Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Woche zurück. Dieses Mal: Luxemburgs Einsatz für erneuerbare Energien und nicht allzu produktive Gipfeltreffen.
Luxemburgs Regierung macht Druck auf Brüssel. Dem Energieminister Claude Turmes geht die EU-Strategie für eine CO2-arme Wirtschaft nicht weit genug. Turmes hat zusammen mit seinen Kollegen aus Österreich, Irland und Litauen einen Brief an den EU-Energiekommissar Miguel Cañete geschickt. Darin fordern sie, dass die EU ihre Strategie durch ein Szenario für 100 Prozent erneuerbare Energie ergänzt.
Turmes hatte die CO2-Strategie der Kommission bereits vor wenigen Wochen im Gespräch mit REPORTER scharf kritisiert. Bei den verschiedenen Berechnungen darüber, mit welchem Energiemix die EU bis 2050 CO2-neutral werden könnte, wurde insbesondere die Atomenergie zurückbehalten – ganz zur Freude der Atomlobby.
Turmes warf der Kommission mangelnde Transparenz vor und kritisierte, sie würde sich von der Atomlobby beeinflussen lassen. Das Problem: Die EU-Exekutive hat lediglich die Ergebnisse ihrer Berechnungen vorgestellt, nicht aber die Methodologie, mit der die verschiedenen Energiekombinationen vorgerechnet wurden.
In dem Brief an den EU-Energiekommissar fordern die Unterzeichner, dass das versäumte Szenario für erneuerbare Energien nachgereicht wird. „Wir müssen unseren Bürgern eine Perspektive – eine Inspiration – bieten, wie eine Gesellschaft aussieht, die auf erneuerbaren Energien aufbaut“, steht in dem Schreiben, das REPORTER vorliegt. Der Brief nimmt dabei indirekt Stellung zu den europaweiten Schülerstreiks. Im Schreiben ist die Rede von der „jungen Generation von Schülern und Studenten“, die besorgt sei, weil die Politik sich nicht genug für eine nachhaltige Zukunft einsetze.
Luxemburg hat seine Klima-und Energiepläne letzte Woche vorgestellt. Bis 2030 sollen 23 bis 25 Prozent des Energieverbrauches aus erneuerbaren Quellen stammen. 2017 betrug der Anteil lediglich 6,4 Prozent. Um die ambitiösen Ziele zu erreichen, wird Luxemburg weiterhin auf bilaterale Abkommen über statistische Energietransfers zurückgreifen müssen, wie sie bereits mit Litauen und Estland geschlossen wurden.
Fragwürdiges Gipfeltreffen
Dass es der EU in außenpolitischen Fragen nicht unbedingt um Menschenrechte geht, zeigte einmal mehr das Treffen zwischen der EU und der arabischen Liga vergangene Woche. Im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich diskutierten rund 40 Staatschefs über eine „neue Ära der Kooperation“. Wie genau diese aussehen soll, ist auch nach dem Treffen nicht ganz klar.
Doch es ging, wenig überraschend, um den Kampf gegen Terrorismus, eine Stabilisierung der Sicherheitslage im nahen- und mittleren Osten, die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, und um den Kampf gegen die Migration. Die Argumente sind nicht neu, werden sie doch immer wieder im Rahmen einer engeren Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten angeführt.
Bei vielen Mitgliedsstaaten der arabischen Liga – etwa Libyen, Marokko oder das Gastgeberland Ägypten– handelt es sich um Herkunfts-und Transitländer: Also um wichtige Partner beim Unterfangen der EU, Flüchtlinge und Migranten aus Europa fernzuhalten. Dass die EU bei solchen Partnerschaften in punkto Menschenrechte schon einmal beide Augen zudrückt, zeigt das Beispiel Libyens.
Ob Frauenrechte, Meinungs-und Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Folter oder Todesstrafe: Die Menschenrechtsbilanz vieler teilnehmender Staaten und zukünftiger Partner hat es in sich. Das war allerdings so wenig Thema des Gipfels, dass sich der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der Generalsekretär der arabischen Liga Mohammed Abul Ghait am Ende sogar darum stritten, ob überhaupt darüber geredet wurde: In diesem Fall ging es konkret um Repression und Unterdrückung von Regimekritikern in Ägypten.
Our first #EULASsummit is a good beginning. As close neighbours, confronted by many of the same challenges and a more dangerous, unstable geo-political context, we have no alternative but to work together. https://t.co/9z32rtgK3V
— Donald Tusk (@eucopresident) February 25, 2019
Menschenrechte diskutiert man lieber woanders
So wurde dann auch die „freie Meinungsäußerung“ aus den gemeinsamen Schlussfolgerungen des Gipfels gestrichen und durch den deutlich allgemeineren Begriff der internationalen Menschenrechte ersetzt. Lediglich Xavier Bettel konnte als Verfechter von LGTB-Rechten bei den Medien punkten.
Doch eine ernsthafte Diskussion über Menschenrechte und Konfliktlösung verlagerte man lieber auf andere Schauplätze: Etwa den Weltkongress gegen die Todesstrafe, auf dem die EU-Außenbeauftrafte Federica Mogherini Staaten weltweit zur Abschaffung der Todesstrafe aufrief.
„We have moved beyond the idea of an eye or an eye and we believe in justice, not in revenge“ @FedericaMog opens the 7th World Congress Against #DeathPenalty #AbolishDeathPenalty #Deathisnotjustice pic.twitter.com/eKkbmQ4eNC
— European External Action Service – EEAS 🇪🇺 (@eu_eeas) February 27, 2019
Oder die Geberkonferenz für das Bürgerkriegsland Jemen am Dienstag in Genf, auf der 2,5 Millionen Euro für die Notleidenden des Konfliktes mobilisiert wurden. Mit Ausnahme der iranischen Regierung waren übrigens fast alle in den Jemen-Krieg involvierten Parteien zum Gipfeltreffen nach Ägypten angereist. Doch wie Xavier Bettel es ausdrückte: Wer glaubt, nach 24 Stunden Diskussion könne Frieden herrschen, glaube wohl auch an den Weihnachtsmann.
Luxemburg hat Wachstumsschmerzen
In Brüssel wurden diese Woche die luxemburgischen Wachstumsschmerzen thematisiert. Dort wurde das Europäische Semester vorgestellt, also die jährliche Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Situation in den EU-Mitgliedsstaaten. Das Urteil zu Luxemburg ist wenig überraschend: Das Großherzogtum hat Probleme, das eigene Wirtschaftswachstum zu managen. Verkehrsprobleme, ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und an bezahlbaren Wohnungen sind die Folge.
Passend dazu hat das Luxemburger Statistikamt Statec am Freitag seinen demographischen Atlas vorgestellt. Daraus geht hervor, dass Luxemburg das größte Bevölkerungswachstum in Europa zu verzeichnen hat. So hat sich die Einwohnerzahl zwischen 1981 und 2018 fast verdoppelt: Von 364,597 auf 602,005 Einwohner.
Auch Luxemburgs Rentensystem findet im Semester-Bericht Erwähnung. Die Beiträge und das Renteneintrittsalter sollen erhöht werden, so der Lösungsvorschlag aus Brüssel.
„Züge eines Steuerparadises“
Der EU-Kommissar Pierre Moscovici war indes im Großherzogtum zu Besuch. Eines der Hauptthemen war die Steuerpolitik. Zwar lobte Moscovici, dass Luxemburg Fortschritte mache. Doch dem Wirtschaftskommissar gehen sie nicht weit genug. Er hat sich auf ein Neues für das Prinzip der Einstimmigkeit in EU-Steuerfragen stark gemacht– ein Prinzip, von dem Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna allerdings wenig hält.
Im Abschlussbericht des Sonderausschusses Finanzkriminalität, Steuerflucht und Steuervermeidung des Europäischen Parlaments (TAX3) kommt Luxemburg übrigens schlecht weg. Dort wird festgehalten, das Großherzogtum trage „Züge eines Steuerparadieses“ und betreibe in Teilen weiter eine aggressive Steuerpolitik.
Today we secured the strongest text ever adopted by the EP to fight tax evasion, money laundering and financial crimes, but we want more! Time for a minimum corporate tax ⇨https://t.co/QwKT7NuKTT #TaxJustice
📺 @JeppeKofod has more ⇩⇩⇩ pic.twitter.com/YyfCDFVkAs
— S&D Group (@TheProgressives) February 27, 2019
CSV für Fidesz-Ausschluss
Zum Abschluss ein kurzes Update zu den Europawahlen. In der Diskussion um die EVP-Mitgliedschaft von Victor Orbáns Partei macht die CSV nun Nägel mit Köpfen: In einem offenen Brief an den EVP-Chef Joseph Daul fordert sie zusammen mit den flämischen und wallonischen Christdemokraten CD&V und CDH den Ausschluss der Fidesz-Partei. Die EVP-Partei soll diese Woche über ihre Haltung zu Orbáns Partei beraten. Laut ihren Statuten braucht es die Unterstützung von sieben Mitgliedern aus fünf Ländern, um einen Vorschlag zum Ausschluss eines Mitglieds einzureichen. Dieser Soll ist inzwischen erreicht.
Die Spannungen um die Fidesz-Mitgliedschaft waren erneut hochgekocht, nachdem die Fidesz eine groß angelegte Kampagne gegen die Migrationspolitik der Juncker-Kommission gestartet hat.
Die LSAP hat derweil ihre Kandidaten für die Wahlen im Mai vorgestellt: Neben Marc Angel und Nicolas Schmit stehen Simone Asselborn-Bintz, Joanne Goebbels, Elisha Winckel und Lisa Kersch auf der Liste.