Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Jedes Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Ja, was denn wohl?! Teil 3.
Bedeutungsschwangerer Blick in die Kamera, allen ein großes Dankeschön sagen, doofe Frage der Journalisten gezielt nicht beantworten: Die Minister üben sich gerade in der hohen Kunst der live gestreamten Politik-Darbietung. Wer dachte, Netflix und Youporn würden die Netze in die Knie zwingen, täuscht sich. Ganz Luxemburg schaut Pressekonferenz. Und jeder Minister darf mal ran, sogar Lex Delles.
Es ist aber auch eine schwere Zeit für Minister. Ok, es gibt da so ein Virus. Aber viel schlimmer: Es gibt einen neuen Publikumsliebling. Der Hype um Paulette Lenert ist für die früheren Minister der Herzen Xavier Bettel und Jean Asselborn sehr schwer zu ertragen. Unser Mitgefühl an dieser Stelle. Selbst Lenert-Mentor Dan Kersch muss sich bemühen, noch einen Platz auf der Bühne des Krisenmanagements zu finden. Aber ein bisschen Poltern gegen das Patronat geht immer.
Dabei sind die Krisenmanager allesamt auch viel im Land unterwegs, um sich zu vergewissern, dass alles rund läuft. Dass da dann auch immer Fotografen dabei sind und die Minister wie in einem guten Krisen-Hollywood-Streifen in Szene setzen, ist natürlich reiner Zufall …
Männer bleiben voll wichtig
Bei all der Konkurrenz ist der Außenminister offenbar so bemüht, wichtige Nachrichten zu verbreiten, dass er es gleich vergeigt. Fünf Millionen Masken hat „de Jang“, quasi höchst persönlich, aus China besorgt, konnte man letzte Woche lernen. War aber dann doch nur „Schrott“, wie Wonder Woman Paulette Lenert dann klarstellen musste. „Er hat ein Bestellformular gesehen und das vielleicht für bare Münze genommen“, erklärte sie dem „Tageblatt“. Autsch! Snap! Asselborn sechs, setzen!
Man könnte fast meinen: Die Ministerin macht die Arbeit und die Männer die Fehler, oder stehen nur rum. Es ist in der Regierung quasi wie zuhause: Mutti macht alles: die Kleinen bespaßen, unter sanitärem Risiko einkaufen, putzen, kochen usw. Die Männer müssen dagegen zu ihrem ultrawichtigen Job – und sei es nur das improvisierte Büro im eigenen Haus.
„Paulette nationale“ (dixit „Tageblatt“) ist aber nicht nur überaus schlagfertig, kompetent und beruhigt mit ihren Worten eine ganze Nation. Nein, sie treibt auch nebenbei den Journalisten die lästige Distanz von den Mächtigen aus. Wir geben aber zu: So ein herzliches „Chapeau“, „Hut ab“ und „Courage“ von der Präsidentin des Presserats war einfach mal überfällig …

„De Virus kennt kee Rating“
Am Mittwoch erklärten zudem gleich vier Minister, dass die Regierung jetzt knapp neun Milliarden Euro für die Wirtschaft ausgibt. Aber Xavier war schneller: Er verkündete die gute Nachricht als erster! Seine Minister konnten zwei Stunden später nur das erzählen, was alle schon wussten. Aber live gestreamt – immerhin!
Die Minister versuchen dabei immer wieder, die schwer strapazierte Bürgerseele zu streicheln: „Mir hu genuch Energie“, sagt Energieminister Claude Turmes (ob er das mal in den Homeoffices der Nation nachgeprüft hat?). „De Virus kennt kee Rating“, betont Finanzminister und „Triple A“-Guru Pierre Gramegna.
Das Tolle dabei: Niemand widerspricht. Die Leitmedien jubeln zu, die Chamber muss sich mit Videokonferenzen herumschlagen und die CSV traut sich nicht mal mehr, irgendwelche Kritik zu äußern. Ganz brav machen sie das mit dem „Social distancing“ und posieren bereits wie eine neue Indie-Band für das neue Album-Cover. Trotzdem wollen sie, dass die Minister noch weiter physisch ins Parlament kommen – „staring contest“ und so.

Don’t mention the Steuerreform
Wir machen, ihr schaut zu: So könnte das bis zu den nächsten Wahlen weitergehen, finden die blau-rot-grünen Krisenmanager. Naja gut, die Steuerreform kommt wohl nicht – oder zumindest anders als sie sich die DP-Klientel vorgestellt hat. Aber es wird weiter daran gearbeitet, großes liberales Pfadfinder-Ehrenwort von Pierre Gramegna.
Nur einer fehlt uns: Der immer mit Traumresultaten in die Regierung katapultierte Minister Marc Hansen ist irgendwie untergetaucht. Andrerseits: Die Digitalisierung des kompletten Lebens klappt gerade auch ohne den zuständigen Minister.
Hochkultur aus der Stuff
Bestes Beispiel: Luxemburgs Künstler performen jetzt direkt von der „Stuff“ aus. Die Auswahl ist groß: Moralinsaueres vom neuen Nation-Branding-Beauftragten Serge Tonnar, der aus Gründen erstmal nicht mehr an die „Belsch Plaasch“ fährt. Und dann gibt es noch Enrico Lunghi, quasi der „early adopter“ unter den Luxemburger Youtube-Barden mit einer ganz persönlichen Corona-Chanson (Klicken auf eigene Gefahr!).
Bis auf Weiteres sollten wir aber alle höchst „diszipliniert“ und vor allem weiter „doheem“ bleiben, wie der Premier rät. Zumindest so lange, bis der Premier etwas anderes anordnet. Oder wie es der oberste Zahnarzt des Landes diese Woche ausdrückte: „Mir mussen elo alleguer op d’Zänn bäissen.“
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