Für die Verteidiger der dubiosen Aktiendeals sind sie völlig legal, ein deutscher Richter nannte die Geschäfte jedoch eine „kriminelle Glanzleistung“. Ein Urteil des Kölner Finanzgerichts erlaubt Einblicke in die Konstruktion von Cum-Ex-Geschäften am Beispiel des Luxemburger Sheridan-Fonds.
Als er im Skiurlaub weilte, hatte der Steueranwalt Hanno Berger plötzlich ein Problem. Die deutsche Bundesregierung plante eine Reform, die Cum-Ex-Geschäfte unmöglich machen sollte. „Ich wollte das nicht akzeptieren, es war eine Qual. Ich saß tagelang auf der Hütte, wollte gar nicht mehr Skifahren und habe herumgetüftelt“, erzählte Berger dem Magazin „Capital“. „Irgendwann kam ich auf die US-Pensionsfonds. Fonds im Ausland mussten Käufer sein, weil diese von der geplanten Gesetzesänderung nicht erfasst waren“, so Hanno Berger. Die Idee hinter dem Luxemburger Investmentfonds „Sheridan Solutions Sicav FIS“ war geboren. Die Cum-Ex-Show konnte weitergehen.
15,7 Prozent Rendite innerhalb von nur wenigen Wochen: Das versprach der Sheridan-Fonds den Anlegern. Hinter diesem scheinbaren Traumgeschäft verbarg sich ein kompliziertes Netz an Fonds, Aktienhändlern und Banken. „Die Zeit“ und ARD Panorama recherchierten zu diesem sehr speziellen Fonds, das „Handelsblatt“ ebenfalls. Mit sogenannten Cum-Ex-Aktiendeals sollte der Gewinn erwirtschaftet werden. Konkret bedeutete dies, dass die Rendite von Erstattungen der Steuern auf Dividenden durch die deutschen Behörden abhing.
Alles legal, betont Hanno Berger – ein ehemaliger Steuerbeamter. Interessant ist aber, dass diese Auffassung jahrelang von Experten geteilt wurde. Es sei nicht klar, ob bei diesen Geschäften eine Gesetzeslücke genutzt wurde oder nicht, sagte etwa auch die Luxemburger Finanzaufsicht CSSF im Gespräch mit Reporter.lu im Juli 2019. Die CSSF hatte den Sheridan-Fonds genehmigt und bis 2014 überwacht.
Ein klares Nein der Richter
2011 wurde der Sheridan-Fonds gegründet. Bei privaten Investoren wurden Millionen Euro gesammelt, um Hanno Bergers Idee umzusetzen. Der Sheridan-Fonds schloss dazu Verträge mit US-Pensionsfonds ab. Der Luxemburger Fonds stellte das Risikokapital, mit dem die US-Fonds dann über Dienstleister Aktiengeschäfte tätigten. Sobald der deutsche Staat die Steuern erstattet hätte, wäre der „Gewinn“ von den US-Fonds nach Luxemburg zurückgeflossen.
Doch das zuständige Bundeszentralamt für Steuern stellte sich quer und lehnte die Erstattung 2017 endgültig ab. Der Geschäftspartner des Sheridan-Fonds, der US-Pensionsfonds „KK Law Firm Retirement Plan Trust“, klagte gegen die Entscheidung und verlor im Juli 2019 vor dem Finanzgericht Köln. Ein Berufungsverfahren steht noch aus.
Doch das Urteil aus Köln hat bereits Folgen in Luxemburg: „Sheridan Solutions“ wurde im Dezember 2020 vom Handelsgericht für insolvent erklärt. Im letzten Jahresbericht hieß es: „Die verschiedenen Gerichtsurteile des letzten Jahres lassen allerdings darauf schließen, dass die Gefahr sehr groß ist, dass die Erstattung der Kapitalertragssteuer abgelehnt wird.“ Es war auch eine der letzten Hoffnungen Hanno Bergers.
„Es gab, auch wenn dies immer wieder behauptet wurde, keine Gesetzeslücke“, sagte der leitende Richter bei der Urteilsbegründung laut „Handelsblatt“.
Mit und ohne Dividende
Das Urteil erlaubt tiefere Einblicke in die Funktionsweise dieser Spätphase der Cum-Ex-Geschäfte. Auch Belgien und Dänemark wurden mit dem Trick der US-Pensionsfonds um Millionen Euro an Steuern gebracht – auch wenn es dabei um einen anderen Täterkreis ging.
Für die Geschäfte mit dem Kapital aus Sheridan gründete der Fonds „KK Law“ zwei in Gibraltar ansässige Firmen. Diese wiederum beauftragte die „Ballance-Gruppe“ als Investmentmanager mit der Durchführung der Aktiengeschäfte. Die Männer hinter Ballance, Martin S. und Paul Mora, gelten als Drahtzieher der Cum-Ex-Geschäfte. Martin S. wurde zu einem Jahr und elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Gegen Paul Mora hat die deutsche Justiz einen internationalen Haftbefehl erlassen. Sie waren auch in Luxemburg mit anderen Geschäften aktiv.
Wir haben es hier mit einer kriminellen Glanzleistung zu tun.“Präsident des Kölner Finanzgerichts
Als Investmentmanager handelten sie nun mit Aktien deutscher Dax-Unternehmen vor und nach dem Tag, an dem diese Unternehmen ihre Dividenden ausschütteten. Zum Einsatz kamen sogenannte „Futures“, das heißt Transaktionen, die zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft durchgeführt werden. Dabei wurden sowohl „Futures“ für den Kauf als auch den Verkauf der gleichen Aktien abgeschlossen – einmal mit („cum“) einmal ohne („ex“) Dividende. Die australische Bank Macquarie stellte die nötigen Finanzmittel zur Verfügung, da die Geschäfte teils im Milliardenbereich lagen.
Das Ziel der Transaktionen: Eine weitere Bank stellte als Depotbank den Gibraltar-Firmen eine Gutschrift über die Dividenden aus, mit Aufführung der Steuern, die auf der Auszahlung fällig waren. Aufgrund dieser Gutschrift stellte „KK Law“ den Erstattungsantrag beim Bundeszentralamt für Steuern.
Hanno Bergers Trick bestand nämlich darin, dass US-Pensionsfonds laut Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den USA und Deutschland von den Steuern auf Dividenden befreit sind. Sie können demnach theoretisch die ganze Steuer erstattet bekommen. Sheridan machte daraus auch kein Geheimnis. Im Prospekt des Luxemburger Fonds stand: „Diese Anlagestrategie setzt überdies voraus, dass die Pensionsfonds eine bevorzugte Behandlung nach den für diese einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen erhalten.“
„Wir haben es hier mit einer kriminellen Glanzleistung zu tun“, stellte der Präsident des Kölner Finanzgerichts, Benno Scharpenberg, fest.
Streit um 315 Millionen Euro
Laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Köln reichten alle mit dem Sheridan-Fonds verbundenen US-Pensionsfonds Erstattungsanträge von insgesamt knapp 315 Millionen Euro ein. Im Falle von „KK Law“ ging es um knapp 27 Millionen Euro. Das Finanzgericht Köln wies die Klage von „KK Law“ zurück und damit sind die 27 Millionen Euro weg. Dass das Berufungsverfahren vor dem Bundesfinanzhof anders ausgeht, halten Experten für wenig wahrscheinlich.
Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass der Pensionsfonds die Bedingungen der Steuererstattung nicht erfülle. Zum Zeitpunkt der Dividendenausschüttungen sei er nicht der wirtschaftliche Eigentümer der Aktien gewesen. Es waren eben diese Futures, die dazu führten, dass die Aktien bereits gekauft, aber die Transaktion nicht abgeschlossen war. Die teils außerhalb der Börsen von Ballance durchgeführten Geschäfte führten dazu, dass die Kapitalertragssteuer zu keinem Zeitpunkt tatsächlich bezahlt wurde. „KK Law“ konnte nicht nachweisen, dass dies der Fall war und erfüllte damit auch die zweite Bedingung für eine Erstattung nicht.
Die offene Darstellung der Erstattung als Gewinn im Sheridan-Prospekt wurde „KK Law“ auch zum Verhängnis. Denn es konnte nur ein Gewinn sein, wenn die Steuer nicht bezahlt worden war. Ein weiteres Problem war, dass die Ermittlungen der deutschen Justiz starke Hinweise auf Absprachen zwischen den Beteiligten der Aktiengeschäfte ergaben. Gerade Martin S. sagte umfangreich aus. Auch der frühere Kanzleipartner von Hanno Berger sagte als Kronzeuge aus. „KK Law“ tat im Prozess deren Aussagen als Hörensagen ab, motiviert durch das Versprechen einer Verfahrenseinstellung.
Die Verantwortung in Luxemburg
Es bleibt unklar, warum der Sheridan-Fonds mit diesem Geschäftsmodell überhaupt Dienstleister fand und von der CSSF genehmigt wurde. Laut Insidern war aus den Unterlagen des Fonds klar ersichtlich, dass die Einkünfte hauptsächlich aus deutschen Quellensteuern bestanden.
Der Griff in die deutsche Staatskasse sollte zum groß angelegten Geschäft werden. Für Hanno Berger lohnte sich seine Idee aus dem Skiurlaub. Die Gewinne aus den Cum-Ex-Aktiengeschäften – außerhalb der Steuern – teilten sich die Ballance-Gruppe und die Berger-Kanzlei 50/50. Darauf wies das Bundeszentralamt für Steuern im Kölner Prozess hin. Diese Entlohnung floss auch über Luxemburg und zwar an die „OAK Consultancy Sàrl“, wie aus dem Prozess gegen Martin S. hervorging. Der Geschäftszweck der Firma lautete: „die Entwicklung und der Verkauf innovativer Produktideen“.
Reporter.lu recherchiert weiter zu den Verbindungen zwischen der Cum-Ex-Affäre und dem Luxemburger Finanzplatz. Wenn Sie Informationen zu diesen Geschäften haben, erreichen Sie unseren Reporter Laurent Schmit per E-Mail (öffentlicher Schlüssel) oder über den sicheren Messenger Threema (ID: XJ8W8WWK). Alle Hinweise unterliegen dem Quellenschutz.
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