Im Jahr 2020 hat der Staat mehr als 1,3 Millionen Euro für Werbeanzeigen in Luxemburgs Medien ausgegeben. Bei der Bewältigung der Coronavirus-Krise lohnen sich diese Kampagnen für beide Seiten. Für die Regierung ist diese Praxis auch ein Beitrag zur Bekämpfung der Pressekrise.
„Bleif doheem“, „Net ouni mech“, „Net ouni meng Mask“: Um die Bevölkerung über die politischen Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie zu informieren, greift die Regierung auf diverse Mittel zurück. Neben Pressekonferenzen, Broschüren und Aufklärungskampagnen im Internet spielt die Presse dabei als Übermittler und Vermittler der Regierungspolitik offenbar eine wichtige Rolle.
Allgemein betonte Premierminister Xavier Bettel (DP) den Stellenwert von journalistischen Medien zu Beginn der Pandemie: „Ich bin froh, dass wir auf professionelle Medien zählen können. Denn wenn man sich allein auf die sozialen Medien berufen müsste, um herauszufinden, was richtig und was falsch ist, dann wäre es sehr, sehr schwierig.“
Diese Wertschätzung zeigt sich auch darin, dass der Staat bei seiner Informationsstrategie ganz konkret in Form von Werbeanzeigen auf die traditionellen Medien zurückgreift. Seit dem Beginn der Pandemie schalteten unterschiedliche staatliche Verwaltungen Dutzende solcher Anzeigen.
Federführend waren dabei vor allem das Staats- und das Gesundheitsministerium, die zwischen März und Dezember 2020 Anzeigen im Wert von insgesamt über 1,3 Millionen Euro in Zeitungen, Rundfunk und Onlinemedien schalteten. Diese Summe geht aus einer Auflistung der Anzeigenkampagnen im Rahmen der Pandemiebekämpfung hervor, die Reporter.lu vorliegt.
Meiste Aufträge für RTL, Wort und L’Essentiel
Die größten Aufträge erhielten dabei die Medien mit der größten Reichweite in der Bevölkerung. Auf die Anzeigenabteilung der „RTL Group“, „IP Luxembourg“, entfielen demnach mindestens 343.560 Euro. Allein die erste Radio-Werbekampagne der Regierung bei „RTL Radio“ nach der Ankündigung des ersten Lockdowns im März 2020 kostete den Staat über 17.000 Euro.
An zweiter Stelle der darüber finanziell unterstützten Medienhäuser folgt „Saint-Paul Luxembourg“. Mindestens rund 258.000 Euro erhielt der Herausgeber von „Luxemburger Wort“, „Télécran“, „Radio Latina“, „Contacto“ und „Luxembourg Times“ aus dem Anzeigenbudget des Staats- und des Gesundheitsministeriums. „L’Essentiel“ und das von der Gratiszeitung und „RTL“ gemeinsam betriebene „L’Essentiel Radio“ verkauften dem Staat im Jahr 2020 Anzeigen im Wert von knapp 140.000 Euro.
Doch nicht nur die großen Player der Branche wurden vom Staat für seine großen Anzeigenkampagnen „Bleif doheem“, „Net ouni mech“ und „Net ouni meng Mask“ bedacht. So erhielt auch der Community-Radiosender „Radio ARA“ mehrere Aufträge in Höhe von insgesamt knapp 20.000 Euro. Die Wochenzeitung „woxx“ wurde für den Abdruck von drei Anzeigenkampagnen mit rund 14.000 Euro vom Staat entlohnt. Die Wochenzeitung „D’Lëtzebuerger Land“ verwandelte ihre erste Seite mehrmals in eine vom Staat bezahlte Anzeige mit einem Gesamterlös von insgesamt mehr als 70.000 Euro. Eine einzelne „Fausse Une“ der Zeitung kostete den Staat dabei knapp 22.000 Euro.
All diese Daten gehen aus einem Dokument hervor, das Reporter.lu auf eine Anfrage im Rahmen des Gesetzes über eine transparente und offene Verwaltung hin erhielt. Die genannten Beträge sind dabei nur jene, die zweifelsfrei einem bestimmten Medium zugeordnet werden konnten. Bei den sonstigen Covid-19-Kampagnen lässt sich die genaue Aufteilung der Aufträge nicht immer nachvollziehen. Die entsprechenden Einnahmen der genannten Medien dürften demnach jeweils noch wesentlich höher liegen.
Insgesamt belaufen sich die finanziellen Mittel, mit denen das Staats- und das Gesundheitsministerium zwischen dem 10. März und dem 31. Dezember 2020 Anzeigen in Luxemburgs Medien schalteten, auf exakt 1.347.637,31 Euro.
Mehr Informationsbedarf in Krisenzeiten
Wie werden die Medien ausgewählt? Laut einer Sprecherin von Premierminister Xavier Bettel sei das Zielpublikum bzw. das Erreichen eines „größtmöglichen Anteils der Bevölkerung“ entscheidend. „Aus diesem Grund wurde eine Mischung aus traditionellen und digitalen Medien gewählt, dies auch immer im Respekt der gängigen Sprachen, die in Luxemburg im Alltag vertreten sind“, so das Staatsministerium auf Nachfrage von Reporter.lu. Prinzipiell gebe es aber „keine allgemeine Kriterien, wie Medien ausgesucht werden“ und damit auch keinen transparenten Verteilungsschlüssel, der eine gerechte Behandlung der Presseorgane sicherstellen könnte.
Dabei räumt die Regierung ein, dass im Jahre 2020 mehr Anzeigen geschaltet wurden als zuvor. Mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie habe es einen „größeren Informationsbedarf gegeben“. Die Prozedur sei dabei nicht immer die gleiche. Manche Werbeanzeigen wurden demnach direkt von einem Ministerium bei einer Anzeigenabteilung eines Mediums geschaltet. Andere Kampagnen wurden von privaten Werbeagenturen, wie etwa „Neon“ oder „Comed“, im Auftrag des Staates abgewickelt.
Letzteres Vorgehen spare in Krisenzeiten wertvolle Zeit und erlaube zudem oft einen günstigeren Tarif, da dies im Rahmen von einem größeren „Media Buying“ stattfinde, erläutert das Staatsministerium. Jegliche Ausgaben würden von einem Finanzkontrolleur gemäß den Regeln der Finanzinspektion kontrolliert und gegebenenfalls bewilligt.
Einbruch des regulären Anzeigengeschäfts
Auf die Frage, ob die Schaltung von Anzeigen auch als indirektes Mittel der staatlichen Pressehilfe zu verstehen sei, betont das Staatsministerium, dass diese Praxis „primär immer als Information an die Bürger in Krisenzeiten gedacht“ sei. Im vergangenen Mai hatte Xavier Bettel jedoch eingeräumt, dass die Praxis der Anzeigenschaltung im Pandemie-Kontext auf einer zweigeteilten Strategie beruhe. Einerseits wolle man durch diese Werbung so viele Bürger wie möglich für die Krisenpolitik bzw. die sanitär bedingten Verhaltensregeln sensibilisieren. Andererseits sei dies aber auch ein Weg, um die vom Einbruch des Anzeigengeschäfts betroffenen Publikationen zu unterstützen, hieß es damals auf Nachfrage aus dem Staatsministerium.
In der Tat musste die traditionelle, durch Werbeanzeigen finanzierte Presse in der Coronavirus-Pandemie schwere Einbußen ihrer Einnahmen verkraften. Der Lockdown im vergangenen März und April führte dazu, dass das Anzeigengeschäft der etablierten Print- und audiovisuellen Medien einbrach. Mehrere Medienhäuser mussten auf die Kurzarbeiterregelung zurückgreifen, manche, wie das Verlagshaus „Saint-Paul Luxembourg“, entließen im Zuge der Krise Dutzende Mitarbeiter.
Außerordentliche Pressehilfe in der Pandemie
Dabei sind die verstärkten Anzeigenschaltungen nur ein Aspekt. Im Mai 2020 reagierte die Regierung auf die sich zuspitzende Pressekrise bereits mit einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung für die Medien. Die Subvention betrug 5.000 Euro pro Vollzeit-Berufsjournalist und war an mehrere Kriterien gebunden, die zum großen Teil die gleichen sind wie für die reguläre Pressehilfe. Der Höchstbetrag der Sonderhilfe lag bei 40 Journalisten bzw. 200.000 Euro pro Presseorgan.
Im Parlament begründete Staats- und Medienminister Xavier Bettel die Sonderhilfe nicht allein mit dem Einbruch des Anzeigengeschäfts, sondern mit einer generellen „Anerkennung“ der Rolle von Luxemburgs Medien in der Pandemie. Professioneller Journalismus sei fundamental wichtig „für die Demokratie und die ganze Gesellschaft“, sagte der Premier Anfang Mai 2020. Um diese Rolle anzuerkennen und sicherzustellen, dass der Pressepluralismus „auch über diese Krise hinaus“ existieren kann, habe sich die Regierung zu dieser außerordentlichen Unterstützung entschlossen.
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