Blau-Rot-Grün will das Steuerparadies-Image loswerden und setzt seit Jahren vermehrt auf Transparenz. Öffentlich zugängliche Informationen erlauben auch internationalen Medien neue Einblicke. Das große Reinemachen mit dubiosen Praktiken steht allerdings noch aus. Eine Analyse.

Es war eine absehbare Enthüllung. Die Augen von ausländischen Journalisten leuchteten, sobald sie herausfanden, wie einfach zugänglich das Luxemburger Handelsregister ist. Das gilt sowohl für Jahresbilanzen als auch für die Informationen über die Eigentümer hinter den Firmen im „Registre des bénéficaires effectifs“ (RBE). Es war nur eine Frage der Zeit, bis Datenjournalisten sich die gesamten Datenbanken herunterladen würden – was ein Team von „Le Monde“ und des „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP) im vergangenen Jahr tat. Das war die Grundlage für die OpenLux-Recherche, deren erste Ergebnisse am Montag veröffentlicht wurden – mit der „Woxx“ als Luxemburger Partner.

Auch wenn zahlreiche Artikel auf Luxemburg als „Steueroase“ oder „Steuerparadies“ verwiesen, sticht in der Recherche vor allem ein anderer Aspekt hervor: das hohe Geldwäsche-Risiko. Denn wenn verschleiert wird, wem eine Firma gehört, dann kann sich dahinter so ziemlich alles verbergen: Steuerhinterziehung, organisierte Kriminalität, Waffenhandel oder Terrorismus. Die Medien kündigen Artikel zu mutmaßlichen Waffenhändlern, Korruption in Venezuela und Strukturen der kalabrischen Mafia in Luxemburg an. Anders als der Befund, dass Luxemburg bis heute eine Rolle in der internationalen Steuervermeidung von Unternehmen spielt, wäre dies durchaus eine Neuigkeit.

Ein Register mit Unstimmigkeiten

Unbestritten ist: Luxemburgs Finanzplatz spielt international in der ersten Liga und hat eine Reihe von Reformen in Sachen Steuertransparenz hinter sich. Doch daran hängt ein langer Rattenschwanz, den die Behörden offenbar nicht im Griff haben. Alle paar Monate sagt Finanzminister Pierre Gramegna (DP), dass man „solche“ Firmen nicht in Luxemburg haben wolle. Gleichzeitig sieht die blau-rot-grüne Koalition aber in jeder noch so berechtigten Kritik eine, von wo auch immer orchestrierte, „Attacke“ gegen das ganze Land. Das große politische Versäumnis ist dabei, dass man nicht ein für alle Mal klarstellt, dass dubiose Geschäftspraktiken und undurchsichtige Akteure in Luxemburg nicht mehr geduldet werden.

Spätestens mit dieser internationalen Recherche entdeckt Luxemburg nun, dass Transparenz nicht per Gesetz verordnet werden kann, sondern ein alltägliches Unterfangen ist.“

Im Grunde ist Luxemburg nämlich durchaus ein Vorbild in Sachen Transparenz, wie manche internationale Medien im Rahmen der OpenLux-Recherche auch hervorheben. Das RBE ist dabei ein wichtiges Element. Die Informationen sind einfach zugänglich, Firmen die keine oder falsche Angaben zu ihren Eigentümern machen, drohen Strafen bis zu 1,25 Millionen Euro. „Die von den Journalisten veröffentlichten Informationen sind der Nachweis für unsere Transparenz“, sagten Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) und Finanzminister Pierre Gramegma (DP) am Montag vor den zuständigen Parlamentsausschüssen.

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Die Journalisten von „Le Monde“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Le Soir“ fanden zahlreiche Unstimmigkeiten im RBE. Bei nur der Hälfte der Gesellschaften soll demnach klar sein, wer die Firma kontrolliert. Und selbst diese Angaben sind zum Teil problematisch: Über 300 Minderjährige seien als Begünstigte eingetragen, schreibt etwa „Le Soir“ in seiner Montagsausgabe. Geburtstage aus dem Jahre 1048 oder 2087 würden sich ebenfalls im Transparenzregister finden lassen.

Viel Transparenz, wenig Kontrolle

Spätestens mit dieser internationalen Recherche entdeckt Luxemburg nun, dass Transparenz nicht per Gesetz verordnet werden kann, sondern ein alltägliches Unterfangen ist. Großbritannien, das seit 2016 ein öffentliches Transparenzregister hat, machte diese Erfahrung bereits. So hat ein gewisser „Mr Xxx Stalin“ eine Firma in Großbritannien, wie der Journalist Oliver Bullough in seiner Anleitung zur Geldwäsche „in fünf einfachen Schritten“ hervorhob.

Ganz so einfach ist das Betrügen in Luxemburg nicht: Für einen Eintrag im RBE braucht es eine Passkopie, wenn der Eigentümer kein Luxemburger ist. Luxemburger müssen Namen und Geburtsdaten angeben, die mit dem Personenstandsregister übereinstimmen. Firmensitze lassen sich nur eintragen, wenn sie laut Kataster auch tatsächlich existieren. Allerdings gibt der Direktor des Handelsregisters Yves Gonner in „Le Soir“ zu, dass die Kontrolle der eingetragenen Informationen durchaus „oberflächlich“ sei.

Zur größeren Transparenz, die von Luxemburgs Regierung stets stolz vor sich hergetragen wird, gesellt sich demnach die Pflicht zur tatsächlichen Kontrolle der öffentlichen Register. In Großbritannien wie in Luxemburg führt allerdings die schiere Zahl an Unternehmen dazu, dass es äußert aufwändig wäre, die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden. Es wäre die Suche nach der Nadel im Heuhaufen von – in Luxemburgs Fall – rund 140.000 Gesellschaften.

Das große Aufräumen

Was in den internationalen Recherchen dagegen nicht auftaucht: Luxemburger Gerichte beschäftigen sich durchaus mit dem RBE. Im Juli 2020 wurde in Diekirch erstmals eine Gesellschaft verurteilt, weil sie ihre Eigentümer nicht rechtzeitig eingetragen hatte, wie Reporter.lu berichtete. Weitere Fälle sind anhängig. Auf Grundlage der OpenLux-Daten kritisiert die „Woxx“ jedoch, dass sich die Staatsanwaltschaft auf die „kleinen Fische“ konzentriere und die finanzstärksten Gesellschaften nicht beachte.

In knapp 100 Fällen klagten Firmeninhaber gegen das Handelsregister, damit ihre Namen nicht veröffentlicht werden, weil sie einem erhöhten Risiko ausgesetzt seien – etwa der Entführung. Das berichtete das „Lëtzebuerger Land“ vor einem Jahr. Ein entsprechendes Verfahren ist auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig.

Die allzu große Nachsicht mit dubiosen Akteuren bedeutet letztlich ein großes Risiko für den gesamten Finanzplatz und damit das Image des Großherzogtums.“

Die Einführung des RBE führte zudem zur freiwilligen Schließung Tausender Firmen, wie aus den Statistiken des Handelsregisters hervorgeht. Die Inhaber wollten ihre Namen offenbar nicht veröffentlicht sehen oder scheuten den Aufwand regelmäßiger Updates. Gleichzeitig wurden durch den Betreiber „Luxembourg Business Register“ (LBR) knapp 18.000 Gesellschaften gestrichen, sagte der Direktor Yves Gonner im vergangenen Jahr im Interview mit „Radio 100,7“. Das betraf etwa jene Firmen, die in den letzten zehn Jahren keine neuen Angaben machten. Weitere knapp 18.000 Gesellschaften seien der Staatsanwaltschaft gemeldet worden, weil sie ihre Eigentümer nicht in das RBE eingetragen hatten, so der LBR-Direktor.

Dazu kommen die von der Justiz verordneten Auflösungen von Firmen – etwa weil sie keine Jahresberichte veröffentlichen oder keinen offiziellen Firmensitz mehr haben. Das betrifft Hunderte Gesellschaften – jeden Monat. Diese „liquidations judiciaires“ sind aufwändig und können für den Luxemburger Staat teuer werden.

Die Nachlässigkeit der Dienstleister

Das Ziel des RBE ist klar: Durch die Plicht zur Transparenz hält das Register im Prinzip all jene ab, die mit illegalen Geschäften ihr Geld verdienen und diese Gewinne in legale Kanäle bringen wollen – Stichwort: Geldwäsche. Um das zu verhindern, müssen die Dienstleister prüfen, woher und von wem die finanziellen Mittel kommen, mit denen eine Firma arbeitet. Es geht dabei nicht um Steuervergehen, sondern um zum Teil noch schwerwiegendere Finanzkriminalität.

Die Dienstleister sind in diesem Fall neben den Banken auch Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare. Während Banken im Prinzip sehr achtsam sind, sieht es bei den anderen Dienstleistern schlecht aus. Die „Cellule de renseignement financier“ (CRF) klagt seit geraumer Zeit über mangelnde Kooperation. Die unabhängige Behörde erhält die Meldungen im Falle eines Geldwäscheverdachts. Von den knapp 52.000 Verdachtsfällen, die der CRF gemeldet wurden, stammten aber nur ganze 320 von Dienstleistern.

Dazu kommt die kleinteilige Überwachung dieser Branchen. Einen Teil davon überwacht die Finanzaufsicht CSSF – wenn es um die Domizilierung von Gesellschaften geht. Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Notare regulieren sich jedoch über ihre Kammern selbst – mit einer weiterhin steilen Lernkurve. Wieder andere fallen unter die Aufsicht des „Enregistrement“.

Das Problem der Investmentfonds

Während sich die Regierung durchaus viel Selbstlob in Bezug auf das RBE aussprechen kann, sieht es in einem anderen Punkt anders aus. „Geldwäsche-Experten warnen vor dem Missbrauch von boomenden Investmentfonds“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Da hinter einem Fonds zahlreiche Investoren stehen, fallen sie durch die Raster der Transparenzregeln. Denn im RBE müssen nur Begünstigte angegeben werden, wenn sie mehr als ein Viertel der Anteile halten – bei Fonds ist das grundsätzlich sehr selten der Fall.

Aber auch in Fällen einfacher Besitzverhältnisse machen zahlreiche Luxemburger Fonds falsche Angaben, zeigt eine Studie von „Transparency International“ (TI) auf Grundlage der OpenLux-Daten. Manche Fonds müssen ihre Eigentümer auch in den USA angeben. Bei 15 Prozent der untersuchten Fonds wichen die Informationen im RBE von jenen in den USA ab.

Zwar kontrolliert die CSSF Tausende Fonds. Doch diese Aufsicht hat Lücken, wie etwa der Steuerbetrug via Cum-Ex-Deals zeigt. Der regulierte Sheridan-Fonds versuchte in die deutsche Staatskasse zu greifen. Die Kirchberg-Gruppe täuschte die Luxemburger Steuerverwaltung, wie ein Prozess kürzlich zeigte. Zu dieser Gruppe gehörte ebenfalls ein regulierter Investmentfonds. Die Fonds lösten sich selbst auf, ohne Eingriff der Behörden. Noch höher ist das Risiko jedoch bei unregulierten Fonds und Verbriefungsgesellschaften.

Hohes Risiko für wenig Ertrag

Die allzu große Nachsicht mit dubiosen Akteuren bedeutet letztlich ein großes Risiko für den gesamten Finanzplatz und damit das Image des Großherzogtums. Am Montag flammten die Diskussionen bereits wieder auf, Luxemburg auf die schwarze EU-Liste von Steuerparadiesen zu setzen. Das forderte etwa der einflussreiche niederländische EU-Abgeordnete Paul Tang.

Steuervermeidung ist ein politisches Problem, das in den letzten Jahren reichlich mediale Aufmerksamkeit bekam. Für Luxemburg geht es dabei um viel Geld. Die Beteiligungsgesellschaften (Soparfi) sind nach wie vor die größte Einnahmequelle der Betriebssteuern. Die Zahl der oft nur auf Steueroptimierung ausgerichteten Strukturen nahm seit den LuxLeaks ab 2014 sogar noch zu. Ein klarer Hinweis darauf, dass die Zeit der Steuerparadiese – darunter Luxemburg – noch nicht komplett abgelaufen ist.

Doch weitaus problematischer sind Briefkastengesellschaften für Millionäre mit zweifelhafter Reputation, ausländische Amtsträger und nachweisliche Kriminelle. Die Dienstleister, die diese Gesellschaften gründen, machen wenig Umsatz und tragen doch einen Teil der Verantwortung. Dort die Spreu vom Weizen zu trennen, wird die große Aufgabe der kommenden Jahre sein.


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