Jedes Jahr werden 15.000 Menschen in Luxemburg erstmals zu Eigenheimbesitzern. Die extrem hohen Preise machen dies aber zunehmend schwieriger. Der Staat unterstützt mit Beihilfen und Steuererleichterungen. Das wird immer teurer und hilft immer weniger. Eine Analyse.
„De Maart huet d’Hëllefe méi séier gefriess, wéi se geschafe gi sinn“, sagte der LSAP-Abgeordnete Mars Di Bartolomeo vor knapp 20 Jahren. Der Staat schuf neue Beihilfen zum Kauf des Eigenheims, doch steigende Preise führten dazu, dass die wechselnden Regierungen mehr Geld in den Immobilienmarkt stecken mussten. Ohne Garantie, das politische Ziel zu erreichen.
2002 wollte die damalige CSV-DP-Koalition den Befreiungsschlag. Sie führte die zwei wichtigsten Maßnahmen in ihrer heutigen Form ein: die „superreduzierte“ Mehrwertsteuer von drei Prozent und den „bëllegen Akt“. „Kee Land mécht méi“, lobte sich der damalige Premierminister Jean-Claude Juncker (CSV) vorsorglich selbst, als er die Reformen ankündigte.
Die Zahlen sind beachtlich: Mit 8.300 Euro half der Staat 2002 den Erstkäufern im Schnitt über den „bëllegen Akt“. 2020 waren es bereits 13.500 Euro – zwei Drittel mehr. Die Zahlen zeigen, dass die Beobachtung von Mars Di Bartolomeo heute mehr denn je gilt. Dazu kommt: Steuervorteile fürs Bauen sind sozial ungerecht, denn höhere Einkommen profitieren mehr. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen vom Traum des Eigenheims ausgeschlossen. Für die Politik ist das ein kaum lösbares Problem.
Ein Teufelskreis
Dieses Jahr plant die Regierung, knapp 600 Millionen Euro auszugeben, um möglichst vielen den Kauf eines Eigenheims zu ermöglichen. Das sind drei Prozent aller Staatsausgaben. Doch die Ausgaben steigen schnell: 2020 kostete der Steuervorteil des „bëllegen Akt“ den Staat noch 180 Millionen Euro, für 2022 rechnet die Regierung mit 205 Millionen Euro. Zwischen 13.000 und 15.000 Menschen pro Jahr profitieren vom „bëllegen Akt“.
Die Preise steigen, der Staat zahlt mehr Hilfen, die Preise steigen weiter. Es ist ein Teufelskreis. Denn die staatlichen Ausgaben hängen größtenteils von den Immobilienpreisen ab. Offensichtlich ist das bei der „TVA Logement“, die bis zu einem Kaufpreis von 357.143 Euro gilt. Der „bëllege Akt“ ermöglicht einem Paar, eine Immobilie in Höhe von 571.423 Euro frei von „Enregistrement“-Steuern zu kaufen. Mit steigenden Preisen steigen auch die Zinszahlungen, die Haushalte von ihren Steuern absetzen können.
Bei den aktuellen Preisen nutzen Erstkäufer diese Steuervorteile mit dem Kauf einer durchschnittlichen Wohnung aus. Eine offensichtliche Lösung wäre es, die Deckelung der Steuervorteile zu erhöhen. Einen entsprechenden Gesetzvorschlag unterbreitete der CSV-Abgeordnete Marc Lies dem Parlament im Oktober 2019. Aktuell ist der Steuervorteil des „bëllegen Akts“ auf 20.000 Euro pro Person begrenzt. Innerhalb dieses Rahmens konnte eine Person sich 2009 eine durchschnittliche Wohnung mit 80 Quadratmeter Fläche kaufen, ohne Steuern zu zahlen, da dies noch unterhalb des „Deckels“ von 286.000 Euro lag. Doch 2019 kostete eine entsprechende Wohnung 488.000 Euro und der Käufer musste über 14.000 Euro an „Enregistrement“-Gebühren zahlen, argumentierte Marc Lies. Er schlug deshalb vor, den Steuerkredit beim „bëllegen Akt“ von 20.000 auf 50.000 Euro anzuheben.
Bedingt ein Preistreiber
Die Handelskammer warnte jedoch in ihrer Stellungnahme, eine Erhöhung würde die Preisspirale weiter anheizen. Das Budget der Kaufwilligen würde sich erhöhen, die Nachfrage also noch weiter steigen, aber das Angebot an Immobilien bleibe begrenzt.
Wissenschaftlich lässt sich diese an sich schlüssige Erklärung aber nur zum Teil bestätigen. Forscher der Universität Luxemburg untersuchten anhand der Mehrwertsteuererhöhung von 2015, wie die Preise auf eine Reduzierung des Steuervorteils reagierten. Anhand dieser Daten kommen sie zum Schluss, dass drei Viertel der Höhe der Steuervorteile den Käufern zugutekomme. Ein Viertel werde aufgefressen, weil die Immobilienanbieter die Preise erhöhen.
Das bedeutet, dass das Geld, das der Staat ausgibt, zum großem Teil auch bei den Haushalten ankommt, die die Politik unterstützen will. Die Frage bleibt aber, ob die immer höheren Summen gerechtfertigt sind. Marc Lies rechnete bei seinem Vorschlag mit 450 Millionen Euro an Ausgaben, also 250 Millionen Euro mehr als aktuell.
Sozial ungerechte Hilfen
Neben der unklaren Wirksamkeit bevorteilen die Fördermaßnahmen in der Summe einkommensstärkere Haushalte. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das „Observatoire de l’Habitat“ im Februar vorstellte. Anhand von Einkommensdaten simulierten Forscher den finanziellen Vorteil verschiedener Haushalte. Das Fünftel der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen erhält durch die Maßnahmen pro Monat 132 Euro. Es sind aber 240 Euro für die einkommensstärksten Haushalte.
Wer mehr verdiene, kaufe auch teurere Immobilien und reize damit die Maßnahmen ganz aus, erklären die Forscher die Diskrepanz. Die steuerliche Absetzbarkeit von Zinsen ist ebenfalls zum Vorteil von Haushalten, die mehr verdienen und entsprechend mehr Steuern zahlen.
Noch größer wird die Kluft, wenn man nicht nur die Eigenheimbesitzer untereinander vergleicht, sondern Mieter mit einbezieht. Der Staat behandelt Eigentümer steuerlich bevorzugt, die aber wiederum im Schnitt wohlhabender als Mieter sind.
Ein forcierter Paradigmenwechsel
„Dieses Ergebnis bestärkt mich in meiner Strategie, die staatlichen Beihilfen gezielter für das Recht auf Wohnen einzusetzen“, sagte Wohnungsbauminister Henri Kox (Déi Gréng) bei der Vorstellung der Studie. Tatsächlich zeigen die Ausgaben seines Ministeriums eine erstaunliche Wende. Während noch 2010 die Bauhilfen für Haushalte, wie etwa die Bauprämie oder die Zinssubvention, den Großteil der Ausgaben ausmachten, sind es seit 2020 die Beihilfen an öffentliche und private Bauträger zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum („aides à la pierre“).
Noch bedeutsamer: Die Bauhilfen für Erstkäufer sanken in zehn Jahren von 43,5 Millionen Euro im Jahr 2010 auf nur noch 25 Millionen Euro in 2020. Und dies trotz der explodierenden Immobilienpreise, die in dieser Zeit die Lohnentwicklung merklich überschritten haben, merkt das Wohnungsbauministerium an. Die Zahl der bewilligten Bauprämien sank von 1.800 anno 2012 auf 850 im vergangenen Jahr, wie dem Aktivitätsbericht des Ministeriums zu entnehmen ist.
Doch diese Wende deutet darauf hin, dass die Haushalte mit niedrigem Einkommen sich immer seltener ein Haus oder eine Wohnung leisten können. Die Bauhilfen im Gegensatz zu den Steuervorteilen sind sozial gestaffelt und mit einem überdurchschnittlichen Einkommen bekommt man sie nicht. Im Zuge der Reform der Bauhilfen sieht Henri Kox vor, den Kreis der Nutznießer um etwa ein Drittel zu erweitern – sie also auch etwas höheren Einkommen zugutekommen zu lassen.
Das Sowohl-als-Auch
Der Paradigmenwechsel zur Förderung von Mietwohnungen ist jedoch nicht ganz freiwillig. Die sinkenden Anträge bei den Bauprämien zeigen, dass auch die großen Maßnahmen wie die "TVA Logement" und der "bëllegen Akt" ihr Ziel verfehlen, das Eigenheim zu einem erfüllbaren Traum zu machen.
Die staatlichen Hilfen bekommen jene, die sich noch Immobilien leisten können – und demnach die Förderung möglicherweise nicht benötigen. Jene, die Zuschüsse brauchen, um sich ein Eigenheim kaufen zu können, können bei den Preisen nicht mehr mithalten. In vielen Fällen reicht ihr Einkommen nicht aus, um überhaupt von einer Bank einen Kredit zu bekommen.
Die steigenden Zinsen auf Immobilienkrediten werden dieses Spannungsfeld noch weiter verschärfen. Doch die Politik beschwört weiterhin den Traum vom Eigenheim – ohne sich die Mittel zu geben, ihn auch möglich zu machen. Henri Kox träumt davon, dass der Staat jedes Jahr 500 Millionen Euro in bezahlbaren Wohnraum investiert, berichtet "Paperjam". Dabei vergisst er, dass der Staat heute mehr als 600 Millionen Euro an Steuervorteilen verteilt. Es ist das typische Luxemburger Sowohl-als-Auch.
„Den Deal ass, datt de Staat alles mécht fir de Wunnengsproblem an de Grëff ze kréien“, sagte Jean-Claude Juncker 2002. Wenn aber die Preise weiter steigen würden und Besitzer ihr Bauland zurückhalten würden, dann würde er eine Spekulationssteuer einführen. Doch dazu fehlte damals wie heute der Mut.