Kurz vor den Nationalwahlen bringt die CSV den Ausschluss von Viktor Orbans Fidesz-Partei aus der europäischen Volkspartei ins Gespräch. Doch nicht alle europäischen Christdemokraten ziehen an einem Strang. Wenn sie nicht mehr mit Orban in einem Boot sitzen will, muss die CSV möglicherweise selbst aus der EVP austreten.

Viktor Orban ist in Luxemburg kein gern gesehener Wahlkampfhelfer. Als die CSV vor einem Monat das Kapitel „Europapolitik“ ihres Wahlprogramms vorstellte, machte Parteipräsident Marc Spautz keinen Hehl aus seiner Ablehnung des umstrittenen ungarischen Premierministers: „Wir haben Probleme mit Herrn Orban. Deshalb sammeln wir nun bei unseren europäischen Schwesterparteien Unterschriften, um Orbans Art Politik zu betreiben in Frage zu stellen.“

Orbans Politik wird vor allem für westeuropäische Christdemokraten zunehmend zum Problem. Die kompromisslose ungarische Flüchtlingspolitik und Orbans fragwürdiger Umgang mit rechtsstaatlichen Prinzipien werden nämlich regelmäßig scharf kritisiert. Auch von Politikern aus christdemokratischen Parteien wie der CSV. Dabei bilden die Abgeordneten dieser Parteien im Europaparlament eine gemeinsame Fraktion mit der national-konservativen Fidesz-Partei des ungarischen Premiers – die europäische Volkspartei, kurz EVP.

Die Europaabgeordneten der CSV bemängeln diese Situation schon seit Jahren. So mahnte Viviane Reding vor drei Jahren in einem Meinungsbeitrag für „Die Welt“, es sei an der Zeit „die Mitgliedschaft von Viktor Orbáns Fidesz-Partei in der EVP infrage zu stellen.“ Kurz vor den Nationalwahlen im Oktober, macht die CSV die EVP-Mitgliedschaft von Fidesz nun erneut zum Thema.

Skeptische Schwergewichte

„Ziel unserer Initiative ist es beim EVP-Kongress im November eine Diskussion über die allgemeine Ausrichtung der EVP zu führen“, so CSV-Generalsekretär Laurent Zeimet auf Nachfrage. Um eine solche Grundsatz-Debatte auf die Tagesordung zu bringen, muss das Vorhaben von sieben EVP-Parteien aus mindestens fünf Ländern unterstützt werden. So schreiben die EVP-Statuten es vor.

Die EVP ist genau die breit aufgestellte Volkspartei, die Europa im Moment dringend nötig hat. Da gehört eine Partei, wie die Fidesz, mit dazu.“Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament

„Einige Parteien haben uns bereits ihre Unterstützung zugesichert“, so Zeimet. Um welche EVP-Mitglieder es sich dabei handelt, will der CSV-Generalsekretär nicht verraten. Zeimet gibt aber zu Bedenken, es sei schwieriger, Parteien aus größeren EU-Staaten für das Vorhaben zu gewinnen: „Es reicht leider nicht sieben Parteien zusammen zu bekommen. Wenn wir etwas erreichen wollen, dann kommt es auf die Unterstützung von Parteien an, die ein gewisses Gewicht innerhalb der EVP haben. Denn die CSV ist im europäischen Vergleich kein Schwergewicht.“

Doch ausgerechnet das größte Schwergewicht zeigt sich skeptisch. Die deutsche CDU/CSU-Gruppe, die die meisten EVP-Abgeordneten stellt, will das Anliegen der CSV nicht mittragen. „Die EVP ist genau die breit aufgestellte Volkspartei, die Europa im Moment dringend nötig hat. Da gehört eine Partei, wie die Fidesz, mit dazu“, sagt Daniel Caspary im Gespräch mit REPORTER. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament betont eine Volkspartei müsse Differenzen aushalten: „Ich habe ja auch nicht immer gleich abgestimmt, wie Viviane Reding und Frank Engel.“

Der nachsichtige Spitzenkandidat

Manfred Weber würde dieser Einschätzung wohl nicht widersprechen. Der CSU-Politiker will im Mai 2019 als Spitzenkandidat der EVP ins Rennen gehen. Seine Kandidatur wird von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel unterstützt, obwohl Weber immer wieder Nachsicht gegenüber Orbans Fidesz-Partei durchblicken ließ.

Sonst stellt sich für uns irgendwann die Frage, ob es noch Sinn macht mit der EVP in die Europawahlen zu gehen.“Laurent Zeimet, CSV-Generalsekretär

Laurent Zeimet will sich aktuell nicht zur Manfred Webers Kandidatur äußern. „Wir beziehen dazu erst Position, wenn bekannt ist, wer alles für die Spitzenkandidatur der EVP zur Verfügung steht“, sagt der CSV-Generalsekretär. Neben Manfred Weber sind auch der Franzose Michel Barnier und der Finne Alexander Stubb als mögliche Spitzenkandidaten im Gespräch. Beide gelten in Brüssel als Orban-Kritiker.

Zeimet erwartet sich vom zukünftigen EVP-Kandidaten eine Absage an Viktor Orbans aktuelle Politik. Geschieht dies nicht, dann ist als letzte Konsequenz sogar ein EVP-Austritt der CSV denkbar. „Wenn die EVP sich weiter in eine Richtung bewegt, mit der wir uns nicht identifizieren können, müssen wir uns fragen, ob es noch Sinn macht mit dieser Partei in die Europawahlen zu gehen,“ so Laurent Zeimet. Wann dieser Punkt erreicht wäre, lässt der CSV-Generalsekretär zur Zeit aber offen. Ein Paukenschlag wäre es durchaus, immerhin würde die Partei des aktuellen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker der EVP den Rücken kehren.

Doch soweit ist es noch nicht. Zur Zeit wächst der öffentliche Druck auf den ungarischen Premier, denn am Mittwoch stimmt das Europaparlament über ein mögliches Strafverfahren gegen Ungarn ab. Auch Manfred Weber fordert im Vorfeld „Kompromissbereitschaft“ von Viktor Orban. Die Schmerzensgrenze ist für die CDU/CSU aber noch nicht erreicht. Gruppenchef Daniel Caspary sagt: „Für mich ist die Fidesz-Partei als EVP-Mitglied tragbar, solange Ungarn nicht dauerhaft ein Urteil des europäischen Gerichtshofs bricht“.