In der Koalition fällt die LSAP nicht durch klimapolitische Initiativen auf. Die Partei versteht die Klimakrise vor allem als Frage der sozialen Gerechtigkeit. Doch dabei werden sowohl die Reduzierung der Treibhausgase als auch der soziale Ausgleich regelmäßig verfehlt.

„Wir müssen von dieser Krise profitieren, um unsere Wirtschaft nachhaltiger und regionaler aufzubauen, ohne dass dabei die soziale Komponente in Vergessenheit gerät“, sagte LSAP-Fraktionschef Georges Engel im vergangenen Dezember während der Debatte über den Energie- und Klimaplan. Es ist ein Paradebeispiel dafür, was Luxemburgs Sozialisten unter Klimapolitik verstehen: Der Kampf gegen den Klimawandel ist kein Zweck an sich, sondern nur ein weiterer Austragungsort für den Konflikt um soziale Gerechtigkeit.

Nachhaltig und sozial: Wie genau dieses Ziel erreicht werden soll, ließ Georges Engel damals offen. Heute, nicht zuletzt nach Erscheinen des neuen Berichts des Weltklimarates, will die Partei aber nachlegen. „Die Zeit der Sonntagsreden ist vorbei“, sagt der Fraktionsvorsitzende, der gleichzeitig klimapolitischer Sprecher der LSAP ist, im Gespräch mit Reporter.lu.

Dabei ist die Partei innerhalb der Dreierkoalition nicht gerade für einen glaubwürdigen Einsatz für den Klimaschutz bekannt. Die Klimaaktivistin Zohra Barthelemy kritisiert etwa, dass die Klimapolitik sowohl von der DP als auch von der LSAP ausgebremst werde. Der Grund sei die Auffassung der Sozialisten, Klimaschutz gehe prinzipiell gegen die Interessen von Geringverdienern, so das Mitglied von „Youth for Climate“ kürzlich im Interview mit Reporter.lu.

Georges Engel stimmt diesem Eindruck bedingt zu. „Natürlich ist die soziale Verträglichkeit uns wichtig. Wird diese gewährleistet, findet man in der LSAP auch einen starken Partner für mehr Klimaschutz“, so der LSAP-Fraktionschef.

Reaktion statt eigene Initiativen

Klar ist aber auch, dass die Sozialisten seit dem Antritt von Blau-Rot-Grün kaum klimapolitische Impulse geben. Ihr Fokus liegt auf dem sozialen Ausgleich der Maßnahmen, die vor allem von den Ministern von Déi Gréng eingebracht werden. „Im Umweltbereich haben vor allem grüne Ministerien das Initiativrecht. Das heißt aber nicht, dass die anderen Parteien keine eigenen Ideen haben“, sagt Georges Engel. An einem eigenem Klimakonzept arbeite die Partei jedoch erst jetzt, räumt der Fraktionschef offen ein.

Unsere Sorge liegt bei den Menschen, die sich von den Klimaschutzmaßnahmen ausgeschlossen fühlen und sich diese finanziell nicht leisten können.“Georges Engel, LSAP-Fraktionschef

Als Beispiel für den sozialistischen Einfluss auf die Klimapolitik nennt der Fraktionsvorsitzende die Einführung einer CO2-Steuer. Die Steuer, die seit dem 1. Januar gilt, war nicht Teil des Koalitionsabkommens. Sie wurde erst auf Druck der Grünen in den Energie- und Klimaplan aufgenommen. Wie es damals aus Koalitionskreisen verlautete und mittlerweile auch von der LSAP selbst heißt, hätten die Sozialisten der Maßnahme nur unter der Bedingung eines sozialen Ausgleichs für ärmere Haushalte zugestimmt.

Die LSAP konnte bei diesem Thema auch ihre Lehren aus den Kontroversen in Frankreich ziehen. Die „Gelbwesten“-Bewegung entstand dort als Protest gegen eine Erhöhung der CO2-Steuer von rund 45 auf 65 Euro. Um einer ähnlichen Kritik zu entgehen, beschloss Blau-Rot-Grün eine vergleichsweise niedrige Bepreisung von 20 Euro pro Tonne CO2 und einen sozialen Ausgleich für Geringverdiener.

Anfangs war allerdings noch nicht klar, welche Form dieser „soziale Ausgleich“ bekommen sollte. Während der Vorstellung des Energie- und Klimaplans wollte Claude Turmes (Déi Gréng) sich etwa noch nicht festlegen, ob der Betrag für Geringverdiener vollständig zurückbezahlt oder für sozial gestaffelte Umweltprämien genutzt werden sollte.

Bestehende Maßnahmen als Leitlinie

„Unsere Sorge liegt bei den Menschen, die sich von den Klimaschutzmaßnahmen ausgeschlossen fühlen und sich diese finanziell nicht leisten können“, erläutert Georges Engel. Der Partei sei es in der Koalition gelungen, die zusätzliche Belastung der Haushalte durch eine Erhöhung der Steuergutschrift für Arbeitnehmer, Selbstständige und Rentner und der „allocation de vie chère“ abzufedern. „Das werden wir auch zukünftig so machen“, sagt Georges Engel.

Auf welche kommenden Maßnahmen der Fraktionsvorsitzende sich bezieht, ist allerdings unklar. Das Wahlprogramm der Partei von 2018 zählt zum Großteil bereits beschlossene Maßnahmen der vorherigen Regierung auf oder bleibt im Ungefähren. So sollte etwa „Elektromobilität stärker gefördert werden“ oder man will „die bestehenden Instrumente zur Förderung der energetischen Altbausanierung überprüfen und gegebenenfalls anpassen“.

Die LSAP will laut ihrem Fraktionschef verstärkt auf bestehende Maßnahmen setzen, um sicherzustellen, dass sie auch von Unternehmen und der Bevölkerung in Anspruch genommen werden. Tatsächlich fehlt es nicht an finanziellen Anreizen oder Budgets. Doch diese werden nicht immer genutzt, wie das Beispiel des Klimafonds zeigt.

„Beim Wohnungsbau und in der Landwirtschaft sehe ich noch ein großes Potenzial“, meint Georges Engel. In beiden Bereichen setzt die Regierung auf Anreize, um etwa den Umstieg von Heizöl- auf Wärmepumpen oder von der konventionellen Landwirtschaft zur Biolandwirtschaft zu bezuschussen. Gleichzeitig wolle man auf die Kosten eines klimaschädlichen Lebensstils aufmerksam machen. „Wenn man auf die Kosten eines Zweitwagens hinweist, kann man vielleicht schon Menschen dazu bewegen, nur noch ein Auto zu besitzen“, so der umwelt- und klimapolitische Sprecher der LSAP.

Telearbeit und andere vage Vorstöße

Eine ambitionierte Politik, die dem letzten Bericht des Weltklimarats Rechnung trägt, klingt jedoch anders. Wie die LSAP etwa die Mobilitätswende einleiten will, bleibt offen. In ihrem Wahlprogramm forderten die Sozialisten Kaufprämien für Elektroautos und die kostenlose Nutzung des öffentlichen Transports. Beides ist bereits Realität. Ein weiterer Schritt, wie etwa ein frühzeitiger Ausstieg bei Verbrennungsmotoren, ist zurzeit aber noch nicht angedacht. Georges Engel gibt auch offen zu, dass er sich mit weiter reichenden Verboten schwertue. Es ist eine Skepsis, die die Sozialisten mit ihrem früheren Koalitionspartner, der CSV, verbindet.

Für uns ist klar, dass die Reichen und die finanziell besser gestellten Menschen einen stärkeren Beitrag leisten müssen – und das nicht nur beim Klimaschutz.“Georges Engel, LSAP-Fraktionschef

Als Alternative brachte der Fraktionsvorsitzende den „gestaffelten Dieselpreis“ in die Debatte ein. „Eine Möglichkeit wäre etwa, einen separaten Diesel für LKWs einzuführen“, so der Abgeordnete. In diesem Fall würden LKW-Fahrer einen höheren Preis für den Kraftstoff zahlen. Somit solle sich der Umweg über Luxemburg für Schwertransporter nicht mehr lohnen, ohne jedoch die Bevölkerung mit weiteren Steuern zu belasten. An der Umsetzbarkeit einer solchen Maßnahme müsse man aber noch arbeiten, räumt Georges Engel ein.

Bessere Chancen hat allerdings ein anderes Projekt: die Förderung der Telearbeit. Die Partei forderte bereits vor der Krise, das Verkehrsaufkommen durch Homeoffice und Telearbeitszentren, etwa in der Grenzregion, zu verringern. „Dadurch können Emissionen eingespart werden, ohne auf ein Verbot angewiesen zu sein“, sagt Georges Engel. Weitere Maßnahmen oder Konzepte befänden sich indes in Ausarbeitung. Details konnte der LSAP-Fraktionschef im Gespräch mit Reporter.lu noch nicht nennen.

Mehr oder weniger sozial ausgeglichen

Ein roter Faden soll sich jedenfalls auch durch zukünftige Maßnahmen ziehen. „Für uns ist klar, dass die Reichen und die finanziell besser gestellten Menschen einen stärkeren Beitrag leisten müssen – und das nicht nur beim Klimaschutz“, fordert der Fraktionsvorsitzende. Als vermeintlich soziales Gewissen der Koalition versuchen die Sozialisten den Spagat zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit. Dass ihnen das nicht immer gelingt, zeigte sich mehr als einmal.

Der überarbeitete Gesetzentwurf zur Klimabank, der die Sanierung von Altbauten fördern soll, legt etwa weniger Wert auf Beihilfen für einkommensschwache Haushalte. Die Beihilfen würden erst nach den Arbeiten ausgezahlt werden und zudem sei die Zusatzunterstützung von 5.000 Euro für Geringverdiener im Entwurf offenbar gestrichen worden, kritisierte die Arbeitnehmerkammer.

Auch andere soziale Ausgleichsmaßnahmen fielen bisher eher durch geringe soziale Selektivität auf. Der „Gratis-Transport“ wurde etwa als soziale Maßnahme vorgestellt, obwohl dadurch alle Bürgerinnen und Bürger, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, gleich stark entlastet werden.

Auch bei der CO2-Steuer soll Dan Kersch laut dem „Lëtzebuerger Land“ zuerst eine vollständige Erstattung gefordert haben – unabhängig vom Einkommen. Auch die erste Prämie für Elektroautos wurde großzügig verteilt. Erst nach einer Anpassung trägt die Prämie dem Stromverbrauch – und somit auch dem Preis des Fahrzeugs Rechnung.

Im Detail lässt sich also nicht immer belegen, dass die LSAP tatsächlich Garant für sozialen Ausgleich und eine stärkere Beteiligung von wohlhabenden Haushalten ist. Und mit neuen Initiativen zur Bekämpfung des Klimawandels, die über das bereits Beschlossene hinausgehen, ist bei Luxemburgs Sozialisten ohnehin nicht zu rechnen. So droht das Konzept des „sozialen Klimaschutzes“ in doppelter Hinsicht zu scheitern.


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