Die Ukraine unterstützen, ohne Russland als Wirtschaftspartner komplett zu verprellen: Luxemburg versucht im Ukrainekonflikt einen schwierigen Balanceakt. Das verdeutlicht nicht zuletzt die anhaltende Praxis, Oligarchen als Honorarkonsuln zu beschäftigen.

Versucht man den Luxemburger Honorarkonsul im russischen Nowosibirsk über seine offizielle Telefonnummer zu erreichen, klingelt Sabina Kirschners Handy. In bestem und zuvorkommendem Englisch erklärt die Pressesprecherin des Flughafens Tolmachevo, dass sich der Honorarkonsul zurzeit leider in Moskau, über 3.000 Kilometer entfernt, befinde. Sie könne unsere Fragen aber gerne an Roman Trotsenko weiterleiten.

Die Ansiedlung des „Consul honoraire avec juridiction sur les régions de Novossibirsk et de Kemerovo“ im Gebäude des Flughafens von Nowosibirsk ist dabei kein Zufall. Dem russischen Geschäftsmann Roman Trotsenko gehört der ganze Flughafen; genauer gesagt, ist er Besitzer von insgesamt 20 regionalen Flugplätzen in Russland. Das US-Magazin „Forbes“ schätzt das Vermögen des Unternehmers auf rund zwei Milliarden Dollar. Ihm werden beste Verbindungen zum Kreml und anderen mächtigen Oligarchen nachgesagt.

Im Oktober 2020 wurde Roman Trotsenko zum Luxemburger Honorarkonsul ernannt. Bei seiner Ernennung in der Botschaft in Moskau betonte der heute 51-Jährige, dass er sich für die Weiterentwicklung der „langjährigen und fruchtbaren Beziehung“ zwischen Luxemburg und Russland einsetzen werde. Zudem legte er im Beisein von Botschafter Georges Faber einen Eid ab, in dem er schwor, sein Amt gewissenhaft und im Einklang mit den Gesetzen des Großherzogtums auszuüben.

Oligarchen im Dienste Luxemburgs

Normalerweise wissen nur Insider des diplomatischen Betriebs, wer Luxemburg als Honorarkonsul im Ausland vertritt. Seit der russischen Invasion der Ukraine im vergangenen Februar sind diese Posten jedoch zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Dabei verdeutlicht die Praxis der „Consuls honoraires“ die brisante Ambivalenz der ganzen Luxemburger Russlandpolitik: Laut der Regierung stehe man zwar fest an der Seite der Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor. Und doch will man die Beziehungen zur Russischen Föderation aus wirtschaftlichen Gründen nicht komplett abreißen lassen.

Roman Trotsenko ist demnach auch nicht der einzige Honorarkonsul, der im Auftrag der Regierung Luxemburgs Interessen in der Russischen Föderation vertreten soll. Auch Wladimir Evtushenkov ist „Consul honoraire“ in Russland, seinen offiziellen Sitz hat der Oligarch in Jekaterinburg. Drei weitere Ehrenkonsuln  – Victor Rashnikov, Valery Gergiev und Alexei Mordachov – wurden dagegen angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine bereits von ihren Funktionen entbunden.

Es gab hier nie eine Russland-spezifische Strategie (…).“Ein Sprecher des Außenministeriums

Der Grund: „Die Honorarkonsuln Alexei Mordachov und Victor Rashnikov wurden suspendiert, weil sie im Zuge von Russlands Angriff auf die Ukraine von der EU sanktioniert wurden“, heißt es auf Nachfrage vom Außenministerium. Die Suspendierung des Dirigenten und Putin-Freundes Valery Gergiev wird hingegen mit „verschiedenen Äußerungen“ erklärt, die laut dem Außenministerium eine „große Nähe“ zum Regime in Moskau belegen würden. Auch „nach dem brutalen Angriff auf die Ukraine“ habe sich Valery Gergiev nicht davon distanzieren wollen.

Vom Krieg und der russischen Verantwortung dafür haben sich jedoch auch die zwei verbliebenen Luxemburger Honorarkonsuln in Russland nicht distanziert. Beide Milliardäre sind zweifellos Teil der politisch-wirtschaftlichen Elite des Aggressors im Ukrainekonflikt. Und sie sind trotz andauernder Kampfhandlungen in der Ukraine weiterhin als „Consuls honoraires“ für Luxemburg aktiv.

Eine bewusste politische Strategie

Dass die Wahl auf die milliardenschweren Oligarchen mit Eintrag in der „Forbes“-Liste fiel, ist kein Zufall. Wie mehrere Quellen aus diplomatischen und politischen Kreisen bestätigen, war die Ernennung der russischen Oligarchen eine bewusste Strategie des Außenministeriums. Man habe sich dadurch nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch besondere Zugänge zur politischen Führung in Moskau erhofft, heißt es. Vor allem Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké und dessen Nachfolger Etienne Schneider (beide LSAP) sollen sich demnach aktiv dafür eingesetzt haben, dass Personen wie Wladimir Evtushenkov die diplomatischen Ehrentitel erhalten bzw. behalten sollen …