Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: virale Außenpolitik, ein bescheidener Michel Wolter und ein genehmigter Streik.
Diese Woche geht es um Männer. Um wichtige Männer, die wichtige Entscheidungen treffen – ja, selbst Weltpolitik machen. Leider sind es ja vor allem noch immer Männer. Außer Angela Merkel natürlich, „the leader of the free world“. Aber Merkel musste sich diese Woche mit Karneval beschäftigen. Für die Ostdeutsche, auch nach über 13 Jahren im Amt, ein wahrer Kulturschock.
Mir geht’s genauso. #Karneval #Alaaf pic.twitter.com/Ajvcl7g9Bi
— Daniel Mack (@danielmack) February 28, 2019
Virale Außenpolitik
Die miese Laune könnte auch daher kommen, dass gleich zwei Luxemburger ihr auf der großen Weltbühne die Show gestohlen haben. Die Rede ist natürlich von Jean-Claude Juncker und Xavier Bettel. Sie beide haben es den arabischen Autokraten beim Gipfeltreffen und der Arabischen Liga so richtig gezeigt.
Bei der großen Abschlusspressekonferenz klingelte das Handy des EU-Kommissionspräsidenten. Er nimmt ab, sagt „ech sinn op der Pressekonferenz“ und legt auf. „The usual suspect“, erklärt er vor den verdutzten Staatschefs und meint seine Frau. Klar, dass kennen auch Autokraten, wenn die Frau mal wieder locker lässt.
Zahlreiche Medien griffen die Szene auf – warum auch immer. Doch Xavier Bettel kann ebenfalls viral: Er übertrumpfte Juncker und erzählte dem ZDF-Korrespondenten Stefan Leifert, wie er vor den versammelten 50 Königen, Scheichs und Regierungschefs von seiner Ehe mit Gauthier gesprochen habe. Und dass allein dieser Fakt ihn in manchen arabischen Ländern ins Gefängnis bringen würde. Eisiges Schweigen sei die Folge gewesen, sagte Bettel. Journalisten waren bei der Runde nicht anwesend.
„Nichts sagen war für mich keine Option“, twitterte der Premier später. Nun berichten „Guardian“, AFP auf Arabisch, „Spiegel“, „FAZ“ und viele weitere. Klar, was bringt eine gute außenpolitische Tat, wenn niemand darüber spricht? „Nation Branding“ ist total out, virale Außenpolitik ist in. Seit „Merde alors“ ist das ein klares Erfolgsrezept, wie wir finden. Ob sich die realpolitische Lage dadurch ändert, ist dabei total zweitrangig.
Michel Wolter, ein ganz Bescheidener
Von einer völlig ungewohnten Seite zeigte sich CSV-Politiker Michel Wolter im Gespräch mit dem „Tageblatt“. Wie man sich als „Königsmacher“ des neuen Parteipräsidenten Frank Engel fühle, so die Frage. Das sei „Legendenbildung“. Denn „über 550 Leute haben beim Kongress abgestimmt, und ich soll die alle beeinflusst haben?“
Das ist überaus bescheiden, deckt sich allerdings nicht wirklich mit Wolters Verhalten innerhalb der Partei. Da trat er gewohnt selbstbewusst auf. Niemand hat denn auch behauptet, dass Wolter „alle“ Delegierte im Alleingang beeinflusst habe. Frank Engel gewann schließlich mit lediglich 42 Stimmen Vorsprung.
Streiken ja, aber nur mit Erlaubnis
Mit Demos haben es die Luxemburger ja bekanntlich nicht so. Die aktivsten Protestler sind noch die Schüler und Studenten. Doch diesmal geht es nicht um Irak-Krieg, bizarre Schulreformen oder gekürzte Studienbeihilfen. Nein, die Schüler wollen am 15. März für Klimaschutz streiken – ganz nach dem Vorbild der schwedischen Schülerin Greta Thunberg. Und das ist aus Sicht der Regierung – für einmal – total nützlich.
Die „Klimaqueen“ Carole Dieschbourg schwärmte am Mittwoch von der charismatischen Greta, die sich so toll fürs Klima engagiere. Und Carole hat gerade einen Klimaplan vorgestellt, der endlich aus Luxemburg, der Klimasünder-Nation ein vorbildliches Land mit Teslas, tollen Windkraftanlagen und supergedämmten Villenvierteln machen soll. Da wären ein paar Schüler ganz willkommen, die wie Greta auf Flugreisen und Fleisch verzichten sowie den Eltern Energiesparlampen andrehen. Dann könnte man vielleicht sogar noch den Tanktourismus retten.
Ganz staatstragend erlaubt deshalb Bildungsminister Claude Meisch den Schülern am 15. März zu streiken – allerdings nur mit einer Erlaubnis der Eltern und erst ab 10 Uhr. Es soll schließlich alles seine Ordnung haben bei einem politisch so wünschenswerten, äh, noblen Protest. Der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar sieht das dagegen als Schulschwänzen. Man könne doch auch samstags streiken!
Offen bleibt aber, ob die Schüler nicht auch ohne die wohlwollende Genehmigung des Ministers gestreikt hätten. Denn ihr Vorbild Greta ist auf ihre Art subversiv: „Was werde ich in der Schule lernen? Fakten spielen keine Rolle mehr, Politiker hören nicht auf Wissenschaftler. Warum sollte ich dann was lernen?“