Billigen und flexiblen Büroraum für Start-up-Firmen versprechen die Coworking-Anbieter. Doch vermehrt greifen Finanzunternehmen darauf zurück, die vor allem eine Luxemburger Adresse wollen. Das Risiko von Finanzkriminalität ist nicht fern, wie zwei Fälle zeigen.
Ein Start-up-Gründer braucht eine gute Idee, einen Laptop, einen Schreibtisch – und viel Kaffee. Zumindest die beiden letzteren Bedingungen wollen Coworking-Spaces bieten. Gemeinsame Büros, in denen Unternehmer sich gegenseitig unterstützen und inspirieren: Das ist das Ideal des Coworkings. Die Zahl solcher Angebote steigt in Luxemburg rasant, die Nachfrage ist enorm.
Doch nicht ohne Grund ist das Beherbergen von Firmen in Luxemburg streng reguliert – etwa durch das Gesetz von 1999 zur Domizilierung („domiciliation“). Die Finanzaufsicht CSSF diskutiert aktuell mit den Coworking-Anbietern, wie sie die Regeln einhalten können. So soll etwa geprüft werden, wie die Regeln an das neue Phänomen der „shared offices“ angepasst werden können.
Die Anbieter wie „Silversquare“, „Spaces“ oder „The Office“ sind verpflichtet ihre Kunden zu überprüfen, bevor sie ihnen Büros vermieten. Das Ziel ist dabei, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Doch die „Compliance“-Anstrengungen haben Lücken, wie Recherchen von REPORTER ergeben.
Holdings und Fonds neben Start-ups
Die Büros des Coworking-Anbieters Silversquare nutzen etwa Fitnesstrainer, Webdesigner und Werbeagenturen. Sie haben damit einen Arbeitsplatz, eine offizielle Adresse für ihr Unternehmen und Zugriff auf Besprechungsräume und Drucker. Und alles mit einer klaren Preisstruktur, die für die Unternehmensgründer planbar ist.
Wir bieten Flexibilität für Unternehmen, die schnell wachsen – ob groß oder klein.“
Claudine Bettendroffer, Silversquare
Doch geht man am Bürogebäude in der Rue Glesener im Bahnhofsviertel vorbei, dann sieht man eine Liste von Unternehmen, die auf das Angebot von Silversquare zurückgreifen. Und das sind nicht nur Start-ups, sondern etwa auch ein Tochterunternehmen des US-Konzerns Airbnb und eine Gesellschaft des weltgrößten Investmentfonds Blackrock. Dazu kommen weniger bekannte Risikokapitalgeber, die mehrere ihrer Zweckgesellschaften im Coworking unterbringen.

„Wir wollen keine Briefkastenfirmen, sondern eine Community von Unternehmern“, betont Claudine Bettendroffer, Leiterin von Silversquare in Luxemburg. Die großen Unternehmen sind durchaus als Kunden willkommen. „Wir bieten Flexibilität für Unternehmen, die schnell wachsen – ob groß oder klein“, sagt die Managerin.
Der schmale Grat des Gesetzes
Doch das Angebot ist auch für Unternehmen verlockend, die mehr an einer Luxemburger Adresse interessiert sind als an der Community. Coworking-Räume sind oft billiger als ein richtiges Büro. Und sie bieten „Substanz“, also das, was die neuen Steuerregeln verlangen (Schreibtisch, Telefonrechnung, Miete) und was eine reine Briefkastenfirma nicht vorweisen kann.
Für die Anbieter besteht darin ein rechtliches Risiko. Als das belgische Unternehmen Silversquare im Juni 2018 in Luxemburg startete, gab es viele rechtliche Fragen, die zuerst geklärt werden mussten. „Es gibt eine große Grauzone“, gibt Claudine Bettendroffer zu.
Es geht vor allem darum, gewissen Aktivitäten, die nicht zum guten Ruf des Bankenplatzes beitragen, einen Riegel vorzuschieben.“Laurent Mosar, 1999
Grund ist das Gesetz von 1999 zur Domizilierung. Ein Anbieter fällt darunter, wenn er Dritten die eigene Geschäftsadresse für deren Unternehmenssitz zur Verfügung stellt und Dienste anbietet wie etwa die Entgegennahme von Post und Telefonanrufen, erklärt die CSSF auf Nachfrage. „Die Ausübung einer solchen Tätigkeit bedarf einer Genehmigung durch den Finanzminister. Dies gilt auch für Anbieter sogenannter Coworking spaces“, heißt es weiter von der Finanzaufsicht.
Das Gesetz von 1999 erlaubt diese Aktivität nur zugelassenen Unternehmen und bestimmten Berufsgruppen. Dazu gehören Banken, Finanzdienstleister, Anwälte, Finanzprüfer und „experts-comptables“. Wer keiner dieser Gruppen angehört und trotzdem solche Dienste anbietet, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft und/oder eine Geldstrafe von bis zu 125.000 Euro.
Ein „cordon sanitaire“ für den Finanzplatz
Im August 2019 schrieb die Finanzaufsicht alle Coworking-Firmen an und bat um Stellungnahme. Die im Gesetz von 1999 genannte Definition erfüllen zahlreiche Anbieter. Es habe sich aber herausgestellt, dass manche die Bedingungen nur erfüllen, weil sie etwa zu den genannten Berufsgruppen gehören. Andere würden abschließbare Privaträume und damit eigenständige Büroräume vermieten, falls ein Unternehmen wünscht, den „Coworking space“ als Unternehmenssitz zu nutzen, erklärt die CSSF auf Nachfrage.
Um die Einhaltung der Regeln gibt es ein Tauziehen. Der „Ordre des Experts-Comptables“ (OEC) schreibt gezielt Coworking-Anbieter an und fragt nach, auf welcher rechtlichen Grundlage sie ihre Dienste anbieten. „Kommt keine Antwort oder ist diese nicht zufriedenstellend, informieren wir die Staatsanwaltschaft über die entsprechende Gesellschaft“, schreibt der OEC auf Nachfrage von REPORTER.
„Es geht vor allem darum, gewissen Aktivitäten, die nicht zum guten Ruf des Bankenplatzes beitragen, einen Riegel vorzuschieben“, sagte der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar, als das Parlament das Gesetz von 1999 annahm. Es sei ein „cordon sanitaire“, um den Finanzplatz vor Geldwäsche zu schützen.
Anti-Geldwäsche-Regeln sind ein Muss
Tatsächlich schreibt das Gesetz den „domiciliateurs“ vor, dass sie überprüfen müssen, wer hinter einem Unternehmen steht und ob es sich an die Regeln für kommerzielle Gesellschaften hält. Damit gibt es zumindest ein Minimum an Kontrolle. Das gilt für die großen Anbieter wie etwa „Alter Domus“ oder „IQ-EQ“ (ex-SGG), die zusammen Tausende Gesellschaften beherbergen.
Selbst wenn die Coworking-Anbieter nicht unter das Gesetz von 1999 fallen, müssen sie trotzdem ihre Kunden kontrollieren. Als „prestataire de services aux sociétés“ sind sie verpflichtet, das Anti-Geldwäsche-Gesetz von 2004 einzuhalten. Das „Enregistrement“ beschreibt in einer Anleitung von knapp 50 Seiten, welche Regeln sie beachten müssen.
Es braucht klarere Regeln.“Gosia Kramer, The Office
Die Dienstleister müssen wissen, wer ein Unternehmen leitet, wem es gehört und ob es sich dabei etwa um politische Mandatsträger im Ausland handelt. Sprich: Sie müssen von ihren Kunden volle Transparenz fordern, um das Geldwäsche-Risiko einschätzen zu können. Im Verdachtsfall müssen sie verdächtiges Verhalten der „Cellule du renseignement financier“ (CRF) melden.
Doch das passiert bisher nicht. 2018 meldete die Branche der Unternehmensdienstleister keinen einzigen Verdachtsfall an die CRF, wie aus deren Jahresbericht hervorgeht. Allerdings waren viele Coworking-Räume 2018 noch in ihrer Startphase.
Zwei Verdachtsfälle von Geldwäsche
Dabei findet sich Erstaunliches, wenn man sich die Listen der in Coworking-Spaces ansässigen Firmen genauer anschaut. Silversquare beherbergt etwa sieben Gesellschaften der Kirchberg-Gruppe und ihrer Anteilseigner. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen diese Unternehmen, weil sie an Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen sein sollen. REPORTER berichtete im Juli über diesen Fall.
Im November durchsuchten 100 deutsche Ermittler die Büros der Bank ABN Amro in Frankfurt, die zusammen mit der Kirchberg-Gruppe die dubiosen Aktiendeals durchführte. Da der Verdacht auf schwere Steuerhinterziehung lautet, gilt potenziell jede Transaktion mit vom Staat erbeuteten Geldern als Geldwäsche.
Ähnlich brisant ist die Affäre, in welche die Gesellschaft Triadou SPV S.A. verwickelt ist. Die Firma mietet seit 2018 ein Büro im Coworking-Space „The Office“ am Boulevard Prince Henri. Sie diente laut US-Prozessakte zur Geldwäsche von fast 50 Millionen Dollar, die über diesen Weg bis 2014 in US-Immobilien investiert wurden. Das Geld war Teil der sechs Milliarden Dollar, die der Kasache Mukhtar Ablyazov der BTA Bank entwendet haben soll, die er bis 2009 leitete.
Lücken in der Aufsicht
„OMG“, antwortete die Geschäftsführerin von „The Office“ als sie von REPORTER mit den Vorwürfen gegen Triadou konfrontiert wurde. Im April 2018, als die Firma Kunde des Coworkings wurde, habe man nichts davon gewusst, schreibt sie weiter. „The Office“ befolge die nötigen Anti-Geldwäsche-Regeln, so Gosia Kramer.
Doch die Probleme von Triadou SPV S.A. waren offensichtlich. Im Februar 2018 kündigte der damalige „domiciliateur“ den Unternehmenssitz der Gesellschaft. Es gibt dafür triftige Gründe, die jeden Geschäftspartner zur Vorsicht mahnen. Zumal Triadou seit 2012 besteht, aber nie einen Jahresbericht veröffentlichte – obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist.
Im Fall der Kirchberg-Gruppe ist die Lage weniger eindeutig. Zwar berichtete das niederländische Onlinemagazin „Follow the Money“ erstmals im November 2018 über die Vorwürfe. Erst im Dezember 2019 verlor der Finanzverwalter seine Zulassung bei der CSSF. Silversquare wollte sich aus Datenschutzgründen nicht zum Fall äußern.
Wunsch nach klareren Regeln
Dazu kommt ein Dilemma: Die Coworking-Anbieter vermeiden, unter das Domizilierungsgesetz zu fallen. Doch damit haben sie auch weniger Handhabe gegen ihre Kunden, falls diese auffällig werden. Ein „domiciliateur“ kann den Unternehmenssitz kündigen und ist die Verantwortung damit größtenteils los – bei einem Coworking gibt es dafür keine rechtliche Grundlage.
Die Coworking-Branche klagt ihrerseits über eine antiquierte Gesetzgebung. „Es braucht klarere Regeln“, fordert Gosia Kramer von „The Office“. Das Gesetz von 1999 stamme aus der Zeit vor der Digitalisierung, betont auch Claudine Bettendroffer von Silversquare.
Die Finanzaufsicht teilt diese Ansicht: „Die CSSF ist sich bewusst, dass sich die Arbeitswelt und insbesondere die konkreten Arbeitsweisen im Wandel befinden und sich seit 1999 geändert haben. Diese Tatsache erfordert eventuell eine Anpassung der bestehenden Rahmenbedingungen.“ Oberstes Ziel sei es, Rechtssicherheit zu schaffen und Missbräuche zu verhindern. Doch es wird kaum etwas daran ändern, dass die Coworking-Anbieter ihre Kunden durchleuchten müssen.
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