Die „Frëndeskrees-Affäre“ führte im Frühjahr dieses Jahres zum Rücktritt von CSV-Präsident Frank Engel. Die Partei will am liebsten nur noch nach vorne schauen. Der nun anstehende Gerichtsprozess zur Affäre könnte jedoch alte Wunden aufreißen und neue verursachen.

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, mitunter geht es dann doch recht schnell. Diese Woche wird am Bezirksgericht Luxemburg der Prozess um die sogenannte „CSV-Frëndeskrees-Affäre“ verhandelt – rund ein halbes Jahr, nachdem diese bekannt geworden war. Reporter.lu berichtete im März erstmals über die Hintergründe der Affäre.

Vor Gericht verantworten müssen sich ab Dienstag neben Ex-CSV-Präsident Frank Engel auch sechs aktuelle Parteimitglieder: Elisabeth Margue, Stéphanie Weydert, Félix Eischen, Georges Pierret, André Martins und Georges Heirendt. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen dem ehemaligen CSV-Parteipräsidenten und der ASBL „CSV Frëndeskrees“ im Jahr 2020 den Tatsachen entsprach oder ob es sich dabei um eine Scheinbeschäftigung handelte, die Frank Engel ein regelmäßiges Einkommen sichern sollte. Der Parteipräsident hatte zu dieser Zeit kein kommunales, nationales oder europäisches Politmandat und auch keine andere bezahlte Beschäftigung – der Parteivorsitz ist ein reines Ehrenamt.

Ein Ende mit Schrecken

Der Prozess ist der bisherige Höhepunkt des Streits zwischen der CSV und ihrem ehemaligen Vorsitzenden. Das Verhältnis zwischen Fraktion und Parteichef galt seit jeher als angespannt. Im Frühjahr 2021 aber erreichten die Unstimmigkeiten beispiellose Ausmaße. Die Fraktionsmitglieder und der erweiterte Parteivorstand sollen eigenen Aussagen zufolge erst während der Generalversammlung der ASBL vom Arbeitsverhältnis von Frank Engel mit dem „CSV Frëndeskrees“ erfahren haben.

Anschließend beantragten die CSV-Abgeordneten ein juristisches Gutachten, das zum Schluss kam, dass es sich beim Vertrag um eine Scheinbeschäftigung und somit auch um Unterschlagung von Gesellschaftsvermögen handele. Innerhalb weniger Tage beschloss die Fraktion am 16. März schließlich, ihren eigenen Parteivorsitzenden bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Ein Vorgang, der seinesgleichen sucht.

Meine Stellungnahme bleibt auch die gleiche, nicht wie bei anderen Menschen, die offenbar Erinnerungslücken haben.“Frank Engel, ehemaliger CSV-Präsident

Damit war auch Frank Engels Rücktritt vom Parteivorsitz besiegelt. Er selbst zog auf einer Pressekonferenz am 19. März die Reißleine. Doch die Affäre um den Freundeskreis zog weitere Kreise. Am Tag des Rücktritts ordnete die Staatsanwaltschaft eine erste Hausdurchsuchung in der CSV-Parteizentrale an. Am 30. April folgte eine zweite Durchsuchung.

Erst zu dem Zeitpunkt wurde eine weitere Facette der Affäre zutage gefördert. Die Partei soll von Januar 2019 bis Mai 2020 die Sozialbeiträge ihres Präsidenten aus der Parteikasse bezahlt haben. Auch diese Erstattungen sollen laut der CSV nicht abgesprochen gewesen sein. Im selben Monat trat Frank Engel nach 26 Jahren Mitgliedschaft aus der CSV aus und kündigte die baldige Gründung einer eigenen Partei an.

Ein Vertrag, der Fragen aufwirft

Zum anstehenden Gerichtsverfahren will Frank Engel sich nun im Vorfeld nicht mehr groß äußern. „Ich habe meine Position am 19. März dargelegt und meine Position hat sich auch nicht geändert. Meine Stellungnahme bleibt auch die gleiche, nicht wie bei anderen Menschen, die offenbar Erinnerungslücken haben“, so der geschasste Parteivorsitzende auf Nachfrage von Reporter.lu. Während der Pressekonferenz im März hatte Frank Engel erklärt, er habe getan, was im Vertrag vorgesehen war. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses sei auch so vom Verwaltungsrat beschlossen worden.

Dieser Arbeitsvertrag zwischen Frank Engel und der gemeinnützigen Vereinigung „CSV Frëndeskrees“ bildet zusammen mit der Rückerstattung der Sozialbeiträge die Grundlage des Prozesses. Zur Erinnerung: Der „CSV Frëndeskrees“ ist ein Interessenverein, der für die Verwaltung der Immobilien der Partei geschaffen wurde. Da die CSV keine Rechtsperson ist, wickelt sie die Miete ihres Generalsekretariats über die ASBL ab. Auch die LSAP nutzt für die Verwaltung ihrer Immobilien einen solchen Freundeskreis.

Der Freundeskreis der CSV aber bezahlte Frank Engel zwischen Juni und Dezember 2020 ein Monatsgehalt von 6.000 Euro, rund 4.000 Euro netto. Als Gegenleistung sollte Frank Engel gemäß Vertrag – den er selbst aufgesetzt hatte – in der Funktion eines „Chargé de mission“ die Interessen des „CSV Frëndeskrees“ nach außen vertreten, neue Mitglieder anwerben sowie die geplante Umwandlung des Vereins in eine Stiftung vorbereiten. Die Arbeitszeit der befristeten Vollzeitstelle wurde mit 40 Stunden pro Woche, montags bis freitags, jeweils von 8 bis 18 Uhr angegeben. Unterzeichnet wurde der Vertrag von Frank Engel sowie vom damaligen CSV-Generalsekretär Félix Eischen und André Martins, zu dieser Zeit Schatzmeister der Partei und des Freundeskreises.

Doch wurden die Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages auch eingehalten? Arbeitete Frank Engel damals tatsächlich Vollzeit für den Verein? Oder bestand das Arbeitsverhältnis nur auf dem Papier und sicherte dem Parteichef über Umwege eine Vergütung für sein politisches Engagement an der Parteispitze zu? Das sind einige der grundsätzlichen Fragen, die nun im Prozess geklärt werden sollen. Dabei ist es juristisch irrelevant, dass Frank Engel die insgesamt 40.000 Euro, die er als Gehalt bezogen hatte, mittlerweile zurückgezahlt hat.

Die Sache mit der kollektiven Verantwortung

Darüber hinaus geht es um die Frage einer möglichen kollektiven Verantwortung. Dies zeigt sich daran, dass nicht nur die drei unterzeichnenden Personen angeklagt sind, sondern sich der gesamte Vorstand des „CSV Frëndeskrees“ vor Gericht verantworten muss. Wer wusste wann über den Arbeitsvertrag Bescheid? Wer stimmte der Anstellung Engels formal zu? Es sind diese Fragen, die unabhängig von Frank Engels Rolle im Raum stehen, und es sind schwere Straftatbestände, die den Angeklagten in unterschiedlichem Maße zur Last gelegt werden. Die Strafen, die ihnen gemäß Strafgesetzbuch blühen könnten, bewegen sich zwischen einem Monat und fünf Jahren Haft sowie Geldbußen von 251 Euro bis – im Fall der Geldwäsche – 1.250.000 Euro.

Frank Engel selbst wird des Betrugs („Escroquerie“, Artikel 496 des Strafgesetzbuches), des Vertrauensmissbrauchs („Abus de confiance“, Artikel 491), der Geldwäsche („Blanchiment-détention“, Artikel 506-1) sowie der Fälschung („Faux“, Artikel 196) und der Verwendung von Fälschungen („Usage de faux“, Artikel 197) bezichtigt. Er wird vor Gericht von der Rechtsanwältin Lydie Lorang vertreten, die ihrerseits für die CSV im Staatsrat sitzt.

Um meine Lebensqualität zu erhalten und aus Gründen der Selbstbewahrung habe ich beschlossen, zumindest das Ende des Prozesses abzuwarten, bevor ich eine neue Partei gründe.“Frank Engel, ehemaliger CSV-Präsident

Dem ehemaligen CSV-Generalsekretär und aktuellen Député-Maire aus Kehlen, Félix Eischen, werden Betrug, Vertrauensmissbrauch sowie Fälschung und Verwendung von Fälschungen vorgeworfen. Das Gleiche gilt für den ehemaligen Schatzmeister des „CSV Frëndeskrees“, André Martins. Die Verteidigung von Félix Eischen übernimmt der Anwalt Daniel Baulisch, André Martins hat Philippe Penning als Rechtsbeistand an seiner Seite.

Elisabeth Margue, designierte Co-Präsidentin der Partei, sowie Stéphanie Weydert, designierte Co-Generalsekretärin, werden beide von Rechtsanwalt Max Lehnen vertreten. Den beiden werden Betrug und Vertrauensmissbrauch vorgeworfen. Für die Politikerinnen steht besonders viel auf dem Spiel. Sollten sie am Ende des Prozesses für mitschuldig befunden werden, können sie ihre Posten im erneuerten Führungsteam an der Seite von CSV-Präsident Claude Wiseler wohl nicht antreten. Zudem läge dann ein Schatten auf der weiteren politischen Karriere von Elisabeth Margue und Stéphanie Weydert.

Weniger im politischen Rampenlicht agiert derweil Georges Pierret. Dem einstigen Mitglied des Staatsrats, das vom Rechtsanwalt und ehemaligen „Bâtonnier“ François Prum vertreten wird, werden Betrug und Vertrauensmissbrauch vorgeworfen. Der Siebte im Bunde, der frühere CSV-Schatzmeister Georges Heirendt, der seit vergangenem April als Verwaltungsratspräsident der „Hôpitaux Robert Schuman SA“ fungiert, ist allein des Strafbestands des Vertrauensmissbrauchs beschuldigt. Wer seine Interessen vor Gericht vertritt, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen.

(Ex-)Parteifreunde im Zeugenstand

Der Prozess ist auf drei Verhandlungstage angesetzt und findet am Dienstagvormittag, Mittwochnachmittag sowie Donnerstagvormittag statt. Insgesamt neun Stunden Prozess sind demnach vorgesehen, was in den Augen von Justizsprecher Henri Eippers auch ausreichen dürfte, wie er gegenüber Reporter.lu sagt. Sollte die vorgesehene Verhandlungszeit am Ende aber doch nicht genügen, bestehe die Möglichkeit, einen oder mehrere zusätzliche Verhandlungstage anzusetzen.

Dass es in diesem Fall vergleichsweise zügig zu einer Gerichtsverhandlung kommt, also zwischen Aufkommen der Affäre und Prozessauftakt nur wenige Monate liegen, erklärt der Justizsprecher auf Nachfrage von Reporter.lu damit, dass die Ausgangslage recht überschaubar war und auch die Ermittlungen nicht aufwendig waren: Eine mutmaßliche Straftat wurde der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, woraufhin die Kriminalpolizei die Ermittlungen aufnahm. Diese beinhalteten Personenbefragungen, Hausdurchsuchungen und die Auswertung des sichergestellten Materials. Weiterreichende Maßnahmen waren nicht erforderlich, so dass die gesamte Untersuchung schnell voranschreiten konnte.

Der zuständige Ermittler der Kriminalpolizei dürfte dann auch als Erster vor dem Richterpult aussagen. Nach ihm werden die verschiedenen Zeugen ihre Aussagen machen, darunter sicherlich auch das ein oder andere CSV-Mitglied. Vorgeladen ist etwa der Abgeordnete und Partei-Co-Vizepräsident Paul Galles, der zwischenzeitlich auch als CSV-Generalsekretär fungierte, sowie die beiden Kassenrevisoren der Partei. Dabei dürfte es aber wohl nicht bleiben: Gegenüber Reporter.lu kündigte Frank Engel an, Zeugen zu rufen, die seine Sicht der Dinge bekräftigen könnten. Namen wollte er allerdings nicht nennen.

Inzwischen hat der ehemalige Parteivorsitzende auch ein neues Beschäftigungsverhältnis. Frank Engel ist seit Kurzem Sonderberater für „Hydrogen Europe“. Der Dachverband der Wasserstoffindustrie und ihrer regionalen und nationalen Vertretungen setzt sich für den stärkeren Einsatz von Wasserstoff ein. Eine eigene Partei oder politische Bewegung hat er indes noch nicht gegründet. „Um meine Lebensqualität zu erhalten und aus Gründen der Selbstbewahrung habe ich beschlossen, zumindest das Ende des Prozesses abzuwarten, bevor ich eine neue Partei gründe“, so Frank Engel.


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