Das Speichern von Telefon- und Internetdaten ohne konkreten Anlass ist ein Verstoß gegen Grundrechte, urteilte der Europäische Gerichtshof diese Woche. Anders als in vorigen Urteilen sehen die Richter jedoch Ausnahmen vor. Diese Bedingungen prüft nun das Justizministerium.

Eine anlasslose und generelle Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen die EU-Grundrechtecharta, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Woche. In gleich zwei Urteilen bestätigte der EuGH seine frühere Rechtsprechung. Damit ist die aktuelle Luxemburger Gesetzeslage, die eine generelle und verdachtsunabhängige Speicherung vorsieht, ebenfalls erneut infrage gestellt.

„Das Prinzip bleibt das gleiche: Anlassloses Speichern geht nicht“, erklärt Thierry Lallemang, Kommissar der Datenschutzbehörde CNPD. 2018 stellte die Luxemburger Justiz 4.766 Anfragen zur Herausgabe von Vorratsdaten bei den Telekomanbietern, führt die CNPD in ihrem Jahresbericht an.

Justizministerium prüft neues Gesetz

Neu ist allerdings, dass der EuGH definiert, aus welchem Anlass eine begrenzte Vorratsdatenspeicherung dennoch möglich ist. Die Richter gehen auf eine konkrete Gefährdung der nationalen Sicherheit und den Verdacht einer schweren Straftat ein. Unter bestimmten Bedingungen könnten Staaten den Telekomanbietern eine Speicherung vorschreiben. Diese müsste allerdings räumlich oder zeitlich begrenzt sein. Die Richter öffneten auch der Aufbewahrung von IP-Adressen die Tür. Die französische Datenschutzorganisation „La Quadrature du Net“, die eine der Klagen eingereicht hatte, sprach deshalb von einer „défaite victorieuse“.

Da der EuGH damit unter bestimmten Umständen eine Vorratsdatenspeicherung erlaube, gelte es, die Rechtsprechung genau auf ihre Folgen hin zu prüfen, heißt es vom Justizministerium auf Nachfrage von Reporter.lu. Obwohl das Ministerium eine europäische Lösung anstrebe, könne es sein, dass Luxemburg ein neues Gesetz brauche, um sich an die europäische Rechtsprechung anzupassen, heißt es weiter.

CNPD-Kommissar Thierry Lallemang sieht auch das Parlament in der Pflicht, die hiesigen Gesetze in Einklang mit den EuGH-Urteilen zu bringen. Die neuen Urteile führen zudem zu einer Rechtsunsicherheit: Luxemburger Richter sind angehalten, die europäische Rechtsprechung zu beachten, erklärt Thierry Lallemang. Vorratsdaten könnten damit als Beweis in einem Prozess anfechtbar werden.

Lösung auf EU-Ebene nicht in Sicht

Bereits 2014 kippte der EuGH die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Seitdem sind die Mitgliedsstaaten auf sich allein gestellt. Die Hoffnung des früheren Justizministers Felix Braz (Déi Gréng) auf eine gemeinsame Lösung erfüllte sich bisher nicht. „Die EU-Kommission hat in diesem Dossier versagt“, kritisierte Felix Braz im Sommer 2019.

Ob sich das ändert, ist unklar. Im April betonte der zuständige EU-Kommissar Thierry Breton, er wolle die Urteile des EuGH abwarten. 40 europäische Datenschutzorganisationen riefen die Europäische Kommission auf, der Vorratsdatenspeicherung endgültig ein Ende zu setzen. Die deutsche Ratspräsidentschaft versucht dagegen, eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe einzurichten, um das Thema zwischen den Mitgliedsstaaten zu besprechen.

Im Justizministerium ist man skeptisch: Es sei unklar, ob in nächster Zeit eine europäische Lösung formuliert werden kann. Damit wächst allerdings auch der Druck auf Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) in diesem Dossier klar Stellung zu beziehen.


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