Die CSV wollte den Kongress der europäischen Volkspartei nutzen, um ein Zeichen gegen Viktor Orban zu setzen. Doch das Vorhaben bekam in der EVP nicht die nötige Unterstützung.

Zwei Monate vor den Parlamentswahlen war der CSV-Präsident um deutliche Worte bemüht. „Wir haben Probleme mit Herrn Orban“, so Marc Spautz, als er Mitte August das Kapitel „Europapolitik“ des CSV-Wahlprogramms vorstellte. Spautz kündigte damals an, seine Partei wolle „Orbans Art Politik zu betreiben“ beim nächsten Kongress der europäischen Volkspartei (EVP) in Frage stellen.

Die CSV werbe deshalb um Unterstützung bei ihren europäischen Schwesterparteien. Im Europaparlament bilden die CSV-Abgeordneten nämlich weiter eine gemeinsame Fraktion mit den Vertretern von Orbans Fidesz-Partei – trotz aller Kritik an der kompromisslosen ungarischen Migrationspolitik und Orbans fragwürdigem Umgang mit rechtsstaatlichen Prinzipien.

Am Mittwoch beginnt der besagte EVP-Kongress in Helsinki. Doch Marc Spautz hält sich mit öffentlichen Aussagen über das im August angekündigte Vorhaben mittlerweile zurück. Der CSV-Präsident ließ mehrere telefonische Anfragen zum Thema bis zum Erscheinen dieses Artikels unbeantwortet. Gespräche mit anderen christlich-sozialen Mandatsträgern zeigen jedoch: Das Vorhaben der Partei, beim EVP-Kongress eine Debatte über die Politik des umstrittenen ungarischen Premiers anzustoßen, ist gescheitert.

Wenig Unterstützung für CSV-Vorstoß

„Große EVP-Mitglieder, wie die deutsche CDU/CSU, tun sich nach wie vor sehr schwer, wenn es darum geht, parteiintern gegen Viktor Orban vorzugehen“, erklärt Christophe Origer. Der 25-Jährige vertritt die CSV im Vorstand der EVP. Vor dem Kongress in Helsinki seien nur einige kleinere Schwesterparteien bereit gewesen, sich ebenfalls für eine Debatte über Orbans Politik einzusetzen.

„Mein Eindruck war, dass außer den holländischen und belgischen Christdemokraten fast niemand bereit war, mit auf diesen Weg zu gehen“, so Origer. Den EVP-Statuten zufolge müssen aber mindestens sieben Parteien aus fünf verschiedenen EU-Ländern ein Vorhaben unterstützen, damit es auf die Kongressordnung gesetzt wird. Dieses Kontingent wurde offenbar nicht erreicht.

Der CSV-Europaabgeordnete Frank Engel spricht in diesem Kontext von einer bewussten Entscheidung seiner Partei. „Nach Absprache mit einigen europäischen Kollegen haben wir entschieden, dass es im Moment wichtigeres zu besprechen gibt als Viktor Orban“, so Engel. „Orban stand in den vergangenen Monaten schon viel zu oft im Mittelpunkt. Wir wollten verhindern, dass er nun auch den EVP-Kongress dominiert.“ Der CSV-Politiker hofft deswegen, dass der ungarische Regierungschef erst gar nicht nach Helsinki reist.

Wahl des Spitzenkandidaten der EVP

Doch Viktor Orban wird beim EVP-Kongress eine nicht unbedeutende Nebenrolle einnehmen, selbst wenn er nicht am Kongress teilnehmen sollte. Denn das Treffen in der finnischen Hauptstadt gilt als richtungsweisend für die EVP: Am Donnerstag werden 758 EVP-Delegierte aus ganz Europa darüber abstimmen, mit welchem Spitzenkandidaten ihre Partei im Mai 2019 in die Europawahlen geht. Dem Kandidaten werden wiederum gute Chancen eingeräumt, dem Luxemburger Jean-Claude Juncker im Amt des Kommissionspräsidenten nachzufolgen.

Einige von uns wünschen sich, dass wir geschlossen für Alexander Stubb abstimmen, um ein Signal gegen Viktor Orban zu setzen“Christophe Origer, Vertreter der CSV im EVP-Vorstand

Dabei geht es auch darum, wie die EVP in Zukunft mit Viktor Orbans rechtsnationaler Fidesz-Partei umgeht. Die Delegierten haben in Helsinki die Wahl zwischen dem CSU-Politiker Manfred Weber und dem ehemaligen finnischen Premier Alexander Stubb. Zwei Kandidaten, die sich in ihrer Haltung gegenüber Viktor Orban durchaus unterscheiden.

Weber kritisierte den ungarischen Premier in den vergangenen Wochen zwar mehrmals öffentlich, er ist aber weiter darum bemüht Orbans Partei in der EVP zu halten. Stubb dagegen, wird dem liberalen Flügel der Partei zugerechnet. Als solcher drohte er Orban zuletzt mit einem Ausschluss aus der EVP. Bislang gilt Weber jedoch als klarer Favorit.

Keine einheitliche CSV-Position

Auch 11 CSV-Mitglieder werden am Donnerstag eine Stimme für einen der beiden Kandidaten abgeben. Eine einheitliche Linie haben die Luxemburger Christsozialen zwei Tage vor der Abstimmung nicht. „Wir haben uns noch nicht festgelegt“, erklärt Claude Wiseler im Gespräch mit REPORTER. Die CSV-Delegation wolle sich am Rande des Kongresses nochmals mit beiden Kandidaten austauschen.

Ich werde für Manfred Weber abstimmen, weil wir seit Jahren gut mit den deutschen Christdemokraten zusammenarbeiten“Frank Engel, CSV-Europaabgeordneter

Neben dem ehemaligen nationalen Spitzenkandidaten Claude Wiseler, sind zehn weitere CSV-Mitglieder stimmberechtigt, darunter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Parteipräsident Marc Spautz sowie die Europaabgeordneten Frank Engel, Georges Bach und Christophe Hansen. Die weiteren von der Partei zu Delegierten ernannten Politiker sind der frühere Premier Jacques Santer, die ehemalige EU-Parlamentarierin Astrid Lulling, Ex-Finanzminister Luc Frieden sowie Christophe Origer und die Bürgermeisterin von Fels, Nathalie Silva.

„Einige von uns wünschen sich, dass wir geschlossen für Alexander Stubb abstimmen, um ein Signal gegen Viktor Orban zu setzen“, so Christophe Origer, der sich in den vergangenen Tagen auch in den sozialen Medien zu Stubb bekannte. „Doch die Positionen gehen auseinander, wenn es darum geht, sich auf einen Kandidaten zu einigen.“

Frank Engel unterstreicht derweil, dass die CSV-Delegierten frei entscheiden könnten, für welchen Kandidaten sie in Helsinki abstimmen. „Ich werde persönlich für Manfred Weber stimmen, weil wir seit Jahren gut mit den deutschen Christdemokraten zusammenarbeiten“, so Engel. Dass der CSU-Kandidat sich bislang dafür einsetzt, Orbans Partei in der EVP zu halten, sei nicht ausschlaggebend: „Ich kann ja für einen Kandidaten stimmen, ohne dass ich in allen Bereichen zu hundert Prozent mit seinen Positionen einverstanden bin.“

Als CSV-Europaabgeordneter hat Frank Engel die EVP-Mitgliedschaft von Orbans Fidesz-Partei in den vergangenen Jahren mehrmals öffentlich in Frage gestellt. Seine Position zu Orbans Politik sei unverändert, betont er im Gespräch mit REPORTER: „Für mich ist klar: Ich werde mich nach den Europawahlen nicht noch ein Mal mit Orbans Fidesz-Partei auf die gleiche Fraktionsbank setzen.“ Dann relativiert er: „Es sei denn, die sind bis dahin wieder zu Verstand gekommen. Man weiß ja nie.“ Was er genau damit meint, lässt Frank Engel offen.