Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Jedes Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Ein kleines Licht am Ende des Lockdown-Tunnels.
Das ganze Land hat auf diese Ansage gewartet: Luxemburg hat jetzt auch ganz offiziell eine Exit-Strategie. Aber, wie Premier und Gesundheitsministerin am Mittwoch mehrfach betonten, man sollte sich noch nicht zu früh freuen. Denn der Plan soll schrittweise verlaufen und ist ohnehin provisorisch. Vielleicht gehts auch schneller, vielleicht aber auch langsamer als angekündigt. Mal sehen. Et kütt wie et kütt, so die Botschaft.
Der erste Schritt kommt aber schon am Montag: Endlich gehen die Baumärkte wieder auf! Wie wir alle wissen, war dieser Verzicht das größte Drama während des Ausnahmezustands. Die Regierung hat nun ein Einsehen und öffnet die Tore zu Hornbach, Batiself und Co.. Seit dieser Ankündigung hat sich das allabendliche Klatschen für das Pflegepersonal denn auch schon in ein kollektives „Yippiejaja yippie yippie yeah“ verwandelt.
„Wie viel Wahnsinn steckt in dir?“
Apropos Hornbach-Werbung. Die Slogans des Betreibers von Bau- und Gartenmärkten der vergangenen Jahre lesen sich wie eine Geschichte des Corona-Lockdowns. Beispiele gefällig? „Es gibt immer was zu tun.“ „Es ist in dir. Lass es raus.“ „Liebe Dein Zuhause. Dann liebt es Dich auch.“ „Wie viel Wahnsinn steckt in dir?“ …
Kein Wunder also, dass die Regierung hier zuerst handelt. Wer braucht denn schon eine „Crèche“ oder eine Schule für die kleinen quarantänisierten Racker, wenn man ab Montag endlich wieder latent notwendiges Bastel-, Bau- und Gartenmaterial einkaufen kann? Mit dem systemrelevanten Heimwerken als ultimative Beschäftigungstherapie wird das „Bleif doheem“ in den kommenden Wochen doch definitiv erträglicher.
Datenschutz und andere Prioritäten
Mit ein wenig Glück, kann die Regierung dann auch schon bald in Echtzeit zusehen, was man so alles in den Märkten einkauft. Und uns warnen, ob in der Schlange vor der Kasse eventuell ein Virus-Infizierter vor uns steht. Per Tracing-App könnte dieser feuchte Traum aller Geheimdienste und sonstiger Überwachungsfreaks schon bald Wirklichkeit werden. Natürlich nur, um die aktuelle Pandemie zu bewältigen. Die Technologie, die gerade von etlichen spezialisierten Firmen entwickelt wird, soll natürlich nicht für andere Zwecke missbraucht werden, heißt es. Großes NSA-Ehrenwort!
In Luxemburg werden es die Corona-App-Entwickler jedoch ohnehin schwer haben. Premier Xavier Bettel erteilte den Tracing-Apps vor Wochen schon eine klare Absage. Diese Woche hörte sich das zwar schon anders an. Eventuell, also wenn die EU es unbedingt will und hinkriegt, könnte sich auch das Großherzogtum an der digitalen Überwachung von Infizierten beteiligen.
Dabei haben sich die Prioritäten bereits leicht verschoben. Das Coronavirus überschattet seit mehr als einem Monat jegliche andere Themen und Sorgen. Menschenleben retten, lautet die Devise. Doch laut Xavier Bettel hat nun doch der Datenschutz „absolute Priorität“. Also, nur solange die EU sich nicht einig ist. Und auch nur bei dieser ganz bestimmten neuen App. Bei der Vorratsdatenspeicherung, also der potenziellen Überwachung jeglicher Telefon- und Internetkommunikation, drückt die Regierung bis heute ein bis zwei Datenschutz-Augen zu.
Breite Schultern braucht das Land
Dabei geht der einseitige Lobgesang auf das Krisenmanagement der Regierung mittlerweile nicht nur der Opposition und anderen überkritischen Geistern auf die Nerven. Nein, auch für einen der Vizepremiers der Regierung selbst ist die ganze politische Harmonie geradezu unerträglich.
Die Rede ist von Dan Kersch. Der frühere Gemeindebeamte wurde nach dem Abgang von Etienne Schneider urplötzlich Vize-Regierungschef. Doch auch in dieser Rolle kann sich der ideologische Wadenbeißer der LSAP nicht ganz zurückhalten. Etwas herumpöbeln muss schon sein. Selbst wenn dafür eigentlich gar kein Anlass besteht und seine blau-rot-grünen Freunde darunter leiden könnten.
Die von ihm gestartete Polemik um die Selbstständigen des Landes, die anscheinend allesamt unendlich „breite Schultern“ haben, machte mittlerweile die Runde, besonders in den sozialen Medien. Der Hashtag „BreedSchëlleren“ setzte sich als augenzwinkerndes Proteststatement durch. Und auch der Ober-Liberale Xavier Bettel posierte bereits demonstrativ und in stiller Solidarität mit den von Kersch gekränkten „Indépendants“ …

Wenn Minister privat unterwegs sind
Sei es aus Einsicht oder wegen einem Machtwort des Premiers: Dan Kersch ist mittlerweile zurückgerudert. War ja alles nicht so gemeint. Sein Facebook-Post sei zudem „privat“ gewesen, erklärte der Vizepremier mit der Viertelmillion Jahresgehalt mehrmals auf Nachfrage von Journalisten.
Und es stimmt: Bei ihrer Vereidigung durch den Großherzog schwören die Minister zwar Treue auf die Verfassung, absolute Integrität und Unparteilichkeit. Doch das gilt natürlich nicht für Facebook, wo man bekanntlich rein „privat“ unterwegs ist und nach wie vor die Sau rauslassen kann. Dort darf man auch als Vize-Regierungschef des Landes weiterhin poltern, provozieren und sich wie ein Tölpel benehmen. Alles rein „privat“ versteht sich.
Diese Ausnahmeregelung gilt übrigens nicht nur für intellektuell schwer verträgliche Proleten-Posts. Nein, auch Werbung für seine eigene Firma schalten, fällt darunter, wie es die einzige, unfassbar reiche und Ferrari fahrende Selbstständige in der Regierung, Corinne Cahen, weiß. Die informelle Erlaubnis, in den sozialen Medien die Ministertugenden fallen zu lassen, ist regierungsintern denn auch schon länger als „Cahen-Klausel“ bekannt. Dass sich Kersch bei seinen regelmäßigen Ausflügen in die Niederungen der sozialmedialen Debatten darauf beruft, ist also absolut verständlich.
Die Breite-Schultern-Rhetorik war aber auch schon vor dieser Regierung in Mode. So philosophierte der damalige, junge, unverbrauchte Oppositionspolitiker Xavier Bettel schon 2012 über „breite“, „schmale“ und „normale“ Schultern. (!!) Und auch das mit dem „krummen Rücken“ wird sich eventuell bei dieser Regierung bewahrheiten, vielleicht schon am Montag nach dem ersten Gang zum Baumarkt …

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