Dank ihrer Nähe zur Luxemburger Politik galt die „East-West United Bank“ lange als wenig auffällige Geschäftsbank. Recherchen von Reporter.lu zeigen nun: Die Bank spielte im Offshore-Imperium von Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin eine wesentliche Rolle.

Der Kriegsnebel, der momentan über Europa liegt, lässt manches in Vergessenheit geraten. So zum Beispiel, dass der Präsident der Russischen Föderation nicht nur ein mit Atomwaffen drohender Kriegsherr ist, der sein Nachbarland mit einer völkerrechtswidrigen Invasion überzieht. Wladimir Putin gilt auch als sehr reicher Mann, der sich in seinen mehr als zwei Jahrzehnten an der Macht in Russland aus den Staatskassen bedient haben soll.

So lautet zumindest der Verdacht von Regimekennern. Offiziell ist Putins Reichtum dagegen weder zu beziffern noch im Detail nachzuvollziehen. 2016 ließen die „Panama Papers jedoch erahnen, wie das Geld aus dem Umfeld des Kreml-Herrschers über eine russische Bank und eine Vielzahl an Offshore-Firmen versteckt und investiert wurde. Eine Recherche des „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP) in Zusammenarbeit mit der unabhängigen russischen Online-Plattform „Meduza“ brachte dieses Jahr weitere Details des Finanznetzwerks des Präsidenten ans Licht.

Neue Recherchen von Reporter.lu in den Datenbanken der „Panama Papers“ zeigen: Auch in Luxemburg hatte dieses Netzwerk Konten angelegt und Transaktionen durchgeführt. Im Zentrum der Operation befinden sich Putin-nahe Personen – wie etwa der Cellist Sergei Roldugin, der zwei Milliarden Dollar in Offshore-Gesellschaften gelagert haben soll. Der persönliche Freund des russischen Präsidenten steht seit diesem Jahr auf der EU-Sanktionsliste. Der Grund: Er soll „Putins Brieftasche“ sein.

Bankkonten, die aufhorchen lassen

An dem Netzwerk beteiligt war auch Arkady Rotenberg, ein ebenfalls sanktionierter Oligarch und enger Vertrauter des Präsidenten. Die Gelder, die Rotenbergs Gesellschaften zwischen verschiedenen Ländern hin- und herschoben, dienten auch dazu, Investitionen in russische Medien und in die Rüstungsindustrie zu tätigen. Zwei Firmen waren dabei für das Funktionieren des Systems unabdingbar: die berüchtigte Kanzlei „Mossack-Fonseca“ aus Panama, deren Dienstleistungen das Gründen von Firmen und das Bereitstellen von Strohmännern beinhalteten, sowie eine Schweizer Anwaltskanzlei, die als Vermittler für die Auftraggeber fungierte.

Bis jetzt schien das Großherzogtum nicht in diesen Netzwerken vorzukommen. Die Überwachungskommission des Finanzsektors CSSF unternahm nach Erscheinen der „Panama Papers zwar eine erste Analyse. Aber die „East-West United Bank“ (EWUB) – die unter ihrer Aufsicht steht – befand sich nicht auf der Liste der Banken und Finanzinstitute, die im Großherzogtum Strafen in Höhe von insgesamt über zwei Millionen Euro zahlen mussten.

Wenn die Bank der CSSF untersteht, muss sie EU-Sanktionen anwenden und dementsprechend unverzüglich die CSSF und das Finanzministerium informieren.“Sprecherin des Finanzministeriums

Die EWUB sorgte selbst dafür, ihr Image vor eventuellen Spekulationen, dass sie dem Kreml allzu nahestehen könnte, zu bewahren. Mit der Nähe zur Politik – der ehemalige Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP) war von 2015 bis 2022 Vorsitzender des Verwaltungsrats – und zum weiteren Establishment, über die Mitfinanzierung des „Bal Russe“ etwa, versuchte die EWUB den Eindruck zu erwecken, nur eine der vielen Geschäftsbanken am großen Luxemburger Finanzplatz zu sein.

Doch die EWUB spielte sehr wohl eine Rolle bei den Finanztransaktionen des engen Umfelds des russischen Präsidenten. Das belegen neue Recherchen von Reporter.lu in den „Panama Papers“. Die Geschichte nimmt ihren Anfang im Jahr 2011. Zwischen Ende August und Anfang September kommt es bei der EWUB zu gleich drei neuen Kontoeröffnungen. Diese werden im Namen von Gesellschaften getätigt, die auf den Britischen Jungferninseln angesiedelt sind. In den Anträgen zu den Kontoeröffnungen tauchen auch die Namen der Eigentümer der Gesellschaften auf: Sergei Roldugin und Alexandr Plekhov. Letzterer ist ein belarussischer Geschäftsmann, der auch dem inneren Zirkel des Kremls angehören soll – sanktioniert ist er bis jetzt in Großbritannien und in Australien.

Geschickte Geldverschiebungen

Es sind vor allem die Namen der Offshore-Gesellschaften, die aufhorchen lassen: „Sonnette Overseas Inc“, „International Media Overseas“ und „Sunbarn Limited“ tauchen in den Recherchen über das russische Netzwerk in den „Panama Papers“ immer wieder auf. Alle drei wurden sie von der „Bank Rossiya“ verwaltet. Die Moskauer Bank, an der Sergei Roldugin selbst Anteile hielt, ist keine gewöhnliche Finanzinstitution. Sie gehört Personen aus dem engsten Freundeskreis von Wladimir Putin – Oligarchen wie Yuri Kovalshuk und Nikolai Shamalov. Alles Mitglieder der exklusiven „Osero-Kooperative“, welche die Datschen des Präsidenten und seiner engsten Vertrauten verwaltet.

Trotz ihrer Zugehörigkeit zum Machtzirkel in Moskau wird in den Dokumenten zur Kontoeröffnung die Frage, ob der Eigentümer der Offshore-Gesellschaften ein „PEP“, also eine politisch exponierte Person ist, mit Nein beantwortet. Dabei ist Sergei Roldugin der Patenonkel von Putins erstgeborener Tochter Maria Vorontsova, die 1985 in Dresden zur Welt kam. Es gibt weitere Merkmale in den Dokumenten, die darauf schließen lassen, dass Roldugin kein gewöhnlicher Kunde ist: So wird etwa darum gebeten, die Post zurückzuhalten. Sämtliche Korrespondenz bleibt innerhalb der Bank, wohl damit keine offensichtliche Verbindung zwischen Kontoinhaber und Konten hergestellt werden kann.

Die Geschichte der EWUB

Die „East-West United Bank“ (EWUB) wurde 1974 auf Initiative von Premierminister Pierre Werner (CSV) in Luxemburg gegründet. Die ursprünglichen Eigentümer waren die russische Staatsbank und die „Vneshtorgbank“ (heute „VTB“) sowie kleinere Anteilseigner. Die EWUB wurde schnell zu einer der Außenstellen für Devisenhandel zwischen Ost und West im Kalten Krieg.

Nach dem Fall der Sowjetunion übernimmt 1992 die „Bank Imperial“ aus Moskau die Mehrheitsanteile. In deren Verwaltungsrat saß auch Andrei Kostin, heutiger Vorsitzender der staatlichen VTB-Bank. Kostin steht seit Kriegsbeginn unter EU-Sanktionen. Im Jahr 2000 übernimmt die VTB sämtliche Anteile der EWUB und bleibt bis 2007 im Kapital vertreten. Ab 2001 beginnt die russische Investmentholding „AFK Sistema“ sich bei der EWUB einzukaufen. Die Mehrheit der Anteile erlangt sie 2007 – und ist ab 2018 alleiniger Aktionär der EWUB.

Ihrem Jahresbericht zufolge verwaltete die EWUB Ende 2021 insgesamt 724 Millionen Euro. 2020 hatte sie Verluste von vier Millionen, ein Jahr später von 1,3 Millionen zu vermelden. Zur Invasion der Ukraine steht im Bericht: „Die aktuelle geopolitische Instabilität durch den Krieg in der Ukraine hat das Businessumfeld der Zielmärkte und die Marktwerte von Teilen des Rentenportfolios der Bank beeinflusst. (…) Es gibt keine Möglichkeit, die Konsequenzen der aktuellen Situation in der Ukraine vorauszusehen.“ Nach Informationen von Reporter.lu nimmt die EWUB aktuell keine neuen Kunden mehr an.

Die Gesellschaften dienten nicht nur dazu, Gelder aus Russland versickern zu lassen, sondern auch der Einflussnahme in Russland selbst. So soll über „Sonnette Overseas“ Einfluss auf Entscheidungen beim russischen Lastwagenhersteller und Militärzulieferer „Kamaz“ genommen worden sein, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Über „International Media Overseas“ wurden Anteile an der größten Werbeagentur der russischen Fernsehlandschaft gehalten.

Die Hauptfunktionsweise des Netzwerks war aber das geschickte Verschieben von Geldsummen, sei es durch Transaktionen oder über Kreditvergaben. Dies geschah lange Zeit über eine zypriotische Bank, die „Russian Commercial Bank“ (RCB) – die bis kurz vor Kriegsbeginn der russischen Staatsbank VTB gehörte. RCB, die auch in Luxemburg seit 2014 eine Filiale unterhält, ist vor Kurzem aus dem aktiven Bankgeschäft ausgestiegen. Den Weiterbetrieb will die Institution nun als reine „Asset Management“-Firma angehen, so ein offizielles Statement.

231 Millionen von Arkady Rotenberg

Aber die RCB kam schon vor der russischen Invasion der Ukraine ins Wanken. Die Bankenkrise in Zypern in den Jahren 2012 und 2013 bewirkte, dass sich das Netzwerk von der Insel entfernte. Eine Menge der dort verwalteten Kredite taucht letztlich bei der EWUB in Luxemburg auf. An zwei Daten im Jahre 2013 wurden Kreditvereinbarungen für insgesamt 231 Millionen Dollar unterschrieben, geht aus Dokumenten der „Panama Papers“ hervor. Das Geld sollte an die Gesellschaft „Sunbarn Limited“ gehen. Deren Konto lag zu dem Zeitpunkt immer noch bei der EWUB. Der Ursprung des Geldes führt wiederum zu Offshore-Firmen, deren Besitzer seit den „Panama Papers“ bekannt ist. Es handelt sich um den Putin-Freund Arkady Rotenberg.

Arkady Rotenberg, der durch Gaspipelines zum Multimilliardär aufstieg, kennt Putin bereits seit Jugendtagen, als sie gemeinsam ihre Passion für Judo entdeckten. In Luxemburg hält der Oligarch über eine Holding eine Villa in Cap Ferrat in Südfrankreich. Außerdem waren Arkady Rotenberg und sein Bruder Boris Rotenberg an einem Judo-Club beteiligt, gegen den die Luxemburger Staatsanwaltschaft inzwischen wegen des Verdachts auf Geldwäsche ermittelt, wie das „Lëtzebuerger Land“ berichtete.

Die Luxemburg-Connection

Der heutige Eigentümer der East-West United Bank, die Investmentholding „AFK Sistema“, ist auch eng mit der Luxemburger Politik verbunden. Die ehemaligen Wirtschaftsminister Jeannot Krecké und Etienne Schneider (beide LSAP) waren beide Verwaltungsratsmitglieder. Auf Druck der Öffentlichkeit traten sie Ende Februar dieses Jahres im Zuge des russischen Angriffskrieges von ihren Mandaten zurück.

Der Eigentümer von AFK Sistema ist Wladimir Evtushenkov. Der Oligarch, der Luxemburg als Honorarkonsul in Jekaterinburg vertritt, ist eng mit Luxemburg verbandelt. Ein Großteil seines Vermögens ist auf dem hiesigen Finanzplatz angelegt. Evtushenkov hat sich nicht von der Invasion der Ukraine und dem russischen Regime distanziert.

Das Brisante an diesen Krediten: Sie haben eine Laufzeit von zehn Jahren und sollen erst im April 2023 zurückgezahlt werden. Was aber tun, wenn einer der Kreditgeber hinter den Offshore-Gesellschaften unter Sanktionen steht? Die Antwort des Finanzministeriums ist eindeutig: „Wenn die Bank der CSSF untersteht, muss sie EU-Sanktionen anwenden und dementsprechend unverzüglich die CSSF und das Finanzministerium informieren. Deshalb muss die Bank die Gelder einfrieren und einen Antrag auf Genehmigung stellen, falls das andere Unternehmen die Gelder weiterverwenden möchte“, so eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber Reporter.lu.

Wo das Geld herkommt und für welchen Zweck es bestimmt war, ist nicht bekannt. 2015 bekam Rotenberg jedenfalls den Zuschlag vom Kreml, den Bau der Kerch-Brücke zwischen dem russischen Festland und der 2014 annektierten Krim zu leiten.

Klare Verbindungen zum Putin-Regime

Neben Kreditvergaben gibt es noch ein anderes Manöver, das die Offshore-Netzwerke um den russischen Präsidenten benutzten: die Kreditverschiebung. Dies läuft folgendermaßen ab: Eine Offshore-Firma des Netzwerks verleiht Geld an eine russische Firma, der Kredit wird dann von einer anderen Firma des Netzwerks aufgekauft, oft für lächerliche Summen. Währenddessen ist die Zinsrate bei diesen Krediten oft auffällig hoch, sodass die Einkünfte aus den Kreditvergaben aufgeblasen werden.

Es gibt viele Beispiele solcher Operationen in den „Panama Papers“. Bei mehr als einem Dutzend ist auch eine Firma mit einem Konto bei der EWUB im Spiel: „Ove Financial Corp“. Wer sich hinter dieser Offshore-Gesellschaft versteckt, ist nicht bekannt. Recherchen des „Guardian“ zufolge gehört sie zu einem Netzwerk von Firmen, das Mikhail Lesin zugeordnet werden kann. Lesin war ein Medienmacher, der den Sender „Russia Today“ mitgründete, der in der EU wegen Russland-Propaganda inzwischen abgeschaltet wurde. Kurz nach den Kreditverschiebungsgeschäften fiel Lesin beim Kreml in Ungnade. Er starb 2015 in einem Hotelzimmer in Washington D.C. – die Untersuchung amerikanischer Ärzte ließ auf einen Tod durch stumpfe Gewalteinwirkung schließen und nicht durch einen Herzinfarkt, wie russische Medien berichteten.

Meist wurden die Kredite von einer Firma namens „Sandalwood Continental“ an „Ove Financial Corp“ weitergegeben. Sandalwood Continental war eine der Hauptfirmen im Netzwerk bis zur Bankenkrise in Zypern, sie wurde 2013 liquidiert. In einem Fall ist es aber auch eine der Roldugin-Gesellschaften, ebenfalls mit EWUB-Konto, die anordnete, den Kredit zu verschieben. Unter den russischen Firmen findet sich zumindest eine, deren Name für Aufsehen sorgen kann, führt sie doch noch näher an Putin heran als andere. „Ozon LLC“ soll einer „Reuters“-Recherche nach der Besitzer des „Igora“-Skiresorts sein. Nicht nur wurde dieses Resort zum Anlass der Hochzeit einer von Putins Töchtern privatisiert, sondern auch der Präsident selbst soll dort ein gut bewachtes Feriendomizil besitzen.

Luxemburgs lückenhafte Aufsicht

Warum blieben diese Netzwerke bis jetzt unentdeckt? Es dürfen Zweifel aufkommen, ob die Nachforschungen der CSSF nach den „Panama Papers“ weit genug gingen. Wie die CSSF auf Nachfrage von Reporter.lu mitteilt, hat die Aufsichtsbehörde aber überhaupt keinen gesetzlich definierten Auftrag, Transaktionen etwa zwischen Offshore-Gesellschaften, die über Luxemburg laufen, zu überprüfen. Der legale Rahmen gestatte nur eine Überwachung, die auf einer Einschätzung des Geldwäscherisikos basiere, heißt es. „Im Rahmen der risikobasierten Analyse müssen die Angestellten jedes Jahr einen Fragebogen zur Anti-Geldwäsche ausfüllen und der CSSF verschiedene Informationen zu ihren Kunden und Produkten liefern“, so die Stellungnahme der CSSF.

Nach der „Panama Papers“ -Analyse habe die CSSF aber weitere Überprüfungen angestoßen, die auf Medienberichten basieren, etwa nach den „FinCen-Files“ oder dem „OpenLux“-Projekt. Zudem habe sie „in den letzten Jahren zum Beispiel die Banken für die Thematik sensibilisiert und ihre Erwartungen betreffend eines ‚bad press Screenings‘ kommuniziert“. Das bedeutet: Luxemburgs Finanzaufsicht erwartet von den Banken, proaktiv auf negative Presseartikel zu reagieren und entsprechende Maßnahmen selbst zu ergreifen.

Als luxemburgische Kreditinstitution verbietet es uns das Gesetz, jegliche Information über unsere professionelle Aktivität an Dritte weiterzugeben.“East-West United Bank

Dennoch stellt sich die Frage, warum in Luxemburg niemand danach fragte, ob nicht auch hiesige Finanzinstitute in die russischen Netzwerke um den Präsidenten verwickelt waren. Auf Nachfrage von Reporter.lu heißt es von der East-West United Bank lediglich: „Als luxemburgische Kreditinstitution verbietet es uns das Gesetz, jegliche Information über unsere professionelle Aktivität an Dritte weiterzugeben. Gleichzeitig können wir Ihnen versichern, dass wir unsere Aktivitäten, heute wie früher, in voller Übereinstimmung mit den bestehenden Anti-Geldwäsche-Regulierungen vollzogen haben.“

Bei Mossack-Fonseca, der panamaischen Anwaltskanzlei, welche die Firmen und Transaktionen über Jahre betreute, kam es nach dem Erscheinen der „Panama Papers“ zu einem jähen Erwachen. So schrieb eine Angestellte der Kanzlei an die Schweizer Anwälte der russischen Offshore-Firmen: „Nach einer Risikoeinschätzung haben wir entschieden, unsere Mandate niederzulegen.“ Weil sie zur Abgabe der Mandate aber wissen müsse, wer hinter dem Geld steckt und wo es herkommt, bittet die Angestellte um finanzielle Offenlegung. Der Email-Austausch verläuft nach einigen Wochen ins Leere. Antworten hat Mossack-Fonseca keine bekommen.


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