Fehlende Angaben, verbotene Spenden, versteckte Konten: Luxemburgs Piratenpartei verstößt gegen mehrere Artikel des Gesetzes zur Parteienfinanzierung. Das könnte nun auch strafrechtliche Folgen haben. Für die Missstände fühlt sich jedoch niemand verantwortlich.

Demonstrativ stellt sich Sven Clement als Allererster vor die Mikros und Notizblöcke der Presse. Nach der nicht-öffentlichen Sitzung des Haushalts- und Verfassungsausschusses steigt der Abgeordnete in den Aufzug. Im Erdgeschoss erwarten ihn bereits die Journalisten. Die Aufzugtür öffnet sich, er läuft die letzte Treppe hinab, die ihn von den Journalisten trennt, begrüßt sie freundlich und beginnt zu reden. Andere Ausschussmitglieder gesellen sich bald dazu und warten darauf, nach ihm das Wort ergreifen zu können.

Sven Clements Partei saß während der Sitzung des Haushaltsausschusses auf der Anklagebank. Mehrmals soll er während der Sitzung den Berichterstatter des Rechnungshofes unterbrochen haben, um seine eigenen Einschätzungen abzugeben. Später lauscht er den Aussagen der anderen Parteivertreter, schmunzelt und schüttelt den Kopf bei Kritik. Die Botschaft ist klar: Die Piratenpartei will den Bericht des Rechnungshofes nicht auf sich sitzen lassen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Rechnungshof die unkonventionellen bis unprofessionellen Methoden der Buchhaltung der Piraten anprangert. Jedoch fiel die Kritik noch nie so scharf aus. Der ehemalige Präsident der Partei schaltete deshalb auch gleich vor der Presse in den Angriffsmodus. Der Rechnungshof sehe die gleichzeitige Verteilung von Parteiwerbung mit Prospekten eines lokalen Unternehmers kritisch, meint Sven Clement.

Die Partei sieht dies nicht als berechtigt an: Der Rechnungshof habe keine Indizien gefunden, dass das Unternehmen anstelle der Partei gezahlt habe. Trotzdem wurde es im Bericht erwähnt, frei nach dem Motto: „Wann ech laang genuch mat eppes puchen, bleift schonn iergendeppes pechen“, so der Abgeordnete der Piraten.

Illegale, aber ungewollte Wahlkampfhilfe

Jedoch bereitet selbst dem Ehrenpräsidenten der Partei die problematische Wahlkampfwerbung in der „Wow“ Bauchschmerzen. Während des Europawahlkampfes wurde in der Tierschutz-Publikation eine Werbung für die Piraten geschaltet, die laut Aussagen der Partei nicht von ihr in Auftrag gegeben wurde. Da es sich dabei um eine Sachspende einer juristischen Person handelt, ist diese Praxis illegal. Sven Clement sagt, dass er und die Partei sich bereits mehrmals von der Anzeige an sich distanziert haben.

Es handelte sich um Anzeigen, die wir freiwillig und kostenlos in unseren Medien veröffentlicht haben.“Groupe de Presse Nicolas

Die „Groupe de Presse Nicolas“, die auch das Boulevardblatt „Lëtzebuerg Privat“ herausgibt, beschwichtigt auf Nachfrage des Rechnungshofes selbst, dass sie keine Rechnung für die Anzeige ausgestellt habe. Die Veröffentlichung sei „freiwillig und kostenlos in unseren Medien“ gewesen. Wer die Anzeige in Auftrag gab, wird aber weder aus dem Bericht des Rechnungshofes noch aus der Antwort der Partei oder der „Groupe de Presse Nicolas“ ersichtlich.

Der Ausschuss stimmte am Montag einstimmig für die Weitergabe des Berichts an die Staatsanwaltschaft. Es wird der einzige Punkt sein, in dem die Piratenpartei dem Rechnungshof Recht gab. Falls es zum Prozess kommen sollte, ist allerdings noch nicht klar, wer auf der Anklagebank sitzt. Die Anzeige wurde gegen Unbekannt erstellt. Als Nutznießer der Spende müsste laut Gesetz eigentlich die Partei haftbar sein. Für die Piraten wird dies womöglich der Verein ohne Gewinnzweck „Piratepartei Lëtzebuerg A.s.b.l.“ sein – und damit auch Sven Clement, der weiterhin in dessen Vorstand sitzt.

Eine Spende, die sehr teuer werden könnte

Die Spende ist jedoch bei weitem nicht der einzige Kritikpunkt im Bericht des Rechnungshofes. Die Kontrollinstanz skizziert ein Bild von einer generell fahrlässigen Buchführung. Die Wahlkampagne des Kandidaten des Ost-Bezirks, Daniel Frères, könnte die Partei noch teuer zu stehen kommen. Der Immobilienmakler hat auf eigene Faust Werbungen in mehreren Publikationen im Wert von 30.700 Euro geschaltet.

Laut der „Cour des Comptes“ hätte Daniel Frères eine Rückerstattung von der Partei fordern müssen. Danach hätte es ihm noch immer zugestanden, den Betrag als Spende an die Partei zurück zu überweisen. Da dies nicht geschah, handelt es sich in den Augen des Rechnungshofes um eine Sachspende – also eine nicht quantifizierbare Zuwendung an die Partei. Diese Darstellung bestreitet auch Sven Clement nicht.

D’Chancen si grouss, dass ech och a Richtung ginn, vun enger Autoritéit, déi onofhängeg ass, an déi zu där Conclusioun komm ass.“Xavier Bettel (DP)

Der Rechnungshof hat die Sachspende deshalb aus der Bilanz gestrichen. Die fehlenden Einnahmen stellen die Partei vor ein weiteres Problem: Die staatliche Parteienfinanzierung macht demnach mehr als 75 Prozent der Einnahmen der Partei aus. In dem Falle müsse die Partei 19.300 Euro an den Staat zurückzahlen. Das juristische Gutachten der Partei kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis und bittet den Rechnungshof die gezahlte Summe als Spende an die Partei zu verbuchen. Der Ball liegt nun beim Staatsministerium, das entscheiden muss, wem es Glauben schenkt.

Die Piraten können allerdings nicht auf viel Unterstützung von Xavier Bettel (DP) hoffen. Im Interview mit „RTL“ sagte der Premier, dass er es bevorzuge, den Einschätzungen einer unabhängigen Behörde zu folgen. Die Partei könne dann immer noch vor dem Verwaltungsgericht in Berufung gehen.

Ungewöhnliche und lückenhafte Buchhaltung

Zudem stellt die „Cour des Comptes“ in ihrem Bericht eine Vielzahl von dubiosen Finanzbewegungen fest. So soll die Partei, nach eigenen Angaben, ein Konto im Oktober 2018 geschlossen haben. Dennoch stellt der Rechnungshof fest, dass es noch Kontobewegungen im November gab. Die Piraten sollen auch im gleichen Jahr zwei Fahrzeuge gekauft haben. Eines davon wurde über die Beratungsfirma „Clement & Weyer“ in Deutschland gekauft, ohne dort die Mehrwertsteuer zu zahlen.

Die Firma, an der Sven Clement die Hälfte der Anteile hält, habe dann das Fahrzeug an die Partei verkauft und die luxemburgische Mehrwertsteuer angewendet. Die Partei konnte so etwa 180 Euro einsparen, erklärt Sven Clement. Künftig werde sich das Problem aber nicht mehr stellen, weil die Partei mittlerweile über eine Steuerkarte verfügt, um die Einkäufe im Ausland selbst zu tätigen.

Außerdem hat die Partei nachträglich ihre Bilanz für das Jahr 2017 geändert. Die Verluste für das Vorjahr sind somit weiter gestiegen. Allgemein wird die generelle Buchhaltungsführung der Partei kritisiert, diese entsprach laut dem Rechnungshof nicht den gesetzlichen Regeln. Die Verteidigung der Piraten: Die Treuhändergesellschaft ist schuld. Die Zusammenarbeit mit der externen Buchhaltungsfirma wurde deshalb auch beendet.

Ein Problemkandidat und neue Anschuldigungen

Wer nun welche Konsequenzen trägt, wird unter Umständen ein Gericht entscheiden müssen. Auch wenn Daniel Frères zumindest zum Teil Auslöser des Konflikts mit dem Rechnungshof ist, wird die Partei sich wohl kaum von ihm trennen wollen. „Stand jetzt hat er nichts Illegales getan. Es handelt sich um ein Mitglied, das uns eine substanzielle Spende gemacht hat, die eine Kampagne ermöglicht hat, die weit über den Bezirk Osten hinausgeht“, so Sven Clement. Ohne Daniel Frères müssten andere Parteimitglieder wohl tiefer in die Tasche greifen, um die 25 Prozent Eigenfinanzierung zu erreichen.

Von den politischen Methoden des Präsidenten der Ost-Sektion der Partei, der vor allem auf populistisch angehauchten und von Boulevardmedien angeheizten Tierschutz setzt, will sich Clement nicht distanzieren.

Sven Clement war am Montag übrigens nicht nur der Allererste, der vor die Presse trat. Er war auch der Letzte, indem er erneut auf die Anschuldigungen der anderen Ausschussmitglieder reagierte, nachdem diese das Parlamentsgebäude verlassen hatten. Dabei behauptete er etwa, dass die Piraten eigentlich die Einzigen seien, die alles klar verbuchen würden. Kandidaten von anderen Parteien würden das nicht so ernst nehmen und ihre Ausgaben für Facebook-Werbung selbst bezahlen. Beweisen konnte der Mitgründer der Luxemburger Piratenpartei das natürlich nicht. Es hat auch kein Vertreter der anderen Parteien mehr mitgehört, um danach auf die Anschuldigung zu reagieren.


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