genutzt? "Laut den Informationen, die mir mitgeteilt wurden, nein", antwortet François Bausch im Interview mit Reporter.lu. Aber er betont auch: "Ich habe der Luxair gesagt, dass ich der Meinung bin, dass das keinesfalls vorkommen dürfe."

Auf Nachfrage weist Gilles Feith die Vorwürfe entschieden zurück: "Ich habe nie Kurzarbeit beantragt, wenn unsere Maschinen hätten fliegen können. Es gab zwar Flugstrecken nach Palma und Kopenhagen, die ebenfalls von den Q400 abgedeckt waren, aber an den Tagen hatten wir keine Crew zusammen, die den Flug hätte tätigen können. Und das wegen Krankmeldungen und nicht weil sie in Kurzarbeit gewesen wären."

Fakt ist aber auch, dass die Piloten und das Kabinenpersonal der "German Airways" deutlich weniger verdienen als Luxair-Mitarbeiter. "Ein Steward bei denen verdient maximal zwischen 2.000 und 2.500 Euro im Monat", erklärt der Piraten-Abgeordnete Marc Goergen im Gespräch mit Reporter.lu. Hinzu kommt, dass "German Airways" branchenintern nicht unumstritten ist. Die Rede ist etwa von respektlosem Umgang mit dem Personal und Druck aus dem Management.

Umstrittener Führungsstil des CEO

Letztere Kritikpunkte hört man mittlerweile auch aus der Luxair-Belegschaft. Das forsche Auftreten von Generaldirektor Gilles Feith wird zunehmend zum Problem für die Airline. Sein Führungsstil wird inzwischen offen kritisiert. Gespräche mit dem Luxair-Management über die aktuellen Probleme hätten nichts gebracht, heißt es von den Gewerkschaften. "Die Gespräche mit der Direktion sind schwierig. Einerseits wird durchaus miteinander geredet. Andererseits kommt nichts bei diesen Diskussionen raus. Der Sozialdialog funktioniert nicht gut“, so die Kritik von Michelle Cloos vom OGBL.

Von François Bausch gibt es indes eine deutliche Warnung: "Der Generaldirektor der Luxair genauso wie das Personal müssen sich bewusst sein, dass in der schwierigen Situation alle ein Interesse an einem ordentlichen Umgang miteinander haben."

Ein Führungsstil heute kann nicht mehr sein: Der Chef sagt, wohin es geht und alle müssen parieren. Das ist nicht produktiv und wird auch nicht mehr akzeptiert."
François Bausch, Mobilitätsminister

Doch der Führungsstil von Gilles Feith war bereits kurz nach seinem Antritt im Juni 2020 umstritten. Manche bezweifelten damals schon seine Kompetenzen zur Führung eines Unternehmens dieser Größe. Vor Luxair war Feith hoher Beamter im Verteidigungsministerium, zuvor Direktor des "Centre des technologies de l'information de l'État" (CTIE). Die meiste Zeit seiner Karriere verbrachte er im Öffentlichen Dienst. Andere, darunter auch der Minister, halten dem Luxair-CEO jedoch seine Dynamik zugute, die mit der Zögerlichkeit seines Vorgängers gebrochen habe.

Der Generaldirektor, der in seinem Büro ein Che-Guevara-Porträt hängen hat, hat aber auch in der Chefetage einen beachtlichen Personalwechsel zu verantworten. Nicht nur der Verantwortliche für Luxair-Tours und der Finanzdirektor warfen das Handtuch. Auch der Leiter der Personalabteilung, Michaël Labarsouque, kündigte mitten in der Krise, wie "Paperjam" berichtete.

"Interesse an einem ordentlichen Umgang miteinander": Gilles Feith (rechts im Bild mit Minister François Bausch) gilt wegen seines unkonventionellen Führungsstils als umstritten. (Foto: EMA)

Das "Zwischenmenschliche" sei problematisch, heißt es von mehreren Quellen. Gilles Feith inszeniere sich stets als visionärer Macher, der jedoch betriebsintern keinen Widerspruch dulde, so ein langjähriger Mitarbeiter. Hinzu kommt, dass der CEO in der Kommunikation nach außen oftmals die nötige Professionalität vermissen lasse. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter teilt er schon mal gegen seine Kritiker aus, echauffiert sich über Maskenregeln der Konkurrenz im Ausland oder antwortet auch persönlich und emotional unzufriedenen Luxair-Kunden.

Auch François Bausch kennt die Kritik an dem CEO. "Ein Führungsstil heute kann nicht mehr sein: Der Chef sagt, wohin es geht und alle müssen parieren. Das ist nicht produktiv und wird auch nicht mehr akzeptiert", sagt der Vizepremier. Gedankenspiele, die sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in politischen Kreisen zirkulieren, wonach Gilles Feith seinen Posten im Zuge der aktuellen Turbulenzen räumen müsse, dementiert der Minister dagegen formell.

"Wer ein Problem mit mir hat, soll zu mir kommen und es mir ins Gesicht sagen", lautet dagegen die Reaktion von Gilles Feith auf Kritik an seiner Person. "Diese Gerüchte - auch dass ich von selbst gehen würde - habe ich ebenfalls gehört. Da ist aber nichts dran. Jeder, der mich kennt, weiß um das Herzblut, das ich in diesen Betrieb stecke", so der CEO.

Auswege aus der Dauerkrise

Doch allein, dass sein Abschied hinter den Kulissen im Raum steht, stärkt die Position des CEO natürlich nicht. Die Aufgabe von Gilles Feith wird dennoch sein, in den kommenden Wochen eine langfristige Strategie für das Unternehmen zu finden. Denn die Covid-Krise hat bei der Luxair ein Problem verschärft, das bereits zuvor bestand: Die Linienflüge sind tendenziell defizitär, während die Freizeitflüge mit Luxair-Tours boomen.

Auf den Linienflügen beförderte Luxair 2021 mehr als 60 Prozent weniger Passagiere als vor der Pandemie 2019. Das lag an deutlich weniger Geschäftsreisenden und Verbindungsflügen zu den großen Flughäfen. Es führte zu einem Verlust von 37 Millionen Euro in dieser Sparte. "Luxair Tours" lag dagegen bereits ab dem Sommer 2021 über dem Niveau von 2019. Insgesamt machte Luxair 2021 einen operativen Verlust von 33 Millionen Euro. Doch die hohe Dividende durch die Cargolux-Beteiligung führte zu einem Netto-Verlust von rund zwei Millionen Euro.

Sollte die BIL ihre Beteiligung verkaufen wollen, könnte der Staat nicht einspringen, selbst wenn er wollte."François Bausch, Mobilitätsminister

Dazu kommt, dass Luxair sich nur bedingt auf seine Aktionäre verlassen kann. Die "Banque internationale à Luxembourg" (BIL) wiederholte kürzlich ihre Ankündigung, ihre 13 Prozent der Luxair-Anteile verkaufen zu wollen. Das ist zwar ein mittelfristiges Bestreben, aber es vermittelt der Airline nicht die nötige Planungssicherheit. Beim zweiten wichtigen Aktionär "Delfin" mit ebenfalls 13 Prozent ist eine Neuorientierung ebenfalls möglich. Nach dem Tod des Patriarchen und Gründers Leonardo Del Vecchio im Juni übernehmen jetzt seine acht Erben die Kontrolle. Wie sie zur Luxair-Beteiligung stehen, ist offen.

Allerdings ist der Staat nicht willens, die Luxair zusätzlich zu unterstützen. Eine Kapitalerhöhung sehe er als schwierig an, meint François Bausch im Gespräch mit Reporter.lu. Der Staat hält aktuell knapp 40 Prozent der Anteile, dazu kommen knapp 22 Prozent, die er über die "Banque et Caisse d'Epargne de l'Etat" indirekt hält. "Sollte die BIL ihre Beteiligung verkaufen wollen, könnte der Staat nicht einspringen, selbst wenn er wollte. Denn die Europäische Kommission würde darin eine indirekte Staatshilfe sehen", erklärt François Bausch.

Die Botschaft des Ministers an das Unternehmen ist klar: Nur die Luxair kann sich selbst retten. Belegschaft und Management müssten gemeinsam Lösungen finden. "Sonst geht es schief."