Es war ein Wagnis der grünen Spitze, die politisch unerfahrene Carole Dieschbourg zur Umweltministerin zu machen. An Herausforderungen für die Newcomerin mangelte es nicht. Fünf Jahre später zeigt sich, dass die Strategie aber aufgegangen ist.  Ein Porträt.

„D’Carole ass cool!“ Sam Tanson war als damalige Co-Parteipräsidentin sichtlich bemüht, die grünen Mitglieder von den Qualitäten der damals noch recht unbekannten Carole Dieschbourg zu überzeugen. Das war am 3. Dezember 2013, als ein Parteikongress die grüne Regierungsmannschaft bestätigte.

Die Stimmung war euphorisch, die Mitglieder in Feierlaune. Doch Carole Dieschbourg wirkte an diesem Winterabend als habe sie ordentlichen Respekt vor der Aufgabe, die ihr nun bevorstand. Ihre Nominierung war eine der Überraschungen der Regierungsbildung. Sie war weder direkt ins Parlament gewählt worden, noch war sie im grünen Team während den Koalitionsverhandlungen.

Heute, knapp fünf Jahre später sind Begriffe wie „Quotenministerin“ von damals nicht mehr in der Presse zu lesen. Spricht die 40-jährige Politikerin über ihre Themen wie Klima oder Wasserschutz, dann lässt sie schon mal Punkt und Komma aus. Dem Zuhörer wird schnell klar, dass sie ihre Dossiers bestens kennt und für ihre Überzeugungen kämpft. Oder, um sie mit ihren Regierungskollegen zu vergleichen: Carole Dieschbourg ist so sachlich wie Pierre Gramegna, so umgänglich wie Xavier Bettel und so streitlustig wie Etienne Schneider.

Das ideale Profil einer grünen Politikerin

„Es war sicher ein Risiko“, sagt der grüne Abgeordnete Henri Kox im Rückblick. Doch sein Fazit ist klar: „Carole Dieschbourg hat sich in ihrem Ressort bewiesen.“

Es war der grüne Politiker und heutige Greenpeace-Direktor Raymond Aendekerk, der Carole Dieschbourg als politisches Talent entdeckte. 2009 suchten Déi Gréng nach motivierten Kandidaten für die Liste im Osten. Aendekerk schlug Kox die damals 31-Jährige vor.

Die studierte Historikerin und Germanistin arbeitete gerade an einem Buch über die Mühlen des Müllerthals. Zuvor hatte sie in einem EU-finanzierten Leader-Projekt zu diesem Thema gearbeitet. „Carole Dieschbourg kam aus einem Handwerksbetrieb, der regionale Produkte und fair gehandelten Kaffee verarbeitet, und war beim Mouvement écologique engagiert“, erklärt Kox. Also das ideale Profil einer grünen Kandidatin.

Der Titel ist mir egal, Hauptsache was bewegen.“Camille Gira

Bei den Parlamentswahlen 2009 erzielte Carole Dieschbourg aus dem Stand das zweitbeste Resultat auf der Ost-Liste von Déi Gréng – hinter Kox, aber vor Aendekerk. 2011 wurde sie in den Gemeinderat von Echternach gewählt – mit gerade mal 42 Stimmen weniger als der Bürgermeister Théo Thiry von der CSV.

2012 wurde Carole Dieschbourg zur Teilhaberin im Familienunternehmen Moulins Dieschbourg. Doch sie engagierte sich politisch weiter. 2013 verbesserte sie ihr Wahlergebnis gegenüber 2009 und ergatterte im Kanton Echternach mehr Stimmen als der bestens etablierte Henri Kox.

Krisenmanagament und Altlastenbewältigung

Die dünne Personaldecke der Grünen und das Abwägen von Regionalproporz und ausgeglichenem Verhältnis von Frauen und Männern führte letztlich dazu, dass die Newcomerin Umweltministerin wurde. Dass dieses Wagnis zu einem Erfolg wurde, ist nicht selbstverständlich. In der gleichen Zeitspanne schmissen die Quereinsteigerinnen Christiane Wickler und Françoise Folmer bei Déi Gréng frustriert hin.

Dass Carole Dieschbourg geblieben ist, hat aber auch etwas damit zu tun, dass Déi Gréng ihr die nötige Unterstützung zur Seite stellten. „Wir plädierten damals für einen Staatssekretär“, erzählt Kox. Camille Gira übernahm diesen Posten als Bindeglied zwischen Nachhaltigkeitsminister François Bausch und der Umweltministerin. Der „spin doctor“ der Grünen während der Kampagne 2013, Olaf Münichsdorfer, wurde Dieschbourgs Pressesprecher und Berater.

Es waren manchmal lange Stunden. Wir hatten im Umweltbereich mehrere heikle Krisen, bei denen wir vermeiden mussten, dass Panik entsteht.“Carole Dieschbourg

Spricht Carole Dieschbourg über den tragischen Tod von Camille Gira, wird deutlich wie dankbar sie für dessen Hilfe ist. Gira verzichtete 2013 auf ein Ministeramt. „Der Titel ist mir egal, Hauptsache was bewegen“, sagte er nach den Worten des Parteipräsidenten Christian Kmiotek.

An Herausforderungen mangelte es nicht. „Wir mussten einige Krisen managen“, erinnert sich Münichsdorfer. Noch vor der Vereidigung der Regierung schlägt die erste Bombe ein. Das Luxemburger System der Kläranlagen verstoße gegen die EU-Wassserschutzregeln, urteilte der Europäische Gerichtshof im November 2013. Seitdem zahlt Luxemburg 2.800 Euro pro Tag an Strafe, bis die Grenzwerte respektiert werden.

Die Europäische Kommission geht inzwischen davon aus, dass Luxemburg seit Anfang des Jahres alle Regeln einhält, sagt Dieschbourg. „Es brauchte einen gewissen politischen Druck, um konform zu werden“, betont die grüne Politikerin. Dieses Dossier ist für sie ein Beispiel der Altlasten, die vorige Regierungen anhäuften. „Es gab einen enormen Nachholbedarf im Umwelt- und Wasserschutz“, betont die 40-Jährige.

Die Stausee-Krise

„Es waren manchmal lange Stunden. Wir hatten im Umweltbereich mehrere heikle Krisen, bei denen wir vermeiden mussten, dass Panik entsteht“, erzählt Carole Dieschbourg. Eine dieser Krisen war der Erdrutsch der Deponie in Monnerich, der für viel Aufregung sorgte. Hier verhandelt das Umweltministerium weiter über ein langfristiges Sanierungskonzept.

Carole Dieschbourg
„Es war manchmal lange Stunden.“ (Foto: Eric Engel)

Eine weitere Krise war die Pestzidbelastung des Stausees. Im September 2014 gelangten bei einem Unfall 6.000 Liter Pestizide in die Sauer auf belgischer Seite. Doch es stellte sich heraus, dass unabhängig davon zu viele Pestizide in den Stausee gelangten – immerhin die Trinkwasserquelle für die Hälfte der Bevölkerung. Auch weitere Quellen waren stärker betroffen, als bis dahin angenommen. Da kam Hektik im Umweltministerium auf.

„Ein Teil der Beamten arbeitete an der Behebung der Krisen, der andere Teil an den langfristigen Lösungen“, erklärt Carole Dieschbourg. Zu letzteren zählten Verbote von manchen viel genutzten Pestiziden, aber auch die Ausweisung von Wasserschutzzonen, die in den letzten Jahrzehnten verschlafen wurde.

In der grünen Ecke

Ihr Engagement für einen wirksamen Wasserschutz in der Stausee-Region bringt Carole Dieschbourg heftige Kritik der Bauernverbände ein. Im „Lëtzebuerger Bauer“ – der Wochenzeitung der konservativen Centrale Paysanne – wird scharf gegen die grüne Umweltministerin geschossen: „grüne Lobby“, „negative Haltung gegüber der Landwirtschaft“, „Bevormundung der Landwirte“ heißt es in einem einzigen Artikel zum Wasserschutz im Stauseegebiet. Der „Lëtzebuerger Bauer“ hat laut Plurimedia-Studie immerhin mehr als 10.000 Leser pro Woche.

Ich finde es schade, dass in der Politik eher die Person gespielt wird als der Ball.“Carole Dieschbourg

Carole Dieschbourg sagt zwar, dass sie ihre Politik im Dialog durchsetzen wolle. Doch bei den Landwirten kommt diese Botschaft nicht an. Camille Schroeder von der Baueren-Allianz klagte im „Quotidien“ über einen fehlenden Austausch zwischen Umweltministerin und den Verbänden in der Wasserschutzfrage. Dieschbourg versucht ihre Politik über die grünen Stammwähler hinaus zu vermitteln. „Naturschutz ist Menschenschutz“, sagt sie. Doch in der Wahrnehmung schafft sie es nicht immer aus der grünen Ecke rauszukommen.

Die harte Verhandlerin

Innerhalb der Regierung machte Carole Dieschbourg Druck. Selbst der joviale Landwirtschaftsminister Fernand Etgen (DP) hat im Interview mit REPORTER Mühe, die Differenzen zur Umweltministerin zu verstecken. Er sei eher für eine „ruhige“ Herangehensweise im Wasserschutz und man solle den Bauern nichts vorschreiben. Die Bauernverbände appellieren immer wieder an Etgen, sich gegen die grüne Umweltministerin durchzusetzen.

„In wichtigen Dossiers haben wir uns immer klar positioniert“, erklärt Carole Dieschbourg ihre Vorgehensweise. Das bekam auch Wirtschaftsminister Etienne Schneider im Dossier der Steinwolle-Fabrik zu spüren, die das Unternehmen Knauf in Sanem ansiedeln wollte. „Wir haben sehr früh festgestellt, dass mit diesem Unternehmen Grenzwerte in der Luftqualität erreicht würden“, so die Umweltministerin.

Luxemburg stößt pro Kopf 17 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Das ist jenseits von gut und böse.“Carole Dieschbourg

„Ich habe diese Diskussion nicht gescheut, denn ich bin der Überzeugung, dass diese Debatten nicht in eine Black Box zwischen Regierung und Gemeinden gehören.“ Die gesetzlichen Regeln würden außerdem die Verwaltung zur Transparenz verpflichten, so Dieschbourg. Im Interview mit REPORTER hatte Premierminister Xavier Bettel seine Ministerin offen kritisiert, dass sie diese Debatte in die Öffentlichkeit getragen habe. Schneider beschwerte sich über „übertriebene“ Anforderungen vonseiten des Umweltministeriums.

Die zu Beginn ihrer Amtszeit eher unsicher wirkende Ministerin legte sich mit den Schwergewichten der Koalition an – völlig routiniert. Doch diese Kontroversen haben bei ihr auch Spuren hinterlassen. „Ich finde es schade, dass in der Politik eher die Person gespielt wird als der Ball“, sagt sie einerseits. Doch ihr früherer Mentor Henri Kox sagt andrerseits, dass Carole Dieschbourg zur harten Verhandlerin geworden ist – wie Camille Gira. Fair im Umgang, aber unnachgiebig in der Sache.

Die „Klimaqueen“ scheitert zu Hause

Mit ihrem Verhandlungstalent und Arbeitseifer trug Carole Dieschbourg auch zum Pariser Klimaabkommen bei. Da Luxemburg gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, war es ihre Aufgabe die europäische Position zu koordinieren und zu verteidigen. „Spiegel Online“ nannte sie „Europas Stimme“, die Nachrichtenagentur KNA porträtierte sie als „katholische Klimakämpferin“. Damit wurde die Echternacherin auf die Weltbühne katapultiert – ihre „spannendste Erfahrung“, wie sie selbst sagt.

Ihre Partei deklarierte sie kurzweg zur „Klimaqueen“. Doch während in Paris ein halbwegs akzeptables Abkommen herauskam, erreichte Carole Dieschbourg im eigenen Land nicht das, was sie sich vorgenommen hatte. „Luxemburg stößt pro Kopf 17 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Das ist jenseits von gut und böse“, sagt sie.

Meinen Charakter zeichnet aus, dass ich auch viele kleine Schritte als wichtig empfinde.“Carole Dieschbourg

„Es wird selbst für 2020 schwierig, die Klimaziele einzuhalten“, warnt sie außerdem. Das nächste Ziel, bis 2030 die CO2-Emissionen mindestens um 40 Prozent zu senken, wird für Luxemburg eine noch größere Herausforderung. Und dann habe Luxemburg noch nicht einmal einen ausreichenden Beitrag zum Erreichen des 2-Grad-Ziels geleistet, das in Paris festgehalten wurde.

Doch eine wirksame Klimapolitik in Luxemburg heißt den Tanktourismus zu bekämpfen, da der Spritverkauf für einen sehr großen Teil der Luxemburger Emissionen verantwortlich ist. Doch nach einer Studie sahen die Koalitionspartner LSAP und DP beim Tanktourismus keinen Handlungsbedarf. So ließen sie die Grünen bei einem ihrer Hauptanliegen der vergangenen Jahre im Regen stehen.

Die Wandlung zur Realpolitikerin

„Da hätte man einen Schritt weiter gehen können“, sagt Carole Dieschbourg nüchtern. „Wir kämpfen weiter, wir diskutieren weiter.“ Doch sie ist inzwischen auch eine klare Realpolitikerin: „In einer Regierung muss man eben auch kompromissfähig sein.“

Episoden wie Tanktourismus, Wasserschutzzonen und Steinwolle-Fabrik zeigen, dass sie an mehreren Fronten kämpfen musste, um ihre Sicht durchzusetzen – auch wenn das letztlich nicht immer gelang.

Doch ein politisches Vermächtnis, wie die Tram für François Bausch oder die Gesellschaftsreformen für Felix Braz, haben die Koalitionspartner Dieschbourg und Gira letztlich verwehrt. Auch wenn die Reformen des Natur- und Wasserschutzes den Rückstand des Landes in diesen Bereichen verringert haben – der große Wurf, der beim Wähler klar ankommt, war nicht dabei.

Als „Idealistin mit ganz viel Optimismus“ bezeichnete sich Carole Dieschbourg in einem Interview mit dem „Luxemburger Wort“. Am Ende der Legislatur fällt das jetzt nuancierter aus. „Ich bin weiterhin eine Idealistin. Aber meinen Charakter zeichnet aus, dass ich auch viele kleine Schritte als wichtig empfinde.“