Wie kaum eine Regierung zuvor baut Blau-Rot-Grün seit den Wahlen den Beamtenstaat aus. Die CSV kritisiert diese Praxis und plädiert für eine überparteiliche Reform des politischen Beamtentums. Die Regierung zeigt jedoch kein Interesse an der Debatte.
Knapp drei Monate ist die neue Regierung im Amt. Seitdem wurde nicht nur im Parlament und am Kabinettstisch das Personal punktuell ausgewechselt. Auch auf der höchsten Beamtenebene kam es zu einer Reihe von personellen Veränderungen. Dabei wurde schon nach den Wahlen vom 14. Oktober schnell deutlich, dass Blau-Rot-Grün verstärkt auf politische Nominierungen setzt.
Seit Januar wurden von der Regierung 28 neue politische Beamte nominiert. Schon im vergangenen Dezember hatte die Koalition dafür die formalen Voraussetzungen geschaffen. Per großherzoglichen Erlass wurde damals die maximale Anzahl der politischen Beamten von 82 auf insgesamt 120 erhöht.
Politische Beamte sind der Regierung beigeordnet. Das Gesetz bezeichnet sie als „certains fonctionnaires occupant des fonctions dirigeantes dans les administrations et services de l’Etat“. Sie werden ohne Staatsexamen von der Regierung ernannt und an die Spitze der Beamtenkarriere befördert. Das Grundgehalt der „Conseillers“ variiert je nach Position und Dienstgrad zwischen 7.000 und 12.000 Euro pro Monat.
Parteimitglieder steigen zu hohen Beamten auf
Die politischen Nominierungen stehen immer wieder in der Kritik, weil damit oft loyale Parteimitglieder im Staatsdienst „platziert“ werden sollen. Einzelne Ernennungen der vergangenen Wochen dürften in den Augen der Opposition tatsächlich in diese Kategorie fallen.
So wurde die frühere DP-Fraktionssekretärin Françoise Schlink zur Ersten Regierungsrätin und Kabinettschefin im Ministerium für Mittelstand und Tourismus von Lex Delles (DP) ernannt. Mike Mathias, einstiges Mitglied im Staatsrat für Déi Gréng, wurde Erster Regierungsrat im Wohnungsbauministerium von Sam Tanson (Déi Gréng). Auch in Tansons Kulturministerium wurde mit Jo Kox, wenn auch kein Parteimitglied, so doch ein Vertrauter der Ressortchefin als Erster Regierungsrat mit der politischen Koordination betraut.
Ein besonders deutliches Beispiel für eine Nominierung mit parteipolitischem Hintergrund ist Francine Closener. Die Ex-Staatssekretärin wurde zur Ersten Regierungsrätin im Außenministerium ernannt. Dort soll die ehemalige Journalistin mit LSAP-Parteikarte die Koordination des Markenimages übernehmen. Closeners Fall ist ähnlich gelagert wie jener von Maggy Nagel. Auch die ehemalige DP-Ministerin erhielt nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung einen Posten als Erste Regierungsrätin bzw. Kommissarin für Luxemburgs Beteiligung an der Weltausstellung in Dubai 2020.
Politisch ist nicht unbedingt parteipolitisch
Faktisch sind jedoch nicht alle auf diese Weise ernannten Beamten in Parteien aktiv. Es gibt sogar ein Beispiel, bei dem mit Claudine Konsbruck eine kurzzeitige Abgeordnete von der CSV von Blau-Rot-Grün wieder in den höheren Öffentlichen Dienst berufen wurde. Die Juristin ist seit Januar im Staatsministerium für den Zugang zu Dokumenten zuständig.
Der Öffentliche Dienst darf keine parteipolitische Veranstaltung sein.“Frank Engel, CSV-Parteivorsitzender
Generell sind unter den jüngsten Ernennungen von Blau-Rot-Grün mehrere Personen, die schon vorher Beamte waren und nicht unbedingt einer politischen Couleur zuzuordnen sind. So profitierten mehrere Minister von der Gelegenheit des Regierungswechsels um vertraute Staatsbeamte zu befördern oder Personen, die bereits im Staatsdienst angestellt waren, an herausragende Positionen aufrücken zu lassen.
Beispiele hierfür sind etwa die Nominierungen von Gilles Feith (vormals Direktor des „Centre des technologies de l’information de l’État“) im Verteidigungsministerium, von Béatrice Abondio (bisher Vize-Direktorin des Geheimdienstes SRE) im Ministerium für innere Sicherheit, Tom Theobald (vorher „Luxembourg for Finance“) im Finanzministerium oder auch von Vera Soares (vorher Ministerium für Wirtschaft, dann Forschung und Hochschule) im neu geschaffenen Digitalisierungsressort.
Politische Nominierungen von Beamten seit dem Regierungswechsel
- Jacques Brosius (Conseiller de Gouvernement première classe, Familienministerium)
- Vera Soares (Conseiller de Gouvernement, Digitalisierungsministerium)
- Romain Martin (Premier Conseiller de Gouvernement, Hochschul- und Forschungsministerium)
- Ian Tewes (Premier Conseiller de Gouvernement, Arbeitsministerium)
- Tom Theobald (Conseiller de Gouvernement première classe, Finanzministerium)
- Christina Schürr (Conseiller de Gouvernement, Verbraucherschutzministerium)
- Francoise Schlink (Premier Conseiller de Gouvernement, Tourismus- und Mittelstandsministerium)
- Mike Mathias (Premier Conseiller de Gouvernement, Wohnungsbauministerium)
- Francine Closener (Premier Conseiller de Gouvernement, Außenministerium)
- Thomas Oswald (Premier Conseiller de Gouvernement, Arbeitsministerium)
- Nathalie Schmit (Conseiller de Gouvernement adjoint, Innenministerium)
- Bérengère Beffort (Conseiller de Gouvernement adjoint, Ministerium für Gleichheit zwischen Frauen und Männern)
- Pierre Hobscheit (Conseiller de Gouvernement adjoint, Arbeitsministerium)
- Pol Henrotte (Conseiller de Gouvernement adjoint, Innenministerium)
- Abilio Fernandes (Premier Conseiller de Gouvernement, Ministerium für Soziale Sicherheit)
- Jo Kox (Premier Conseiller de Gouvernement, Kulturministerium)
- Béatrice Abondio (Premier Conseiller de Gouvernement, Ministerium für innere Sicherheit)
- Maria Vidal (Conseiller de Gouvernement première classe, Ministerium für Landesplanung)
- Christian Lahure (Conseiller de Gouvernement, Umweltministerium)
- Gilles Biver (Conseiller de Gouvernement première classe, Umweltministerium)
- Luc Reding (Conseiller de Gouvernement première classe, Justizministerium)
- Gilles Feith (Premier Conseiller de Gouvernement, Verteidigungsministerium)
- Anne Catherine Ries (Premier Conseiller de Gouvernement, Staatsministerium, Direktorin des SMC)
- Laurent Knauf (Premier Conseiller de Gouvernement, Innenministerium)
- Olaf Münichsdorfer (Premier Conseiller de Gouvernement, Ministerium für Energie und Landesplanung)
- Dominique Faber (Premier Conseiller de Gouvernement, Familienministerium)
- Pierre Rauchs (Premier Conseiller de Gouvernement, Wirtschaftsministerium)
- Claudine Konsbruck (Conseiller de Gouvernement première classe, Staatsministerium)
Die aktuelle Regierung verteidigt die Praxis. Es gebe keine „Parteibeamten“, sagt Premierminister Xavier Bettel (DP). Alle Staatsbediensteten würden einen Eid auf die Verfassung ablegen und stünden im Dienst des Landes. Daneben sei es das Recht jedes Bürgers, sich in seiner Freizeit für die Allgemeinheit zu engagieren, sei es in einer NGO oder in einer politischen Partei, heißt es aus dem Staatsministerium.
Zudem betonte der Premier noch im Januar, dass die Anhebung der maximalen Anzahl von politischen Beamten nicht bedeute, dass man dieses Quorum auch unbedingt ausschöpfen müsse. Knapp zwei Monate später zeigt sich aber, dass die Regierung mittlerweile 28 der 38 neu geschaffenen Posten bereits besetzt hat.
CSV kritisiert „problematisches Signal“
Für die CSV stellt sich dagegen die Frage der Notwendigkeit eines solchen rasanten Anstiegs der politischen Beamten. Parteichef Frank Engel spricht von einem „problematischen Signal“, das von einer solchen „dramatischen Erhöhung“ der politischen Nominierungen ausgehe. „Der Öffentliche Dienst darf keine parteipolitische Veranstaltung sein“, so der CSV-Vorsitzende im Gespräch mit REPORTER.
Das Grundproblem liege jedoch nicht darin, dass es politische Beamte gebe, so Engel weiter. „Jeder vernünftige Mensch versteht, dass ein Minister sich mit loyalen Mitarbeitern umgeben will. Das Problem ist, dass diese Beamten in Luxemburg auch im Staatsdienst verbleiben, wenn der Minister oder dessen Partei einmal nicht mehr an der Macht ist.“
Der CSV-Parteivorsitzende räumt dabei ein, dass auch seine Partei lange diese Praxis verfolgt habe. Er erinnert jedoch an die Debatten im Vorfeld einer Reform des entsprechenden Gesetzes im Jahre 2004. Damals habe er sich als Fraktionssekretär stets dafür eingesetzt, dass man in Luxemburg eine Regelung einführe, die am Konzept des „Cabinet ministériel“ in Frankreich angelehnt sein sollte.
Politische Kabinette nicht auf der Agenda
Es sollte anders kommen. Nicht zuletzt hatte sich die mächtige Beamtengewerkschaft CGFP damals mit der Ansicht durchgesetzt, dass auch politisch nominierte Beamte nicht dem Zyklus einer Legislaturperiode geopfert werden dürften. Deshalb wurde im Gesetz auch festgehalten, dass die politischen Beamten für die Dauer von sieben Jahren nominiert werden.
Der springende Punkt der luxemburgischen Gesetzgebung ist aber: Auch wenn diese Nominierung nach sieben Jahren nicht bestätigt wird, scheidet die betreffende Person damit nicht zwangsläufig aus dem Staatsdienst aus.
Laut Frank Engel fördert diese Praxis letztlich die parteipolitische Motivation von solchen Nominierungen. Sein Alternativmodell besagt, dass ein luxemburgischer Minister „zwei bis drei“ persönliche Berater einstellen dürfen soll, dies jedoch begrenzt auf die Amtszeit des politischen Ressortchefs. Ab dann müssten die betroffenen Personen ein reguläres Staatsexamen absolvieren, um im höheren Staatsdienst zu verbleiben. Ein entsprechendes Modell stand auch im Wahlprogramm der CSV. Auch Déi Gréng hatten sich 2013 für die Einführung eines solchen „politischen Kabinetts“ ausgesprochen.
Seitdem spricht die Realität eine andere Sprache. Frank Engel will das Thema jedoch nicht begraben. Er wolle in dieser Sache auch das Gespräch mit dem Regierungschef suchen. Sein Ziel sei eine überparteiliche Übereinkunft, wonach sich der Staat klare, nachvollziehbare Regeln geben müsse, was ein politischer Beamter ist, und was nicht.
Xavier Bettel sagt auf Nachfrage von REPORTER, dass er auf eine solche Initiative noch warte. Bisher habe er mit Engel über dieses Thema noch nicht gesprochen. Und überhaupt: Die Einführung von politischen Kabinetten stehe nicht im Koalitionsprogramm.
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