In der Affäre um die mutmaßliche Veruntreuung von fünf Millionen Euro in Hesperingen kommt es zum Prozess. Im Januar müssen sich zwei ehemalige Gemeindebeamte und ein Unternehmer vor Gericht verantworten. Die „Akte Hesperingen“ birgt auch politischen Sprengstoff.
Teure Geschenke, Luxusreisen, schnelle Autos: Viele Jahre lebte Claude G. in Saus und Braus. Die Frage, wie ein einfacher Gemeindebeamter sich das alles leisten kann, wurde ihm von Arbeitskollegen oft gestellt. Seine Autos wechselten ständig, seine Ausreden auch. Über zwei Jahrzehnte flog sein Doppelleben nicht auf. Doch dann kam der große Knall.
Als die Affäre ans Licht kam, war die Aufregung in Hesperingen groß. Im Juli 2019 erstattete der Schöffenrat der Gemeinde Anzeige gegen Unbekannt, auch die Summe der veruntreuten Gelder wurde noch nicht beziffert. Erst nach und nach wurden die Ausmaße der mutmaßlichen Veruntreuung klar: Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen drei Verdächtige, darunter zwei mittlerweile suspendierte Gemeindebeamte, und beschlagnahmte Vermögenswerte in Höhe von knapp fünf Millionen Euro.
Laut Informationen von Reporter.lu ist die Untersuchung der Justiz mittlerweile abgeschlossen. Am 18. Januar soll es demnach zum Prozess gegen die zwei ehemaligen Beamten Claude G. und Jean-Paul F. sowie den lokalen Unternehmer Jeannot D. kommen. Dies bestätigte ein Sprecher der Luxemburger Justiz auf Nachfrage von Reporter.lu. Die Anklageliste ist lang: Den Beschuldigten wird unter anderem Fälschung, Verwendung von Fälschungen, Betrug, Geldwäsche und Veruntreuung von öffentlichen Geldern vorgeworfen.
Das Verfahren birgt besondere Brisanz – und das nicht nur, weil es sich um einen der größten mutmaßlichen Korruptionsfälle in Luxemburgs jüngerer Vergangenheit handelt. Auch politisch steht viel auf dem Spiel. Denn der Skandal deutet nicht nur auf eine umfassende Betrugsmasche hin. Es geht auch um jahrzehntelange Versäumnisse bei der Führung und Finanzkontrolle der siebtgrößten Gemeinde des Landes. Zu klären ist nicht nur die Schuld der Angeklagten, sondern auch, wie und warum der millionenschwere Bluff so lange niemandem auffiel.
Audit stellt Schwachstellen fest
Der 12. Juni 2019 war der „Tag, an dem alles auffliegt“. So zitiert ein Zeuge Claude G. im Laufe des Disziplinarverfahrens gegen den Hauptbeschuldigten, über dessen Hintergründe vor rund zwei Jahren bereits das „Tageblatt“ berichtete. Gegenüber dem Regierungskommissar legte der frühere Gemeindebeamte ein umfassendes Geständnis ab. „Am Ende habe ich die Kontrolle verloren und das System zu meinen eigenen Gunsten genutzt“, so Claude G. laut dem Bericht des zuständigen Regierungskommissars, der Reporter.lu vorliegt.
Claude G. sagte im Disziplinarverfahren aus, dass er die treibende Kraft hinter den Transaktionen gewesen sei. Der zweite Angeklagte, Jean-Paul F., sei erst später als Komplize hinzugestoßen. Beide wurden mittlerweile vom Öffentlichen Dienst suspendiert. Claude G. sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Anhand von Zeugenaussagen, die im Untersuchungsbericht auftauchen, lässt sich der Skandal im Detail nachvollziehen. Demnach wurden zwei Scheinfirmen benutzt, die der Gemeinde Rechnungen für fiktive Dienstleistungen ausstellten und über die das Geld immer wieder bei den Beschuldigten landete.
Weitere Brisanz enthält allerdings ein Audit der Wirtschafsprüfer von „PricewaterhouseCoopers“ (PwC), das vom Schöffenrat der Gemeinde in Auftrag gegeben wurde. Dem Gemeinderat wurde im Januar 2020 lediglich eine Zusammenfassung präsentiert. Der gesamte Prüfungsbericht wurde der Öffentlichkeit bisher vorenthalten.
Ich hatte ein schönes Leben und jetzt habe ich verloren. Das war das Risiko, das ich eingegangen bin.“Claude G., Angeklagter und Ex-Gemeindebeamter
Das Audit von PwC, das Reporter.lu einsehen konnte, listet eine Reihe von erheblichen Unregelmäßigkeiten auf. Der Bericht attestiert der Hesperinger Gemeindeführung gleich in mehreren Bereichen einen leichtfertigen Umgang mit den kommunalen Finanzen. Zwar hätten die Verantwortlichen seit der Entdeckung des Veruntreuungsskandals Maßnahmen getroffen, um das Betrugsrisiko zu senken. Doch es würden immer noch Schwachstellen bestehen. So sei etwa die Manipulation von Unterschriften oder Bankdaten weiterhin möglich und die internen Kontrollmechanismen nicht ausreichen …
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