Bei seinem Amtsantritt wollte Premier Xavier Bettel ein Kabinett von Vertrauten um sich scharen. Als engster Berater fungiert mittlerweile ein aufstrebender DP-Strippenzieher. Doch die hochrangigen Personalwechsel im Staatsministerium häufen sich. 

Paul Konsbruck war sich bereits vor seiner Ernennung bewusst, dass er nicht für den Rest seiner Karriere im Staatsdienst verbleiben würde. Nach dem Regierungswechsel von 2013 wurde der ehemalige Chefredakteur von „Eldoradio“ Pressesprecher im Staatsministerium. Zwei Jahre später stieg er zum „Chef de cabinet“, also zum engsten Berater von Premierminister Xavier Bettel (DP) auf.

Nach rund acht Jahren im öffentlichen Dienst war im Oktober 2021 dann aber Schluss. Paul Konsbruck kehrte dem politischen Beamtentum den Rücken und übernahm den Direktionsposten bei „Luxconnect“, jener Gesellschaft, die den Hochleistungsrechner „Meluxina“ betreibt. Der Schritt kam für Außenstehende überraschend. Den Entschluss, das Ministerium zu verlassen, fasste Paul Konsbruck selbst – wie auch fast alle seine Weggefährten vor und nach ihm.

Das Kabinett des Premiers hat sich seit Beginn seiner Amtszeit stark verändert. Das achtköpfige Gremium wurde einst von Xavier Bettel geschaffen, um die Koordination der Arbeit im Staatsministerium zu erleichtern. Zu Beginn seines Mandats erklärte der Premier, er wolle auf die Erfahrung der hohen Beamten seines Vorgängers zurückgreifen. Die Schnittstellen der Macht wurden dennoch nach und nach mit Vertrauten von Xavier Bettel besetzt.

Mehr oder weniger parteipolitisch geprägt

Der ehemalige Botschafter Jean-Paul Senninger (DP) etwa übernahm zu Beginn die Rolle des Generalsekretärs des Ministerrats. Er beriet bereits zuvor Lydie Polfer (DP), als die heutige Bürgermeisterin der Hauptstadt 1999 Außenministerin wurde. Nach der ersten Legislaturperiode von Blau-Rot-Grün wechselte Jean-Paul Senninger zurück in den diplomatischen Dienst und arbeitet heute als Botschafter in Thailand.

Der Diplomat war jedoch nicht das einzige DP-Mitglied, das ins Kabinett des Premiers aufgenommen wurde. Als Paul Konsbruck im Mai 2021 bekannt gab, er werde das Kabinett verlassen, wurde eine Liste von mehreren möglichen Nachfolgern erstellt. Dabei haben die Minister weitgehend freie Hand. Über die Laufbahn des „Conseiller de Gouvernement“ können sie politische Vertraute per einfacher Absegnung im Kabinett in die höchsten Positionen ihrer jeweiligen Verwaltungen hieven.

„Der Posten des politischen Beamten kann ja nicht ausgeschrieben werden“, sagt dazu Jeff Feller im Gespräch mit Reporter.lu. Er stand damals offenbar auf der erwähnten Liste. Der 31-jährige DP-Politiker sollte schließlich die Nachfolge von Paul Konsbruck antreten. Mit Xavier Bettel arbeitete Jeff Feller bereits zuvor als Fraktionssekretär der Liberalen zusammen. Dort konnte er mit seinem Organisationstalent und Sachverstand punkten.

Für die erste Reihe sei er allerdings nicht gemacht, wie er dem „Lëtzebuerger Land“ erklärte. Zu dieser Erkenntnis gelangte er, nachdem er sich an einem politischen Mandat in der Ernztalgemeinde versucht hatte. 2011 wurde er dort zum Schöffen ernannt, musste allerdings durch einen Umzug in seinem zweiten Mandat im Jahr 2019 sein Amt niederlegen.

Blau-Rot-Grün-isierung der Beamtenschaft

Nun zieht Jeff Feller die Fäden im Hintergrund. „Ich gehe davon aus, dass meine politische Vergangenheit für das Jobangebot keine Rolle gespielt hat“, sagt er im Interview mit Reporter.lu. Die Nominierungen im Staatsministerium würden nicht strikt nach Parteifarben verlaufen, so der Kabinettschef. Das zeigt sich etwa auch an seinem Vorgänger. Paul Konsbruck kandidierte 2004 auf der Liste der Grünen im Ostbezirk für die Parlamentswahlen.

Bei der DP ist es allerdings inzwischen fast eine Tradition, die Fraktionssekretäre als politische Beamte zu ernennen. Zu Beginn der ersten Legislatur von Blau-Rot-Grün zog etwa Lex Folscheid mit Claude Meisch ins Bildungsministerium. Dan Theisen, ebenfalls ehemaliger Fraktionssekretär, übernahm diese Funktion im Familienministerium. Françoise Schlink, Jeff Fellers Vorgängerin, sitzt indes als Beraterin von Lex Delles im Mittelstandsministerium.

„Chef de cabinet“ mit 31 Jahren: Jeff Feller (l.) gemeinsam mit Premier Xavier Bettel beim Amtsbesuch in Berlin im vergangenen Oktober. (Foto: SIP / Jean-Christophe Verhaegen)

Eine ähnliche Tendenz, wenn auch nicht so ausgeprägt, gibt es auch bei den Koalitionspartnern. LSAP-Fraktionssekretärin Vanessa Tarantini wechselte etwa Anfang des Jahres mit Georges Engel (LSAP) ins Arbeitsministerium. Bereits vor drei Jahren machte mit Claude Tremont einer der Vorgänger von Vanessa Tarantini den gleichen Wechsel. Auch der ehemalige Vizepremier Etienne Schneider (LSAP) begann einst seine Karriere als Fraktionssekretär der Sozialisten, ehe er ins Wirtschaftsministerium wechselte und dort zum Topbeamten aufstieg. Mike Mathias, ehemaliger Fraktionsmitarbeiter der Grünen, seinerseits arbeitet nun im von Déi Gréng geführten Wohnungsbauministerium.

Ermöglicht wurden diese Wechsel auch durch eine Zunahme der Zahl an politischen Beamten. Die Regierung hob nach den Wahlen 2018 die Maximalzahl dieser Beamten von 82 auf 120 an. Das Kontingent der „Premier Conseillers de Gouvernement“, die höchste reguläre Laufbahn für politisch nominierte Beamte, wurde mittlerweile bereits erreicht.

Mehrere Konstanten in Bettels Kabinett

Unter Xavier Bettel wurde die Anzahl der Regierungsräte substantiell erhöht, in seinem eigenem Ministerium hält sich die Erhöhung jedoch in Grenzen. Fünf „Conseillers de Gouvernement“ sitzen in Bettels Kabinett, zwei weitere in anderen Abteilungen des Staatsministeriums. Das sind nicht wesentlich mehr als unter Jean-Claude Juncker. Damals zählte das Ministerium fünf bis sechs hohe Beamte. Von ihnen hatten lediglich Marc Colas und Luc Feller eine Parteikarte bei der CSV. Marc Colas ging kurz nach dem Regierungswechsel in Rente und Luc Feller wurde 2016 zum „Haut Commissaire à la Protection nationale“ ernannt – ein weiteres Zeichen, dass die Parteikarte im Ministerium nicht immer die Hauptrolle spielt.

Ich glaube nicht, dass man diesen Job mehr als zehn Jahre durchhalten kann.“Jeff Feller, Kabinettschef des Premiers

Für die diplomatische Arbeit war in den ersten drei Amtsjahren von Blau-Rot-Grün Yuriko Backes zuständig, zuvor erfüllte sie die gleiche Funktion für Jean-Claude Juncker. Die Diplomatin wurde aber erst als Finanzministerin Mitglied der DP. Währenddessen standen Marc Baltes als „Conseiller économique“ und Jacques Thill als Jurist an der Seite des Premiers. Von dieser Mannschaft ist heute nur noch Letzterer weiterhin Mitglied des Kabinetts im Staatsministerium.

Jacques Thill hat indes innerhalb des Staatsministeriums eine neue Funktion übernommen. Als das Kabinett 2015 umstrukturiert wurde, fungierte der Diplomat zuerst als beigeordneter Generalsekretär des Ministerrats, bevor er 2019 selbst zum Generalsekretär aufstieg. In dieser Zeit spielte er auch eine Schlüsselrolle bei der Reform der Funktionsweise des großherzoglichen Hofs infolge des Waringo-Berichts. Inzwischen ist er „Coordinateur Affaires générales“ und für die parlamentarischen Anfragen zuständig. Seine Karriere im Staatsministerium begann er allerdings bereits vor dem Amtsantritt von Xavier Bettel. Während vier Jahren beriet er Jean-Claude Juncker in diplomatischen Fragen.

Eine weitere Konstante im Dienst des Premiers ist Jeff Fettes. Der Beamte arbeitete ebenfalls bereits unter Xavier Bettels Vorgänger im Staatsministerium. 2015 stieg er in den engeren Kreis des Premiers auf und übernahm die Rolle des Koordinators für juristische Angelegenheiten.

Auffällig viele hochrangige Personalwechsel

In den vergangenen zwei Jahren fand eine weitere schleichende Umstrukturierung des Kabinetts statt. Ein Wechsel in dieser Legislaturperiode betrifft etwa die Direktion des „Service des médias et des communications“. Nach dem Renteneintritt von Jean-Paul Zens wurde Anne-Catherine Ries, die bereits in dieser Abteilung arbeitete, zur Direktorin ernannt. Nach Yuriko Backes war zwischendurch Pierre Ferring diplomatischer Berater von Xavier Bettel. Seit 2019 ist Mike Hentges in dieser Funktion tätig.

Paul Konsbruck (2. v.l.) war acht Jahre lang der engste Berater des Premiers. Nach ihm verließen weitere wichtige Mitarbeiter von Xavier Bettel das Staatsministerium. (Foto: Europäische Union 2019)

Auch auf dem Posten des Wirtschaftsberaters des Premiers gab es mehrere Wechsel. Dafür war bis 2020 der Beamte Marc Baltes zuständig, der jedoch heute als Redenschreiber des Großherzogs arbeitet. Die freigewordene Stelle im Staatsministerium wurde von der früheren Lobbyistin der Fondsbranche, Anouk Agnes, besetzt. Doch bereits im Juni dieses Jahres hat sie das Ministerium verlassen und will wieder in der Privatwirtschaft arbeiten. Die Rolle des wirtschaftspolitischen Beraters des Premiers hat nun Frank Genot, einer der ehemaligen Pressesprecher im Staatsministerium, übernommen.

Stichwort Pressesprecher: Auch in diesem Bereich drehte sich das Beamtenkarussell in Xavier Bettels Ministerium. Nach Paul Konsbruck wurde Jo Clees zum Sprecher des Premiers ernannt, wechselte aber nach vier Jahren in den „Service Information et Presse“ und von dort ins Verteidigungsministerium. Schon zuvor wurde Liz Thielen als weitere Pressesprecherin eingestellt. Auch sie wurde Mitglied des Kabinetts. Nach gut zwei Jahren ist aber auch sie auf dem Sprung, das Ministerium zu verlassen. In den Pressemitteilungen des Ministeriums wird bereits Céline Derveaux als neue Kontaktperson aufgeführt. Ihre Karriere startete sie als Attachée des EU-Abgeordneten Charles Goerens (DP).

Sieben Jahre – für jene, die durchhalten

Eigentlich sollte die Gründung des Kabinetts im Staatsministerium die Loyalität und damit auch die Kontinuität der engsten Mitarbeiter des Premiers sicherstellen. Die zahlreichen Wechsel ein Jahr vor den Wahlen erschweren es dem Premier jedoch, sich auf ein reibungslos funktionierendes Staatsministerium zu stützen. Das institutionelle Wissen über bisherige Entscheidungen oder Prozeduren geht mit jedem Wechsel erneut verloren und muss von den neuen Mitarbeitern wieder aufgebaut werden. Dabei sollten die Beamten eigentliche eine Legislaturperiode überdauern.

Die Mandatsdauer eines politischen Beamten ist per Gesetz auf sieben Jahre ausgelegt. Die kürzlich ernannten Berater könnten demnach noch über die volle Mandatsperiode einer künftigen Regierung im Staatsdienst bleiben. Auch aus diesem Grund sollte die Parteizugehörigkeit keine Rolle bei der Ernennung spielen – zumindest in der Theorie. Obwohl es sich um politische Berater handelt, hat sich die Idee eines politischen Kabinetts, wie es dies etwa in Frankreich gibt, in Luxemburg nie durchgesetzt.

In der nächsten Legislaturperiode könnte sich indes zeigen, ob zumindest das Konzept eines Kabinetts inzwischen auf parteiübergreifende Zustimmung trifft. Bisher haben nur liberale Premierminister ein Kabinett im Staatsministerium gegründet. Dabei gilt Gaston Thorn auch in einer weiteren Hinsicht als Inspiration. Der erste DP-Premierminister ernannte damals Parteifreund Paul Helminger zu seinem Kabinettschef. Nach der sozial-liberalen Koalition von 1974 bis 1979 wurde das Kabinett jedoch wieder aufgelöst.

Wie wenig sich das Konzept durchgesetzt hat, zeigt sich auch daran, dass der Posten des „Chef de cabinet“ offiziell nicht existiert. Jeff Feller ist wie sein Vorgänger schlicht ein „Premier Conseiller de Gouvernement“ – von insgesamt 58 in den verschiedenen Ministerien. Die zahlreichen Wechsel im Staatsministerium könnten jedoch auch bedeuten, dass die siebenjährige Amtsdauer ohnehin kaum noch gilt. „Ich glaube nicht, dass man diesen Job mehr als zehn Jahre durchhalten kann“, sagt Jeff Feller. Ohne zusätzliche Verlängerung würde sein Mandat ohnehin einen Monat vor den übernächsten Wahlen ablaufen – vorausgesetzt, er verlässt seinen Chef nicht auch frühzeitig.


Mehr zum Thema