Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Woche zurück. Dieses Mal: Orbáns Anti-Juncker-Kampagne, Klimakämpfer in Brüssel und Tilly Metz auf Abwegen.
Auftakt zu den Europawahlen? Letzte Woche startete die ungarische Regierungspartei Fidesz eine Kampagne gegen die EU-Kommission: Auf den Plakaten sind Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der US-amerikanische Multimilliardär George Soros zu sehen. Orbáns Partei hat Soros schon seit längerem zum Feindbild erklärt, wolle er doch den Zerfall Ungarns herbeiführen. Dieser setzt sich derweil lautstark dafür ein, dass pro-europäische Parteien endlich aus ihrem Winterschlaf aufwachen und sich für die EU stark machen.
„Sie haben das Recht zu wissen, was in Ungarn vor sich geht“, steht auf den Fidesz-Postern. Natürlich geht es um die EU-Migrationspolitik. Die Juncker-Kommission fördere die illegale Migration und wolle Ungarn mit Migranten überschwemmen, so die Botschaft. Finanziert wurde die Anti-Juncker-Kampagne mit ungarischen Steuergeldern.
Brüssel holte prompt zum Gegenschlag aus. Gleiches Poster, anderer Text. Dort erinnert die EU-Kommission Orbáns Landsleute unter anderem daran, dass auch Ungarn Teil der EU ist und bei Verhandlungen mit am Tisch sitzt.
Ob und wie viele Menschen die Gegenkampagne zu erreichen vermag, ist jedoch unklar. „Gegen Lügen kann man eigentlich nichts machen“, bedauerte jedenfalls Jean-Claude Juncker bei einem Auftritt vor dem baden-württembergischen Landtag.
In response to Hungarian government campaign that beggars belief, @EU_Commission says Hungarians deserve FACT not FICTION. Shocking such a ludicrous conspiracy theory has reached the mainstream to the extent it has.#FakeNews #MigrationEU pic.twitter.com/oBB20V16OR
— Natasha Bertaud (@NatashaBertaud) February 19, 2019
EVP-Mitgliedschaft in Gefahr?
Ist Ungarns Premierminister Victor Orbán einen Schritt zu weit gegangen? Seit längerem stellen sich die Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP) die Frage, wie mit der Fidesz-Partei umzugehen ist. Viele Politiker, darunter der Spitzenkandidat der Europawahlen im Mai, Manfred Weber, haben lange gezögert, sich offen gegen Orbán und seine Partei zu stellen. Schließlich handelt es sich um mögliche Alliierte auf dem Weg zur Kommissionspräsidentschaft. Die Fidesz stellt im EU-Parlament elf Abgeordnete.
Nun aber stehen die EVP-Parteien unter Zugzwang. Und auch Weber konnte den Schlag gegen den Noch-Präsidenten nicht einfach ignorieren. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ distanzierte sich der CSU-Politiker zumindest im Ansatz vom ungarischen Regierungschef.
Auch die CSV, die ebenfalls Mitglied der EVP-Familie ist, beschäftigt das Fidesz-Problem schon länger. Vor den Nationalwahlen war man sich innerhalb der Partei allerdings noch nicht einig, wie mit dem Orbáns Partei umzugehen sei.
„Keine Schnittmengen“
Der neue CSV-Parteipräsident Frank Engel steht hingegen klar für einen Fidesz-Austritt aus der EVP ein. Fidesz müsse aus der EVP, „und zwar gleich“, sagte Engel noch am Donnerstag der „Welt“. Auch sein Kollege Christophe Hansen sprach sich bei „Radio 100,7“ für einen Ausschluss aus.
Während die Fidesz-Partei beim EVP-Kongress im November von den meisten Familienmitgliedern noch Rückendeckung bekam, würden inzwischen immer mehr Parteien der Fidesz den Rücken zukehren, betonte Hansen. Die schwedischen Moderaten sowie die schwedischen Christdemokraten haben inzwischen einen Antrag auf Ausschluss der ungarischen Regierungspartei gestellt, meldet die österreichische Presseagentur APA. Die kroatische Bauernpartei ist derweil aus der EVP ausgetreten.
Victor Orbáns Platz sei nicht in der Europäischen Volkspartei, sagt seinerseits Jean-Claude Juncker. Er fand im Landtag Baden-Württembergs klare Worte: „Ich finde, dass die Konservativen in Ungarn die christdemokratischen Werte in keinerlei Weise vertreten. Es gibt zwischen Herrn Orbán und mir überhaupt keine Schnittmengen“, lamentierte der Kommissionspräsident.
So klar wollte es der EVP-Präsident Joseph Daul aber nicht ausdrücken. Ungarn müsse endlich verstehen, dass es ein Teil der EU sei, anstatt diese als Feindbild darzustellen, äußerte sich Daul eher diplomatisch.
I’d like to remind PM #Orbán that decisions in #Brussels, including on #migration, are taken collectively by EU governments & @Europarl_EN, both of which include Hungarian representatives. Instead of casting Brussels as a ghost enemy, Hungary must realise it is a part of it. 3/3
— Joseph Daul (@JosephDaul) February 19, 2019
Greta in Brüssel
Ein ganz anderes Zeichen setzte am Donnerstag eine gewisse Greta Thunberg. Seit Wochen demonstrieren Brüsseler Schüler und Studenten regelmäßig gegen den Klimawandel. Dieses Mal erhielten die rund 8.000 Protestanten Unterstützung von der schwedischen Klimaaktivistin.
Die erst 16-jährige Thunberg hatte die europaweite Bewegung „Fridays for Future“ angestoßen, bei denen Jugendliche, anstatt die Schulbank zu drücken, einmal wöchentlich auf Europas Straßen zu mehr Engagement in Sachen Klimaschutz aufrufen.

In Brüssel traf die 16-Jährige auch auf Jean-Claude Juncker. Thunberg forderte von der EU mehr Ehrgeiz im Kampf gegen den Klimawandel. Statt die Treibhausgase bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren, wie es sich die EU zum Ziel gesetzt hatte, solle sie diese Anstrengungen verdoppeln. Das Ziel müsse 80 Prozent lauten, forderte Thunberg.
Jean-Claude Juncker ließ sich scheinbar weniger von der kleinen Schwedin beeindrucken, als die Presse, die die Aktivistin wie ein Bienenschwarm auf Schritt und Tritt begleitete. Europa habe auch noch andere Probleme, um die es sich zu kümmern gelte, konterte der EU-Chef. Juncker beteuerte, man mache bereits sehr viel für den Klimaschutz – und führte etwa das EU-Bienenschutzprogramm als Beispiel an.
Protestaktion grüner Abgeordneter
Auch Europaabgeordnete Tilly Metz sorgte zusammen mit den Abgeordneten der grünen Fraktion, Molly Scott Cato und Michèle Ravasi, mit einer Protestaktion für Aufsehen. Die drei waren zusammen mit weiteren Aktivisten in den Militärflugplatz Kleine Brogel, nahe der holländischen Grenze, eingedrungen. Dort haben sie die Landebahn blockiert.
Wieso? Auf dem Gelände lagern US-amerikanische Atombomben. Die Abgeordneten wollten ein Zeichen setzen: Für ein Europa, frei von Nuklearwaffen; und dafür, dass alle 28 EU Staaten den UN-Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren. Rund 150 US-Atomwaffen aus der Zeit des Kalten Krieges sollen sich noch heute in Europa befinden. Offizielle Zahlen dazu gibt es allerdings keine.
Die grünen Politikerinnen wurden bei ihrer Aktion prompt festgenommen und mussten mehrere Stunden in Untersuchungshaft ausharren.
Metzs Kollege im Parlament, Christophe Hansen, jedenfalls kritisierte die Aktion scharf. Auch der grüne Verteidigungsminister François Bausch war nicht begeistert, wie das Tageblatt berichtete. Nur „déi Lénk“ zeigten sich erfreut. Sie wünschten sich, „Free Tilly“ solle ihre Kräfte doch in Luxemburg einsetzen, um gegen die hiesige Aufrüstungspolitik zu demonstrieren.
Eis Europadeputéierten Tilly Metz, @MollyMEP & @MicheleRivasi hunn de Moien d’Startbunn vum belsche Militärstëtzpunkt #KleineBrogel besat, fir en Zeechen ze setze fir d’nuklear Ofrëschtung an Europa. Se si vun der belscher Police festgeholl ginn an am Moment am Garde-à-vue. pic.twitter.com/O4Up5WvdLS
— Meris Sehovic (@MerisSehovic) February 20, 2019
Free Tilly – komm op Lëtzebuerg fir den @fbausch ze blockéieren bis Lëtzebuerg den ICAN @nuclearban matt ennerschreiwt an ophällt nëmmen op d’NATO ze lauschteren an fleisseg opzerüsten #nonukes #nonuclearweapons #antimilitarisierung #peace not #war https://t.co/EYUMkZtzKq
— Gary Diderich (déi Lénk) (@garydiderich) February 20, 2019