Auf das Feiern folgt die Arbeit. Déi Gréng wurden von den Wählern für ihre erste Regierungsbeteiligung fürstlich belohnt. Das ist ein deutlicher Auftrag, aber auch ein Anspruch: Sie werden sich stärker als bisher gegen die beiden Partner durchsetzen müssen. Eine Analyse.

Der kleine Fuchs kläfft. „Et ass vill geschitt“, sagt die Stimme aus dem Off. Doch auf idyllische Bilder von Stausee und glücklichen Menschen im Tram folgen Atomzentralen und schmelzende Eisberge. „Et bléift nach vill ze dinn“, lautet die Botschaft im Wahlspot von Déi Gréng.

Das Video fasst in vielen Hinsichten die aktuelle Situation der Grünen zusammen. „Si hu geschafft, geschafft, geschafft“, würdigte Parteichef Christian Kmiotek die Arbeit der grünen Regierungsmitglieder am Wahlabend. Ohne Zweifel hat die Bilanz von Bausch, Dieschbourg, Gira und Braz einen wesentlichen Anteil am enormen Wahlerfolg ihrer Partei. Doch genauso ist klar, dass die Wähler von den Grünen erwarten, dass sie weiter arbeiten: das Klima retten, das Wasser schützen und die Blechlawine stoppen. Mindestens.

Politischer Mut wird belohnt

„2013 hatte Luxemburg Hunderte Banken, aber keine Wasserschutzzone. Es war ein reiches Land, es musste aber Strafen wegen fehlender Kläranlage zahlen. Heute ist 80 Prozent des Wassers geschützt.“ Stolz verkündete Carole Dieschbourg anlässlich der abschließenden Wahlkampfveranstaltung das Erreichte.

Sich für Wasserschutz einzusetzen war ein politisches Risiko so kurz vor den Wahlen. Noch im September stellten sich Carole Dieschbourg und Claude Turmes aufgebrachten Bürgern in der Stausee-Region. Die Landwirte fürchten um ihre Existenz, weil der Einsatz von Dünger und Pestiziden in der großflächigen Schutzzone weitgehend eingeschränkt wird.

François Bausch, Carole Dieschbourg und Claude Turmes haben nie die Diskussion mit den Menschen gescheut und gleichzeitig eine klare Linie vertreten.“Abbes Jacoby

„Es war schwierig in der Stausee-Region“, sagte Claude Turmes am Wahlabend. Doch der Erfolg gibt den Grünen recht. In der Stausee-Gemeinde legten sie zwei Prozentpunkte zu, die CSV verlor zwei Prozentpunkte. Bereits früh am Sonntagabend kommentierten die grünen Strategen mit Genugtuung, dass die CSV mit ihrem Kurs gegen Natur- und Wasserschutz verloren habe.

Claude Turmes am Wahlabend
Claude Turmes war der Einheizer auf der grünen Wahlparty im „Atelier“. (Foto: Matic Zorman)

„François Bausch, Carole Dieschbourg und Claude Turmes haben nie die Diskussion mit den Menschen gescheut und gleichzeitig eine klare Linie vertreten“, erklärt der frühere grüne Fraktionssekretär und Ettelbrücker Gemeinderat Abbes Jacoby im Gespräch mit REPORTER. „Diese Ehrlichkeit hat im Norden überzeugt“, sagt er.

Die Schwierigkeiten überwunden

Noch vor wenigen Monaten sah es nicht gut aus für Déi Gréng. Der tragische Tod von Camille Gira hinterließ eine riesige Lücke. Der beliebte Politiker war ein Stimmenmagnet im Norden, viele zweifelten, dass der grüne Sitz in diesem Bezirk zu halten wäre. Zudem sprang Co-Parteipräsidentin Françoise Folmer ab und musste kurzfristig als Spitzenkandidatin ersetzt werden.

Die Wahl fiel auf die junge Unternehmerin Stéphanie Empain – bis dahin weitgehend unbekannt. Doch sie fuhr am 14. Oktober ein sehr gutes Ergebnis ein und erhielt deutlich mehr Stimmen als der Nord-Abgeordnete Gérard Anzia. Und Stéphanie Empain könnte in Zukunft in ihrer Heimatgemeinde Wiltz eine strukturelle Schwäche ihrer Partei in dieser Gegend beheben.

Bei der Aufstellung der Listen hatten Déi Gréng auf Erneuerung gesetzt: 32 Kandidatinnen und Kandidaten waren Neulinge. Das hat gefruchtet: Im Zentrum hat die 26-jährige Djuna Bernard gute Chancen ins Parlament nachzurücken. Im Norden erreichten die jungen Kandidatinnen Svenja Birchen und Tanja Duprez gute Resultate.

Ich habe den Eindruck, dass die beiden Koalitionspartner uns keine Erfolge mehr gönnen.“Christian Kmiotek

Wirksam, sympathisch, überzeugend und glaubwürdig: Die Kampagne von Déi Gréng erhielt durchgehend Höchstwerte in einer TNS-Ilres-Umfrage, die das „Luxemburger Wort“ am Dienstag veröffentlichte. Die Grünen hätten auf eine grundsätzlich positive Botschaft und grüne Kompetenzen gesetzt, sagt Parteistratege Jacoby. Das traf einen Nerv.

Jacoby sieht im positiven Trend der deutschen Grünen – etwa in Bayern – einen Grund für den Wahlerfolg von Déi Gréng. Dieser Einfluss habe sich in vergangenen Wahlen bereits gezeigt, denn zahlreiche Luxemburger würden sich über deutsche Medien informieren.

Drei nahezu gleich starke Partner

So groß der Erfolg, so enorm die Aufgabe. Allerdings haben die Grünen nun keine Ausflüchte mehr. Es brauche „Selbstkritik“, dass das Problem Tanktourismus in den vergangenen Jahren nicht angegangen worden sei, sagte François Bausch im Interview mit REPORTER vor den Wahlen. Dafür gebe es eine Erklärung, schob er gleich nach: 2013 seien Déi Gréng als kleinster Partner und geschwächt – mit Verlust eines Sitzes – in die Regierung eingetreten. Zwischen den Zeilen war klar: Nur wenn die Grünen gestärkt werden, wird der Klimaschutz ernst genommen.

Die Botschaft der Wähler am Sonntag war sonnenklar. Déi Gréng legten gegenüber 2013 um fünf Prozent und drei Sitze zu. Angesichts der Verluste von LSAP und DP bedeutet das einen deutlichen Kräfteausgleich zwischen den heutigen und wohl auch künftigen Partnern. DP und LSAP liegen bei rund 17 Prozent auf nationaler Ebene, die Grünen bei 15 Prozent. Im Süden kämpften Sozialisten und déi Gréng um einen Restsitz. Für kurze Zeit schien es am Wahlabend, dass die Grünen am Ende mehr Abgeordnete stellen würden als die LSAP. Vor Kurzem war das noch unvorstellbar.

DP und LSAP verweigerten den Grünen wichtige Erfolge

Premier Xavier Bettel betont immer wieder gerne, wie kollegial die Stimmung in der Dreierkoalition war. Doch gerade in den Monaten vor den Wahlen war die Atmosphäre deutlich angespannter – an sich nicht erstaunlich. Allerdings bremsten DP und LSAP vor allem den Elan der grünen Kollegen.

Der Klimaaktionsplan, an dem Umweltministerin Carole Dieschbourg arbeitete, landete in der Schublade. Die Vorlagen für die Schaffung von Wasserschutzzonen verschwanden immer wieder von der Agenda des Ministerrats, auch wenn schließlich viele beschlossen wurden. Für Unmut sorgte bei den Grünen, dass Wirtschaftsminister Etienne Schneider den Einstieg eines chinesischen Energiekonzerns bei Encevo zuließ.

Es wird selbst für 2020 schwierig, die Klimaziele einzuhalten.“Carole Dieschbourg

Im Dossier Tanktourismus herrschte Stillstand, obwohl die Ewringmann-Studie seit 2016 vorliegt und klare Handlungsempfehlungen liefert. DP-Finanzminister Pierre Gramegna meinte Ende September, es sei „nicht opportun“ beim Spritverkauf einzugreifen. Im DP-Wahlprogramm heißt es schwammig, man wolle „langsam aus dem Tanktourismus aussteigen“.

„Ich habe den Eindruck, dass die beiden Koalitionspartner uns keine Erfolge mehr gönnen“, sagte Parteipräsident Christian Kmiotek im Sommer im Gespräch mit REPORTER. Der Grund aus seiner Sicht: Die Koalitionspartner störten sich an den guten Umfragewerten der Grünen.

Maximal koalitionsfähig oder mit Durchsetzungsvermögen?

Doch bei den nun begonnenen Koalitionsverhandlungen könnte den Grünen ihr Wahlprogramm in die Quere kommen. Sie wollten maximal koalitionsfähig sein und entsprechend gibt es wenige Forderungen mit Ecken und Kanten.

Klar ist, dass aus ihrer Sicht das Umweltministerium gegenüber dem Landwirtschaftsressort gestärkt werden soll – gerade, was die Zuständigkeit für Pestizide angeht. In diesem Bereich hatte Dieschbourg öfters mit Landwirtschaftsminister Fernand Etgen Streit. Gleichzeitig sind die Bauern wichtige Wähler der DP. Im Norden büßten die Liberalen über sechs Prozent der Stimmen gegenüber 2013 ein. Allzu einfach wird dieser Kampf für Déi Gréng daher nicht.

Blau-rote Blockade beim Tanktourismus

Eine ganz andere Dimension hat das Dossier Tanktourismus, das immer wieder mit Déi Gréng verbunden wird. In ihrem Programm wurde das Ziel einer „mittelfristigen“ Verringerung ausgegeben – das klingt nach Aufschieben oder zumindest nach merkwürdiger Vorsicht.

Doch vor den Wahlen äußerten sich Carole Dieschbourg und François Bausch deutlich klarer. „Es wird selbst für 2020 schwierig, die Klimaziele einzuhalten“, warnte Dieschbourg. Der Transport trägt in Luxemburg fast zu zwei Dritteln zu den CO2-Emissionen bei. Bausch betonte, dass nicht nur ausländische Lastwagenfahrer, die hierzulande tanken, dazu beitragen, sondern auch der inländische Verkehr.

Wir haben immer gesagt: Grün muss gestärkt werden, sonst werden sie uns ausbooten.“François Bausch

Für Klimaschutz sind alle, doch wird es konkret, kommen die Ausreden. Die LSAP leugnet das Problem unverblümt in ihrem Programm. Höhere Spritpreise würden lediglich dazu führen, dass mehr in den umliegenden Ländern getankt würde. Ein Einfluss auf die weltweiten CO2-Emissionen habe das nicht. Sowohl LSAP als auch DP verweisen auf sinkende Spritverkäufe und damit zurückgehende Emissionen in den letzten Jahren. Doch dieser Trend hat sich 2017 gewendet: Es wurde wieder mehr Benzin und Diesel verkauft. Parallel stiegen die C02-Emissionen Luxemburgs wieder an. Beides ignorieren DP und LSAP standhaft.

„Wir haben immer gesagt: Grün muss gestärkt werden, sonst werden sie uns ausbooten“, sagte François Bausch am Sonntagabend. Wie groß der Jubel ausfallen würde, das hatten Déi Gréng nicht auf dem Schirm. Felix Braz verkündete immer wieder acht Sitze als Ziel.

„Ich bin davon überzeugt“, rief er beim Abschlussevent seinen Parteifreunden zu und klang, als ob er sich davon selbst überzeugen müsste. Acht Sitze schien das Minimum, damit laut Umfragen den Grünen sowohl die Möglichkeit für eine Koalition mit der CSV wie einer Neuauflage der Dreierkoalition offen stehen würde. Es kam bekanntlich anders.