Die USA wollen gegen die Offshore-Industrie vorgehen, das Europäische Parlament debattiert zumindest darüber. In Luxemburg sind die „Pandora Papers“ dagegen kein politisches Thema. Die Reaktion der Finanzplatz-Lobby befindet sich international zudem in zweifelhafter Gesellschaft.

„Die parlamentarische Finanzkommission ist gerade die aktivste unter allen Kommissionen“, sagt André Bauler (DP) im Gespräch mit Reporter.lu. Deshalb sei momentan nicht vorgesehen, eine Sitzung über die Erkenntnisse der „Pandora Papers“ einzuplanen. Der Ausschusspräsident verweist jedoch auf die Rede von Premierminister Xavier Bettel (DP) zum „État de la nation“ und die anschließenden Debatten, die für diese Woche vorgesehen sind: „Ich bin mir sicher, dass dieses Leak auch während dieser Debatten zur Sprache kommen wird.“

Anders als bei vorherigen Leaks hat das Finanzministerium bisher auch nicht mit einer Pressemitteilung auf die „Pandora Papers“ reagiert. Recherchen von Reporter.lu hatten die Geschäfte russischer Oligarchen mithilfe eines Luxemburger Investmentfonds und die Mängel in der Geldwäsche-Kontrolle in Luxemburg thematisiert. Infolge dieses Artikels gaben das Finanz- und das Justizministerium eine gemeinsame Stellungnahme ab. Darin betonen die Ministerien von Pierre Gramegna (DP) und Sam Tanson (Déi Gréng), wie ernst die Regierung die Sorgfaltspflicht sowie die direkte und indirekte Kontrolle der Luxemburger Fondsindustrie nehme.

Nüchterne Linke und neue Debatten

Darüber hinaus reagierte nur die Oppositionspartei Déi Lénk auf das bisher größte Leak zur Offshore-Industrie. Gegenüber Reporter.lu kündigt die Abgeordnete Nathalie Oberweis die Pläne ihrer Partei an, eine Kommissionssitzung zu den „Pandora Papers“ einzuberufen. Große Hoffnungen mache sie sich aber nicht, so die Politikerin von Déi Lénk. „Man wird uns wieder einmal erzählen, dass in Luxemburg alles gut läuft. Dass wir alle europäischen Richtlinien umsetzen und dass wir aktiv mitarbeiten, Geldwäsche zu bekämpfen. Aber das sind alles nur Texte, die vor Ort auch umgesetzt werden müssen. Doch dort herrscht eine politisch gewollte Lockerheit“, betont die Parlamentarierin.

Geldwäsche und Steuerhinterziehung sind nicht Covid-19 – es gibt schon lange eine Impfung, die Regeln müssen bloß geschaffen und konsequent umgesetzt werden.“ Manon Aubry, EU-Abgeordnete (GUE-NGL)

Die Nüchternheit der Luxemburger Linken trifft auch auf die EU-Parlamentarierin Manon Aubry (GUE-NGL) zu. „Für mich ist es ein Déjà-vu-Erlebnis, das mich wütend macht. Jedes Mal, wenn ein neues Leak aufkommt, werden sofort Reden geschwungen, dass so etwas nie wieder passieren dürfte. Aber Geldwäsche und Steuerhinterziehung sind nicht Covid-19 – es gibt schon lange eine Impfung, die Regeln müssen bloß geschaffen und konsequent umgesetzt werden“, erklärt sie im Gespräch mit Reporter.lu.

Dass das Europäische Parlament nach den „Pandora Papers“ einen Untersuchungsausschuss – wie es nach „LuxLeaks“ geschah – einsetzen wird, glaubt Aubry indes nicht: „Wir werden sicher eine Untersuchungskommission fordern. Doch ich fürchte, dass wir dafür nicht die nötige Mehrheit haben werden.“ In der Tat wurde dies bereits in der ersten Debatte über die „Pandora Papers“ im EU-Parlament deutlich. „Die Rechten von der Volkspartei EPP wollen bremsen, die Liberalen von „Renew Europe“ sind eher peinlich berührt. Schließlich ist die Partei des tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis in ihrem Verbund – und der wurde gerade von den ‚Pandora Papers‘ entlarvt“, erklärt Manon Aubry.

Hinzu kommt, dass der EU-Rat der Finanzminister zwei Tage nach der Veröffentlichung der „Pandora Papers“ die schwarze Liste der Steuerparadiese aktualisierte. Das Resultat: Anguilla, die Dominikanische Republik und die Seychellen stehen nicht mehr auf der Liste. Dabei spielen gerade die Seychellen eine zentrale Rolle in den „Pandora Papers“. Inzwischen rudern einige Politiker bereits zurück, wie etwa der belgische Finanzminister Vincent Van Peteghem, der am Donnerstag forderte, die Liste wieder auszuweiten.

USA nehmen Offshore-Industrie ins Visier

Während die Parteien im Europäischen Parlament noch debattieren, sind die USA schon viel weiter. Das US-Repräsentantenhaus hat in unmittelbarer Reaktion auf die „Pandora Papers“ den sogenannten „Enablers Act“ präsentiert. Der Gesetzentwurf sieht etwa eine Reform des „Bank Secrecy Act“ aus dem Jahre 1970 vor. Das neue Gesetz soll stärkere Kontrollen auf ausländisches Kapital, das in die Vereinigten Staaten fließt, zur Vorschrift machen.

Dass die „Pandora Papers“ auch US-Bundesstaaten wie etwa South Dakota als Offshore-Paradiese enttarnen konnten, hat offenbar zu einem neuen, überparteilichen Bewusstsein für das Problem der globalen Offshore-Industrie geführt. Denn die gesetzliche Initiative wird von Demokraten und Republikanern unterstützt. Zuvor hatte bereits US-Präsident Joe Biden in Sachen internationale Steuerharmonisierung die Gangart erhöht und erhielt für seinen Vorstoß einer weltweiten Mindeststeuer für Unternehmen bereits viel Unterstützung.

Der Hintergrund: Die USA, die in den vergangenen Jahrzehnten Druck auf andere Länder, wie etwa die Schweiz mit ihrem Bankgeheimnis, ausgeübt haben, sind in Sachen Geldwäsche-Bekämpfung ins Hintertreffen geraten. Zwar brachten sie den „Foreign Account Tax Compliance Act“ (Fatca) auf den Weg. Diese Regelung sieht vor, den amerikanischen Behörden Konten von Staatsbürgern und Gebietsansässigen der USA zu melden. Andererseits haben die Vereinigten Staaten den „Common Reporting Standards“ der OSZE noch nicht zugestimmt, die inzwischen nach den Fatca-Modellen konzipiert wurden.

Schmutziges Geld als „nationale Gefahr“

Was die Politiker in den USA immer noch mit Zurückhaltung thematisieren: Wegen mangelnder Regulierungen konnte sich im eigenen Land in den vergangenen Jahren eine ganze Trust-Industrie ansiedeln. Der Offshore-Anbieter, der am meisten auf das „South Dakota Advantage“ setzt, hat einen Sitz in Luxemburg: „Trident Trust“. Recherchen des ICIJ und der „Washington Post“ legen nahe, dass „Trident“ in dem kleinen US-Bundesstaat Kunden an Land gezogen hat, deren Renommee nicht immer lupenrein ist.

Dazu gehört der ekuadorianische Präsident Guillermo Lasso, der Teile seines Vermögens in Panama unterbrachte, während sein Land eine schwere Wirtschaftskrise erlebte. Oder der ehemalige Vize-Präsident der Dominikanischen Republik, Carlos Morales Troncoso, der auch der „Central Romana Corp“ vorstand, einem im Zuckerrohr-Abbau tätigen Unternehmen, dem beständig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

It has become abundantly clear that our national interests are really dependent on keeping that kind of money out even if it’s not a financial crime.”Josh Rudolf, Mitglied des National Security Council unter Obama und Trump

Die Sorgen um die unkontrollierbaren Auswüchse der Trust-Industrie in einzelnen US-Bundesstaaten wie Delaware, Alaska oder eben South Dakota sind jedoch nicht neu. Doch die „Pandora Papers“ untermauern die Ausmaße der Offshore-Industrie und zwingen die Politik geradezu zum Handeln. Dabei geht die Debatte in den USA mittlerweile so weit, dass nicht nur Finanzkriminalität im Visier ist, sondern selbst bestimmte Offshore-Konstrukte, die einen legalen Anschein haben.

So bezeichnete Josh Rudolf, der unter Trump und Obama im „National Security Council“ diente, die USA als „the world’s top offshore financial haven“. Demnach solle die Politik „schmutziges Geld“ als „nationale Gefahr“ auffassen und als solche stärker bekämpfen.

Gemischte Reaktionen aus aller Welt

Eine schnelle Reaktion gab es auch in Mexiko. Santiago Nieto Castillo, Chef der „Financial Intelligence Unit“ (UIF), schrieb bereits eine Stunde nach der Veröffentlichung des Leaks auf Twitter, dass die Ermittlungen gegen jene Mexikaner, die in den „Pandora Papers“ vorkommen, begonnen hätten. Wie das ICIJ-Partnermedium „Revista Proceso“ berichtet, sind unter den im Leak genannten Persönlichkeiten der ehemalige mexikanische Präsident Enrique Pena Nieto sowie Geschäftsleute, die dem aktuellen Präsidenten Andres Manuel Lopez Obrador nahestehen. Letzterer hatte sich in seiner täglichen Pressekonferenz vom 4. Oktober darüber beklagt, dass die Medien sich zu viel auf die ihm nahestehenden Personen einschießen würden. Trotzdem hat er sämtliche Autoritäten gebeten, sich an den Ermittlungen zu beteiligen.

Auch in Singapur haben die „Pandora Papers“ für Aufsehen gesorgt. So hat etwa die Finanzaufsichtsbehörde „Monetary Authority of Singapore“ dem „Guardian“ gesagt, dass sie die Leaks genau analysieren werde. Dies besonders wegen der Berichterstattung über die Beziehungen des „Asiaciti Singapore Trust“ mit russischen Oligarchen, über die auch Reporter.lu berichtet hat.

In den europäischen Nachbarländern kommt ebenfalls Bewegung auf. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bestätigte der „AFP“ gegenüber, dass seine Beamten in Bercy Ermittlungen gegen die etwa 600 Franzosen, die in den „Pandora Papers“ vorkommen, aufnehmen würden. Auch das belgische Parlament hat am vergangenen Donnerstag über die „Pandora Papers“ debattiert. Finanzminister Van Peteghem gab bekannt, dass der belgische Fiskus die Enthüllungen genau verfolge und, wenn nötig, bereit sei, einzugreifen. Die linke Opposition forderte bereits eine parlamentarische Spezialkommission.

Das momentane politische Vakuum in Deutschland verhindert deutliche Stellungnahmen zu den „Pandora Papers“. Laut dem „Tagesspiegel“ sieht die scheidende Bundesregierung „Deutschland kaum betroffen“. Dennoch äußern sich einige Politiker von SPD, Grünen und FDP bereits dahingehend, in Zukunft sowohl internationalen Druck zu verstärken, als auch die eigenen Gesetze zu verschärfen, um den Missbrauch von Offshore-Konstrukten einzudämmen.

Zwischen „Mafia“ und „Blödsinn“

Negative politische Reaktionen auf die „Pandora Papers“ gab es aus Tschechien, wo Premierminister Andrej Babis um seine Wiederwahl kämpfte. Auf einer Wahlkampfveranstaltung bezeichnete er die an der Recherche beteiligten Journalisten als „Mafia“. Den Wahlgang am Wochenende verlor der Amtsinhaber letztlich knapp gegen ein Oppositionsbündnis.

Auch in Russland gebe es, zumindest Kremlin-Sprecher Dmitry Peskov zufolge, nichts zu sehen. Er tat die Enthüllungen als „gegenstandslose Behauptungen“ ab, wie die ICIJ-Partner von „Meduza“ berichten. Und das obwohl russische Oligarchen, die zu Wladimir Putins engsten Kreisen gehören, und der russische Präsident selbst prominent in den „Pandora Papers“ erwähnt werden.

In die gleiche Richtung geht übrigens die bisherige Reaktion der Finanzplatz-Lobby in Luxemburg. Im Interview mit „RTL Radio“ bezeichnete der CEO von „Luxembourg for Finance“, Nicolas Mackel, die Recherchen des ICIJ und seiner Partnermedien pauschal als „Blödsinn“.


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