Die Nominierung von politischen Beamten führt immer wieder zu kontroversen politischen Debatten. Die Praxis ist besonders in Luxemburg ein hausgemachtes Problem. Dabei könnte der Gesetzgeber leicht für mehr Klarheit und Gerechtigkeit im System sorgen. Eine Analyse.
Was sind eigentlich politische Beamte? Sie bekleiden Ämter, „zu deren Ausübung die fortdauernde Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung erforderlich ist“, heißt es im deutschen Beamtenstatusgesetz. Man würde zur Definition ja gerne auf die luxemburgische Gesetzgebung verweisen. Aber eine solche gibt es dort nicht. Und damit wären wir schon beim ersten Problem.
Auch in Luxemburg gibt es nämlich solche Staatsdiener, die nur deshalb an herausragender Stelle in einer Verwaltung tätig sind, weil ihre politischen Ansichten und Ziele mit jenen einer Regierung bzw. eines bestimmten Ministers übereinstimmen. Das Gesetz bezeichnet sie lediglich als „certains fonctionnaires occupant des fonctions dirigeantes dans les administrations et services de l’Etat“. Ein Staatsexamen müssen sie nicht absolvieren. Die Ernennung durch einen Minister bzw. die Bestätigung durch den Ministerrat genügt.
Ein sehr luxemburgisches Problem
Jetzt könnte man meinen, diese politisch nominierten Beamten würden nur für jene Zeit ernannt, in der „ihr“ Minister im Amt ist. Nicht so in Luxemburg. Direktoren, Generaladministratoren, Regierungsräte, Regierungskommissare und andere werden für eine erneuerbare Dauer von sieben Jahren ernannt. Damit soll ihre Unabhängigkeit gegenüber der Parteipolitik unterstrichen werden, hieß es bei der Debatte über das Gesetz von 2005.
Man muss nicht lange mutmaßen, warum die Verlockung für die Politiker groß ist, über diesen Weg loyale Parteigänger zu belohnen und dauerhaft an sich zu binden.“
Doch genau hier liegt das Kernproblem des Verständnisses eines politischen Beamten in Luxemburg. Das Gesetz tut so, als ob sie gewöhnliche Angestellte des Staates wären. Doch natürlich sind sie per se, also per Nominierung politisch. Sie haben in Luxemburg demnach auch einen entscheidenden Vorteil gegenüber ihren Pendants im Ausland: Selbst bei einem Regierungswechsel können sie in der Regel im Staatsdienst bleiben. Selbst falls sie nach sieben Jahren nicht auf ihrem Posten bestätigt werden, droht ihnen laut Gesetz im schlimmsten Fall lediglich die Herabsetzung um einen Grad in der ministerialen Karriereleiter.
Die große parteipolitische Verlockung
Politische Beamte sind in Luxemburg also gewissermaßen Zwitterwesen. Sie profitieren von den Vorzügen aus beiden Welten: Die Politik nominiert sie an den sonst geltenden objektiven Regeln des Öffentlichen Dienstes vorbei an eine herausragende Stelle. Einmal ernannt, werden sie aber bald schon als gewöhnliche Staatsbeamten behandelt – Beförderungen oder lukrative Nebenverdienste als Verwaltungsratsmitglieder inklusive. Man muss nicht lange mutmaßen, warum die Verlockung für die Politiker groß ist, über diesen Weg loyale Parteigänger zu belohnen und dauerhaft an sich zu binden.
Warum diese Praxis problematisch ist, wird immer wieder bei Regierungswechseln deutlich. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Ein hoher Beamter, der von einem CSV-Minister im Jahre 2010 ernannt wurde, bleibt auch nach 2017 im Staatsdienst. Die neuen Machthaber können ihn oder sie zwar an eine andere Stelle versetzen. Doch die Person bleibt ohne größere finanzielle Abstriche auf der Gehaltsliste des Staates. Umgekehrt ist es natürlich genauso. Jene politische Beamten, die von Blau-Rot-Grün seit 2013 nominiert wurden, werden auch in Zukunft bei einer anderen parteipolitischen Konstellation hohe Beamten bleiben, wenn auch eventuell nicht mehr funktional an entscheidender Stelle.
Reformmodelle aus dem Ausland
Anders sieht es freilich im Ausland aus. Um beim eingangs zitierten deutschen Beispiel zu bleiben: In der Bundesrepublik gelten eine ganze Reihe von Ämtern als politisch und werden vom Gesetzgeber auch so behandelt. Dementsprechend können diese politischen Beamten auch jederzeit entlassen bzw. in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Da das deutsche Gesetz politisch nominierte Beamte als solches definiert, ist diese Folge geradezu logisch.
Ein politischer Beamter kann in Deutschland also jederzeit aus politischen Gründen wieder aus dem Staatsdienst ausscheiden. In der Regel geschieht dies, wenn der Minister, der ihn oder sie ernannt hat, sein Amt verlässt. Oder zumindest wenn die Partei des betreffenden Ministers nicht mehr an der Macht ist. Dabei ist es nicht so, dass die betreffenden Personen bei einer Entlassung ins Bodenlose fallen. Drei Monate lang erhalten sie weiter ihr normales Gehalt. Dann sechs Monate bis maximal drei Jahre ein sogenanntes Übergangsgeld. Was allerdings stimmt: Die Betroffenen müssen sich einen Job suchen, was für die in der Regel kompetenten Kandidaten jedoch kein Problem darstellen sollte.
Ein anderes Beispiel ist das sogenannte „Cabinet ministériel“ in Frankreich. Über diesen Weg können Minister ein Team von maximal zehn Vertrauten oder politischen Sympathisanten zusammenstellen, das den Inhaber des politischen Amtes in der alltäglichen Arbeit unterstützt. Dass ein Minister solche Mitarbeiter braucht, ist dabei absolut legitim. Doch auch beim französischen Modell gilt die folgerichtige Regel: Sobald der politische Chef das Amt verlässt, tun dies auch die Mitglieder seines „Kabinetts“.
Ein Mittel gegen Politikverdrossenheit
In Luxemburg wird ein ähnliches Modell schon seit Jahrzehnten diskutiert. Doch bisher bleibt es bei der dargelegten Praxis. Viele Ministerien funktionieren zwar mittlerweile nach dem Prinzip des „Cabinet ministériel“. Anders als in Frankreich sind deren Mitglieder, die nicht selten die gleiche Parteikarte wie der Minister haben, nach ihrer Nominierung aber unantastbar. Bei einem Regierungswechsel werden sie lediglich kaltgestellt, oder wie es in Luxemburg so schön heißt, „an de Schaf gestallt“.
Die lange Tradition des parteipolitisch aufgeblähten Staatsapparats scheint in Luxemburg vorerst stärker zu sein als der sachlich begründete Wille zu einem transparenteren und gerechteren System.“
Das praktische Problem liegt dabei auf der Hand: Das aktuelle System ist eigentlich nicht darauf ausgerichtet, dass die engsten Mitarbeiter der Minister regelmäßig wechseln. Deshalb kann die Umstrukturierung eines Ministerstabs schon mal eine teure Angelegenheit für die Staatskasse werden. Oder, um beim Luxemburger Jargon zu bleiben: Die Schränke mit unliebsamen Beamten drohen ziemlich voll zu werden.
Nicht nur deshalb wäre es höchste Zeit für ein Umdenken. Ein Ministerkabinett nach französischem Vorbild, zum Beispiel mit maximal fünf politisch nominierten Beamten pro größeres Ministerium, wäre sowohl ohne Weiteres machbar als auch sinnvoll. Ein solches Modell hätte letztlich den großen Vorteil, dass es die regelmäßigen Debatten über parteiische Nominierungen und mögliche Vetternwirtschaft im Keim ersticken würde. Für die Parteien, den Öffentlichen Dienst und die ganze Öffentlichkeit wäre dann klar: Die politischen Nominierungen sind zeitlich begrenzt. Damit würde man letztlich auch dem in der Bevölkerung verankerten, im Kern nicht ganz abwegigen Eindruck des Staates als parteipolitischem Selbstbedienungsladen entgegentreten.
Der Weg zum „cabinet ministériel“
Dass an dieser Stelle ein Nachholbedarf besteht, geben hinter vorgehaltener Hand auch manche Minister und Ex-Minister zu. Zu den Argumenten für eine Reform gehört dabei nicht nur, dass die aktuelle Praxis nach außen für viele Bürger einen bitteren Beigeschmack hat. Auch innerhalb des Öffentlichen Dienstes gibt es seit jeher gegenseitige Skepsis, Neid und offene Anfeindungen zwischen jenen Beamten, die politisch ernannt wurden und jenen, die eher aufgrund ihrer Kompetenz die Karriereleiter hinaufsteigen.
Als Modell einer Reform könnte dabei eine Passage aus dem Wahlprogramm von Déi Gréng aus dem Jahre 2013 herhalten. Dort heißt es, dass die Grünen jedem Minister die Möglichkeit geben wollen, „bis zu drei persönliche Berater zu benennen“. „Dies wären politische Angestellte der Regierung, deren Tätigkeitsfeld zwischen den Regierungsmitgliedern und den nicht-politischen Beamten angesiedelt ist und die die Umsetzung der Vorgaben der Regierung in den Ministerien begleiten. Kabinettsmitglieder erhalten eine Freistellung ihrer regulären Arbeit für die Dauer des Mandats ihres Ministers und können ebenfalls aus der Privatindustrie rekrutiert werden. Nach Ablauf des Mandats ist ihre Funktion im Ministerium beendet.“
Doch nach dem Regierungswechsel von 2013 hörte man von dieser Forderung nichts mehr. Und auch die seitdem von allen drei Parteien beschleunigten politischen Nominierungen deuten nicht darauf hin, dass es zu einer Reform des politischen Beamtentums kommt. Zur Erinnerung: Im Dezember 2018 erhöhte die Regierung die maximal zulässige Zahl der politisch nominierten Regierungsräte von 82 auf 120. Die lange Tradition des parteipolitisch aufgeblähten Staatsapparats scheint in Luxemburg also vorerst stärker zu sein als der sachlich begründete Wille zu einem transparenteren und gerechteren System.
Lesen Sie mehr zum Thema
