Dänemark wirft einer Luxemburger Firma vor, an einem Steuerbetrug in Höhe von 15 Millionen Euro beteiligt gewesen zu sein. Der Firmengründer sieht die Geschäfte jedoch als völlig legal. Für seine hiesigen Aktiendeals verweist er gar auf ein „Tax Ruling“ der Luxemburger Steuerverwaltung.
Seit 2015 versucht Dänemark, 1,6 Milliarden Euro an Steuergeldern zurückzuerlangen, um die das Land durch Cum-Ex-Geschäfte betrogen wurde. Die dänische Steuerverwaltung SKAT hat in London gegen zahlreiche Unternehmen und Personen geklagt. Darunter befindet sich auch die Firma Khajuraho Equity Trading mit Sitz in Strassen und deren Gründer Guenther Klar.
Nicht nur Dänemark verdächtigt den 50-jährigen Briten. Auch in Belgien und Schweden soll er die staatlichen Kassen um mehrere Millionen Euro erleichtert haben. Gerade Belgien ermittelt tatkräftig: Die Brüsseler Staatsanwaltschaft stellte einen europäischen Haftbefehl aus und die Luxemburger Justiz leistete Amtshilfe für die belgischen Kollegen (REPORTER berichtete).
Dänemark will vor allem Geld sehen: Vor dem Londoner „High Court“ fordert das Land 15 Millionen Euro von Guenther Klar. Die Behörden werfen ihm vor, die Luxemburger Firma Khajuraho Equity Trading nur zum Zweck gegründet zu haben, vom dänischen Staat mit falschen Anträgen auf Steuererstattungen Millionen zu ergattern (Was sind Cum-Ex-Deals? Hier unsere Fragen und Antworten zum Cum-Ex-Skandal).
Luxemburger Ruling dient zur Verteidigung
Die Verteidiger von Guenther Klar widersprechen den dänischen Anschuldigungen in einem Schriftsatz von Januar 2020: Die Aktiengeschäfte seien legal gewesen und ihr Mandant habe Anspruch auf die Steuerrückzahlungen auf Dividenden dänischer Unternehmen.
In der Verteidigungsschrift steht aber ein weiteres erstaunliches Argument: Guenther Klar habe Khajuraho nicht mit Blick auf Dänemark gegründet. Sondern: „It was established not for the purpose of making WHT [withholding tax, Anmerkung der Redaktion] applications but in order to execute two specific trades involving shares in two Luxembourg companies approved in advance by the Luxembourg authorities.“
Die Verteidigung kann man folgendermaßen zusammenfassen: Khajuraho ist ein seriöses Unternehmen, das mit einem präzisen Plan gegründet wurde. Zwei spezifische Transaktionen mit Aktien zweier Luxemburger Unternehmen, die die hiesigen Behörden zudem genehmigten. Offensichtlich ist damit ein „Tax Ruling“ gemeint – auf Englisch meist als „advanced tax agreement“, auf Deutsch als verbindlicher Vorbescheid bezeichnet.
Tatsächlich wurde die Firma im Mai 2012 gegründet, den ersten Antrag auf Rückerstattung stellte sie bei den dänischen Behörden aber erst im März 2013. Die Luxemburger Behörden haben offensichtlich wenig Interesse an der Strassener Gesellschaft, die weiter existiert. Außer der Amtshilfe für Belgien gab es keine Ermittlungen.
Verdächtige Geschäfte mit Luxemburger Aktien
Doch ein Blick in den Jahresbericht von Khajuraho lässt die Geschäfte mit Luxemburger Aktien auffällig erscheinen. Für den Zeitraum von Mai bis September 2012 machte Khajuraho einen Gewinn von 672.000 Euro. Woher dieser Gewinn innerhalb von knapp vier Monaten stammt, ist nicht ersichtlich. Denn die Gesellschaft besaß knapp 40 Millionen Euro an Wertpapieren, die sie offenbar mithilfe von Krediten in Höhe von 43 Millionen Euro kaufte. Und das mit einem Gesellschaftskapital von 12.500 Euro. Noch auffälliger ist aber, dass Khajuraho verzeichnet, vier Millionen Euro an Steuerrückzahlungen zu erwarten.
Die Verteidiger von Guenther Klar weisen im Londoner Prozess mehrfach darauf hin, dass er als alleiniger Teilhaber von Khajuraho, dessen Geschäfte ohne Einfluss von außen geleitet habe. Die dänischen Behörden zweifeln aber an dieser Version. Guenther Klar sei mutmaßlich Teil der Verschwörung rund um den britischen Hedgefonds-Gründer Sanjay Shah gewesen, die den dänischen Staat 1,6 Milliarden Euro kostete, heißt es in der Klage von SKAT. Die Luxemburger „Strohfrau“, die Klar bei Khajuraho einsetzte, scheint die dänische Steuerbehörde inzwischen nicht mehr zu interessieren.
Enge Verbindungen zu Drahtzieher Sanjay Shah
Die Verbindung Guenther Klars zu Sanjay Shah ist unbestritten. Bis Januar 2012 war er als leitendender Manager von Shahs Fonds „Solo Capital“ bei der britischen Finanzaufsicht eingetragen. Auffällig ist, dass Shah mit seinem Hedgefonds 2012 einen bestimmten Typus an Aktiengeschäften in Luxemburg testete. So steht es in einer Art Lebenslauf des mutmaßlichen Cum-Ex-Drahtziehers, der REPORTER vorliegt. Auch Shah behauptet zudem, dass er für diese Deals ein Ruling der Luxemburger Steuerverwaltung erhalten habe. Inzwischen ermittelt aber die Luxemburger Staatsanwaltschaft aufgrund dieser Geschäfte, die Shah knapp zehn Millionen Euro einbrachten – zulasten der Luxemburger Staatskasse (REPORTER berichtete).

Die Parallelen zu den Geschäften von Guenther Klar hören nicht beim mutmaßlichen Steuervorbescheid auf. Sanjay Shah ließ sein Team im Oktober 2011 drei Luxemburger Gesellschaften gründen: Athena Equity Trading, Pallas Equity Trading und Pandia Equity Trading. Klar plante bereits im März die Gründung seiner Firma mit dem sehr ähnlichen Namen Khajuraho Equity Trading. Ob er dies aus eigenem Antrieb tat oder koordiniert mit seinem Ex-Chef Sanjay Shah ist bis heute unklar.
Die dänischen Behörden gehen davon aus, dass Guenther Klar Einblicke hatte in die Cum-Ex-Geschäfte, die Shah mit einer Vielzahl an Gesellschaften und selbst zwei deutschen Banken organisierte. Anfang 2019 erhielten die Dänen von einem Gericht in Dubai Zugang zu 17 Millionen Dokumenten, berichtete der dänische Sender TV2. Im März 2019 tauchen bereits die Erkenntnisse daraus im Londoner Prozess auf. Der Inhalt der „black boxes“ zeige, wie die Gruppe um Shah zirkuläre Geschäfte mit Aktien vorgetäuscht habe. Der Vorwurf: Der Steuerverwaltung wurden Geschäfte vorgegaukelt, die nie stattfanden – nur mit dem Zweck, sich die Quellensteuer erstatten zu lassen, die zuvor aber nie gezahlt worden war.
Überlappende Kreise an Cum-Ex-Unternehmen
Unter den Dokumenten fanden sich auch Rechnungen an Firmen, die Guenther Klar kontrollierte. Für diese Cum-Ex-Geschäfte braucht es unter anderem Aktienhändler. Guenther Klars Firmen Amalthea und Cork fungierten als Broker für Firmen aus Shahs Dunstkreis. Doch Klar habe keine Kenntnis über deren Absichten gehabt, so das Argument seiner Verteidiger. Seine eigenen Geschäfte seien real und auch völlig legal gewesen, heißt es in einem Schriftsatz der Verteidigung.
Um die Anträge auf Erstattung bei der dänischen Steuerverwaltung einzureichen, nutzten Klars Gesellschaften Khajuraho und Europa LLP den Dienstleister mit dem passenden Namen „Goal Tax Back Limited“. Doch das gleiche Unternehmen nutzten auch zahlreiche Firmen, die zum milliardenschweren Steuerschaden beitrugen. Auch hier wenden Klars Verteidiger ein, er habe das nicht gewusst und nicht wissen können.
Ende 2013 gab es eine tiefe Spaltung in Shahs Cum-Ex-Welt: Mehrere seiner engsten Mitarbeiter wechselten zu einem früheren Kunden: Argre Management. Die Finanzunternehmer um Jérôme Lhote und Matthew Stein kopierten Shahs Modell der zirkulären vorgeblichen Aktiendeals. Dabei wirkten zwei von Guenther Klars Firmen auf den Kaiman-Inseln mit: Sherwood Entreprises und Potala Trading. Aber auch die Mainzer North Channel Bank war beteiligt, die Lhote und Stein via Luxemburg kontrollierten.
Die Nähe zwischen Klars Deals 2012 und jenen rund um den Drahtzieher Sanjay Shah bleibt trotzdem bemerkenswert. Seine Verteidiger versuchen nach Kräften, diese Verbindung herunterzuspielen. Doch ihr Verweis auf die Luxemburger Deals von Khajuraho liefert ein weiteres Indiz der Zusammenarbeit oder Absprachen – also das genaue Gegenteil von dem, was sie erreichen wollten. Es ist eine sonderbare Verteidigung, die aber zumindest eine weitere Erkenntnis zulässt: Die Verbindungen der mutmaßlichen Cum-Ex-Geschäfte zu Luxemburger Firmen häufen sich.
REPORTER recherchiert weiter zu den Verbindungen zwischen der Cum-Ex-Affäre und dem Luxemburger Finanzplatz. Wenn Sie Informationen zu diesen Geschäften haben, erreichen Sie unseren Reporter Laurent Schmit per E-Mail (öffentlicher Schlüssel) oder über den sicheren Messenger Threema (ID: XJ8W8WWK). Alle Hinweise unterliegen dem Quellenschutz.
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