Mehrere europäische Medien berichten von Zwischenhändlern, die Regierungen versprechen, schneller und inoffiziell an die begehrten Impfstoffe zu kommen. Die Hersteller AstraZeneca und Biontech bestreiten Lieferungen an private Unternehmen. Doch es bleiben Fragen offen.

Es herrsche eine „Goldgräber-Stimmung“, sagte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Wie vergangenes Jahr bei den Masken, entwickelt sich gerade ein wilder Handel mit Impfstoffen. Und wieder einmal tummeln sich zahlreiche dubiose Akteure auf dem Markt. Teilweise sind es die gleichen Personen, die nun statt mit Masken mit Impfstoffen das große Geld machen wollen.

Mehrere Regierungen gingen Geschäfte mit privaten Vermittlern ein, berichtete das ZDF-Magazin „Frontal 21“. Innerhalb der EU handele es sich um die Slowakei und die italienische Region Apulien. Ob die Zwischenhändler tatsächlich liefern könnten, ist weiterhin unklar.

Im Fall von Apulien scheiterte das Geschäft, die italienische Staatsanwaltschaft ermittelt. Doch gegenüber „Frontal 21“ erklärte der zuständige Staatsanwalt, er halte es für plausibel, dass die Händler Zugang zu Impfstoff hätten. AstraZeneca sagte dem „Bayerischen Rundfunk“, dass es nur direkt mit Regierungen verhandele. Andere Angebote seien „wahrscheinlich Fälschungen“. Die EU-Antibetrugsbehörde Olaf geht ebenfalls davon aus, dass Zwischenhändler, die sich bei Regierungen melden, Betrüger sind.

Auch in Luxemburg machten Versuche zur parallelen Impfstoffbeschaffung Schlagzeilen. Unter anderem zirkulierte ein Angebot für 100.000 Fläschchen Pfizer-Biontech-Vakzin. Dies kam heraus, nachdem dem ehemaligen Generaldirektor der HRS-Krankenhausgruppe vorgeworfen wurde, eine private Impfkampagne organisieren zu wollen. Das Gesundheitsministerium prüfte das Angebot und fragte beim Hersteller nach. Laut Pfizer handelte es sich um Fälschungen. Die Luxemburger Staatsanwaltschaft wurde informiert.

Komplexe internationale Netzwerke

Es bestehen zahlreiche Gemeinsamkeiten bei den Masken-Händlern und jenen, die jetzt Impfstoffe verkaufen wollen. Die Angebote tauschen sie in Chat-Gruppen aus, berichtet das niederländische Online-Magazin „Follow the Money“. Einer der Beteiligten bekam Besuch von den niederländischen Behörden, die ihn warnten, dass der Handel mit Impfstoffen illegal sei. Er hörte auf, andere sind jedoch weiter im Geschäft.

Eine zentrale Rolle auf diesem grauen Markt ist der Schweizer Zwischenhändler „Doctors 365“. Als Geschäftsführer tritt der Stuttgarter Arzt Orhan Karahodza auf. Er sagte dem „Bayerischen Rundfunk“, er agiere als Vermittler zwischen Regierungen und Pharmakonzernen. Die AstraZeneca-Dosen sollte er über das US-Unternehmen Akers Nanotechnology erhalten. Letztere behaupten in Kontakt mit einer Managerin des Impfstoffherstellers in Texas zusammenzuarbeiten, wie „Frontal 21“ herausfand. Dort verliert sich die Spur.

Zum Netzwerk von „Doctors 365“ gehört laut ZDF das deutsche Unternehmen „CS Diagnostics“. Diese Firma sollte Biontech-Pfizer-Impfstoff an die Slowakei liefern. Das sei alles legal, betonte das Unternehmen gegenüber „Frontal21“. Die Vakzine kämen von Biontech-Pfizer oder von autorisierten Händlern. Dem „Bayerischen Rundfunk“ sagte Biontech wiederum, dass das Unternehmen nur an Regierungen verkaufe und nicht an private Akteure.

Sollten die Pharmakonzerne an den Verträgen mit den EU-Staaten vorbei Impfstoffe verkaufen, grenze dies an ein Wirtschaftsverbrechen, erklärte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gegenüber „Frontal 21“. Die Staaten würden angesichts der dubiosen Geschäfte bisher im Dunkeln tappen, sagte einer der beteiligten Journalisten dem MDR.


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