Frank Engel ist nicht der Einzige, der als Parteipräsident ein Gehalt erhielt. Auch andere Parteien bezahlen ihre Vorsitzenden – und zwar anders als im Fall des Ex-CSV-Chefs regulär aus der Parteikasse. Der Umgang mit dem Thema ist jedoch auch hier nicht transparent.
Am 15. Oktober 2018 erschien Christian Kmiotek nicht mehr an seinem Arbeitsplatz im „Lycée technique pour professions éducatives et sociales“. Der Lehrbeauftragte im Merscher Lyzeum hatte eine unbezahlte Freistellung beantragt, um sein Mandat als Vorsitzender der Grünen auszuüben. Kmiotek wurde von seiner Partei für die Koalitionsverhandlungen des zweiten blau-rot-grünen Kabinetts gebraucht. Sein ausgefallenes Gehalt wurde von der Partei übernommen.
„Christian Kmiotek hat für uns Versammlungen vorbereitet, recherchiert, Expertise geliefert und sich für die Partei in die Steuerpolitik eingearbeitet“, erklärt der heutige Co-Vorsitzende der Grünen, Meris Sehovic, im Gespräch mit Reporter.lu. Der Rücktritt der damaligen Co-Parteipräsidentin Françoise Folmer und der Wechsel des Parteisekretärs Mike Mathias in das Wohnungsbauministerium habe den Parteivorstand zu dieser Vereinbarung veranlasst, so Meris Sehovic. Alle Beteiligten betonen dabei, dass der entsprechende Vertrag vom gesamten Parteivorstand genehmigt worden war.
Ein Parteichef als freiberuflicher Berater
„Ich habe keinen Lohn erhalten, sondern eine Vergütung, auf die noch die Mehrwertsteuer und Sozialbeiträge als Selbstständiger anfielen“, erklärt Christian Kmiotek auf Nachfrage von Reporter.lu. Zuerst sollte es eine vorübergehende Lösung sein. Als die Regierung im Dezember allerdings vereidigt wurde, beschloss das Exekutivkomitee von Déi Gréng, den Vertrag zu verlängern.
Der Vertrag wurde vom Rechnungshof nicht beanstandet. Deshalb habe ich mich auch nicht weiter zu rechtfertigen.“
Christian Kmiotek, Ex-Parteichef der Grünen
„Ich habe nicht Geld bekommen, um nichts zu tun“, erklärt der ehemalige Parteisprecher Christian Kmiotek. Da es sich beim Vorsitz um ein gewähltes Parteimandat handelt, wurde er absichtlich nicht als Angestellter beschäftigt, sondern als Berater. Dies hätte der Partei die Möglichkeit gegeben, das Vertragsverhältnis im Falle eines Rücktritts sofort zu beenden.
Der Fall Kmiotek verdeutlicht, dass die Frage der Bezahlung eines Parteivorsitzenden eine durchaus legitime Debatte ist. Parteichef ist in Luxemburg formal ein Ehrenamt. In den meisten Fällen der rezenten Vergangenheit übte der Vorsitzende einer Partei zudem ein politisches Amt (etwa Minister oder Abgeordneter) aus. Damit stellt sich die Frage nach einer zusätzlichen Vergütung prinzipiell nicht.
Christian Kmiotek hingegen, der sporadisch auch als Schauspieler tätig ist und bis Juni 2019 im Gemeinderat von Junglinster saß, arbeitete in der besagten Zeit nahezu exklusiv für die Partei. Da liege es nahe, dass er für diese Arbeit auch entlohnt werde, heißt es vom ehemaligen Vorsitzenden selbst.
(Kein) Vergleich mit der Causa Frank Engel
Zudem sei er unmittelbar von der Partei bezahlt worden, womit man sich im rechtlichen Rahmen bewegt habe, so Christian Kmiotek. Der Rechnungshof habe bei der Kontrolle der Parteikonten zwar eine Erklärung bezüglich seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses gefordert, dieses aber im Bericht nicht beanstandet, erläutert der ehemalige Parteipräsident.
Somit unterscheidet sich der Vertrag auch von der Causa Frank Engel. Der Vertrag wurde vom gesamten Vorstand der Grünen getragen und die entsprechende Summe tauchte in den Bilanzen der Partei auf. Somit konnte das Arbeitsverhältnis der Kontrolle des Rechnungshofes auch nicht entgehen.
Frank Engel wurde indes über den „Freundeskreis“ der Partei bezahlt und war laut befristetem Arbeitsvertrag für 40 Stunden wöchentlich von der ASBL als „Chargé de mission“ eingestellt worden. Formal erhielt Engel das Gehalt also nicht in seiner Tätigkeit als Parteipräsident. Bis heute ist allerdings fraglich, für welche Tätigkeit er eigentlich genau entlohnt wurde.

Zudem soll bei der CSV – anders als bei Déi Gréng – kaum jemand in der Partei über das Arbeitsverhältnis Bescheid gewusst haben. Und schließlich stellte sich im Fall Frank Engel die Frage einer Querfinanzierung bzw. einer Umgehung der regulären Parteienfinanzierung, denn die Bilanzen des „CSV Frëndeskrees“ sind nicht öffentlich und werden demnach auch nicht vom Rechnungshof begutachtet.
Die Möglichkeit, wie Christian Kmiotek als Berater zu fungieren, lehnte Frank Engel indes ab. „Mich gibt es nicht als Berater, dann hätte ich eine Gesellschaft gründen müssen“, erklärte der ehemalige CSV-Vorsitzende sein Vorgehen während einer Pressekonferenz.
Grüne Transparenz hält sich in Grenzen
Wenn es auch wesentliche formale Unterschiede gibt, wird die Transparenz auch bei den Grünen nicht groß geschrieben. Zwar ist der Vertrag zwischen der Partei und Christian Kmiotek dem Parteivorstand bekannt, doch er wurde zuvor nie öffentlich, zum Beispiel auf einem Parteikongress, thematisiert. Auch heute noch will der ehemalige Vorsitzende weder den Vertrag noch den genauen Betrag seiner damaligen Vergütung gegenüber Reporter.lu offenlegen. „Der Vertrag wurde vom Rechnungshof nicht beanstandet. Deshalb habe ich mich auch nicht weiter zu rechtfertigen“, so Christian Kmiotek.
Nur so viel: Die Vergütung lag laut Christian Kmiotek etwa auf der Höhe des Gehalts, das er als Lehrbeauftragter („Chargé de cours“) in Teilzeit bezog. Mit fast 20 Jahren Berufserfahrung dürfte es sich demnach um einen Bruttobetrag zwischen 3.000 und 4.000 Euro handeln. Tatsächlich sind die Lohnkosten der Partei 2020 gegenüber dem Vorjahr von fast 300.000 Euro auf etwa 250.000 Euro gefallen. Eine genaue Aufschlüsselung des Betrags will auch die heutige Parteiexekutive auf Nachfrage nicht vorlegen.
Aufwandsentschädigungen in anderen Parteien
Der ehemalige Vorsitzende der Grünen ist allerdings nicht der einzige Politiker, der für einen parteiinternen Vorstandsposten eine Vergütung erhielt. „Unser Parteisprecher, der Schatzmeister und der Koordinator beziehen jeweils 300 Euro monatlich als Aufwandsentschädigung“, erklärt etwa Sven Clement (Piratepartei) im Gespräch mit Reporter.lu. Dies sei auf einen Beschluss von 2014 zurückzuführen, nur 2019 musste dies „aus budgetären Gründen anders gehandhabt werden“, so der ehemalige Parteipräsident der Piraten.
Auch bei der LSAP war es lange üblich, dem Parteipräsidenten eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. „Als Alex Bodry 2004 Vorsitzender wurde, verzichtete er auf die üblichen 250 Euro. Diese sollten auch nur die anfallenden Kosten decken“, sagt der heutige LSAP-Präsident, Yves Cruchten, im Gespräch mit Reporter.lu. Damit sind etwa Spesen für Fahrten in die Lokalsektionen gemeint. Auch Alex Bodrys Nachfolger haben seitdem auf die zusätzliche Vergütung verzichtet.
Strikte Trennung zwischen Partei und Fraktion
Auf Nachfrage von Reporter.lu erklären alle weiteren im Parlament vertretenen Parteien, dass sie auf eine Bezahlung ihrer Vorsitzenden verzichten. Allerdings war etwa Marc Baum (Déi Lénk) während eines Jahres zugleich parlamentarischer Mitarbeiter von Déi Lénk und Sprecher der Partei.
Auch Meris Sehovic ist zurzeit sowohl für die Fraktion der Grünen als auch als Co-Parteipräsident tätig. „Ich arbeite 28 Stunden in der Woche für die Fraktion und trenne dies auch klar von meinem ehrenamtlichen Engagement als Parteipräsident“, sagt Meris Sehovic im Gespräch mit Reporter.lu. Die Fraktion habe ein „Badging“-System, demnach melde er sich für jede Sitzung, an der er als Parteivorsitzender teilnimmt, in der Fraktion ab. Nach eigenen Angaben arbeitet Sehovic im Schnitt etwa zehn bis 15 Stunden wöchentlich für die Partei.

Damit arbeite er etwas mehr als 40 Stunden die Woche, rechnet Meris Sehovic vor. „Diese zusätzliche Belastung ist in der Politik absolut üblich. Auch für Minister oder Abgeordnete sind die Arbeitswochen länger“, so Grünen-Politiker. Viele Treffen mit Lokalsektionen und Parteimitgliedern fänden nämlich außerhalb der regulären Arbeitszeiten statt, etwa beim Mittagessen, am Abend oder an den Wochenenden. Eine Vergütung für seine Arbeit als Parteichef wolle er allerdings nicht, sagt Sehovic.
Anders als bei der CSV oder LSAP wird die Arbeitslast des Grünen-Präsidiums zudem auf zwei Personen aufgeteilt. Djuna Bernard ist neben ihrem Abgeordnetenmandat seit März 2019 auch Co-Präsidentin der Partei. Eine Vergütung, die über ihre Diäten als Parlamentarierin hinausgeht, erhält die 28-Jährige demnach nicht.
12.500 Brutto für Belgiens Grünen-Chefs
Dass sich die Frage einer gesonderten Bezahlung eines Parteivorsitzenden durchaus stellt, zeigt auch ein Blick ins Ausland. In Belgien beziehen die beiden Vorsitzenden der Grünen-Partei etwa jeweils ein monatliches Gehalt von 12.500 Euro brutto. Laut Statuten der Partei ist das Mandat unvereinbar mit einem Abgeordneten- oder Ministerposten. Sie werden demnach vollständig von der Partei bezahlt. Andere Parteien in Belgien, die von Parlamentariern oder anderen Mandatsträgern angeführt werden, handhaben es jedoch wie in Luxemburg und zahlen ihren Vorsitzenden kein reguläres Gehalt.
Als Annegret Kramp-Karrenbauer Parteivorsitzende der CDU wurde, stellte sich indes das gleiche Problem wie im Fall Frank Engel und der CSV. Die Politikerin gab ihr Mandat als Ministerpräsidentin des Saarlandes auf und hatte somit kein festes Einkommen mehr. Jedoch einigte sie sich mit der CDU auf einen Arbeitsvertrag. Die genaue Summe ist nicht bekannt, wird allerdings auf etwa 10.000 Euro im Monat geschätzt, was dem Gehalt eines Abgeordneten des Bundestages entsprechen würde.
Hin zur Professionalisierung der Parteien
In Luxemburg wären ähnliche Regelungen durchaus denkbar. Das Parlament verabschiedete im Januar eine Reform des Parteifinanzierungsgesetzes. Da seit 2007 die staatliche Unterstützung für Parteien nicht an die Inflation gekoppelt war, wurden die Beträge mit der Reform nach oben angepasst. Eigentlich wäre dies die Gelegenheit gewesen, eine Bezahlung für die Parteipräsidenten zumindest zu thematisieren. Doch die Parteien setzten andere Prioritäten, nicht zuletzt weil die meisten Parteichefs eben durch andere politische Mandate finanziell abgesichert sind.
„Wenn ich als Abgeordneter bereits von der Politik lebe, sehe ich nicht ein, warum ich ein zusätzliches Gehalt als Präsident benötige“, sagt etwa LSAP-Präsident Yves Cruchten. „Wir haben das Geld für eine personelle Aufstockung des Parteisekretariats genutzt“, erklärt seinerseits Meris Sehovic. Die Grünen stellten im Zuge der Reform zwei weitere Mitarbeiter in der Parteizentrale ein. Andere Parteien gingen in den vergangenen Monaten ähnlich vor.
Dennoch spreche formal nichts gegen eine reguläre Bezahlung des Parteichefs, meint zumindest Yves Cruchten. „Die CSV hat Frank Engel in eine unmögliche Situation gebracht. Nach seinem Mandat im Europaparlament saß er zwei Jahre auf dem Trockenen“, so der LSAP-Präsident. Sollte ein LSAP-Vorsitzender sich in Zukunft in einer ähnlichen Lage befinden, wäre er für eine Gehaltszahlung, so Cruchten. „Diese müsse dann aber vom Vorstand genehmigt und transparent kommuniziert werden“, so der Parteipräsident. Beides war für den CSV-Präsidenten nicht der Fall – und wurde ihm wohl auch deshalb zum Verhängnis.
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