Als „Schutzpatron der Menschenschleuser“ bezeichnete Fernand Kartheiser jüngst Jean-Asselborn. Der Außenminister kontert mit dem Vorwurf des Rechtspopulismus. Die Kontroverse zeigt: Eine sachliche Debatte über die Asylpolitik ist nur schwer möglich. Eine Analyse.

Zum „Eklat in der Chamber“ kam es, als Fernand Kartheiser (ADR) letzte Woche die Luxemburger Flüchtlingspolitik scharf kritisierte. Der ADR-Politiker wirkte sichtlich amüsiert, als er Jean Asselborn (LSAP) als „Schutzpatron der Menschenschleuser“ bezeichnete. Die Wortwahl war wohl kalkuliert. Kartheiser wollte an diesem Tag nicht diskutieren, sondern provozieren. Mit Erfolg. „Dir entschëllegt Iech w.e.g.“, forderte ein sichtlich brüskierter François Bausch (déi Gréng). „Komm mir gi raus“, schallte es von der Regierungsbank. Auch Premier Xavier Bettel hielt es nicht auf seinem Suhl.

Kartheisers Taktik ging auf. Der Eklat machte kurzzeitig Schlagzeilen. Die ADR ließ sich prompt als mutige Kämpferin gegen das politische Establishment feiern. Und Jean Asselborn konnte sich nach seinem legendären „Merde alors“ einmal mehr als leidenschaftlicher Ritter gegen Extremismus und Intoleranz von Rechts inszenieren. Doch eine fundamentale Debatte über Luxemburgs Migrationspolitik lässt sich auf dieser Ebene gar nicht erst anstoßen.

Zwischen Kritik und Agitation

Gründe dafür gibt es mehrere. Zum einen wäre da ein Abgeordneter, der sich regelmäßig im Ton vergreift – und das Thema so auf eine Ebene hievt, auf der sich nicht mehr sachlich diskutieren lässt. Die Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern, die suggerierte Sorge um das christliche Abendland, die Analogie zwischen Migranten und Kriminellen: Jene Argumentations- und Provokationsmuster, die Fernand Kartheiser im Parlament vorbrachte, kennt man gemeinhin von populistischen bis rechtsradikalen Parteien.

Indem sich die Regierung der Diskussion verschließt und Rechtspopulisten lediglich mit „komm mer gi raus“ kontert, macht sie es Kritikern wie Fernand Kartheiser leicht.“

Dass sich der Abgeordnete auf solche Verallgemeinerungen einlässt, ist symptomatisch für den Rechtsruck, der sich innerhalb seiner Partei seit Langem andeutet. Themen wie Islamisierung und Überfremdung gehören nicht erst seit letzter Woche zum alternativdemokratischen Repertoire. Anders als in der Vergangenheit existiert in der ADR auch längst kein Flügel mehr, der die entsprechende Wortwahl ablehnt.

Mit Kartheisers Intervention zeigt sich: Die Partei, die sich vor wenigen Monaten noch als Alternative zur CSV anpries und sich gemeinhin als Schutzschild gegen rechtsradikale Parteien inszeniert, droht heute, selbst zu einer solchen zu werden. Als Basis für eine Debatte in der Sache eignen sich die rechten Abstraktionen allerdings nicht. Auch wenn Kartheiser der Regierung vorwirft, dass man über das Problem der Migranten und deren Integration „net schwätze kann“, macht er selbst eine solche Diskussion unmöglich.

Nicht alles läuft problemlos

Dabei gibt es durchaus Anhaltspunkte, mit denen man die vorherrschende Asylpolitik kritisieren kann. Luxemburg stellt sich zwar nach außen als Musterland der Humanität und Flüchtlingshilfe dar. In der Praxis ist die Aufnahme von Schutzsuchenden jedoch mit Problemen verbunden, die dieses Image trüben. Es gibt Unzulänglichkeiten, Unklarheiten, Probleme bei Aufnahme, Integration und Rückführung. Es gibt Menschen, die das Asylrecht missbrauchen. Und Menschen, die in Luxemburg nicht die nötige Unterstützung bekommen. Mit guten Argumenten ließe sich auch in der politischen Debatte feststellen, dass Luxemburg seinen Ansprüchen in der Praxis viel zu oft nicht gerecht wird.

Da wäre etwa ein Minister, dessen Stab öfter an seinen Engagements verzweifelt. Immer wieder erklärt er sich bereit, einige jener Flüchtlinge aufzunehmen, die auf Rettungsbooten vor europäischen Häfen ausharren. Ganz gleich mit welchem administrativen und finanziellen Aufwand dies verbunden ist.

Doch die vielen Verpflichtungen stehen in Konkurrenz zueinander. Ressourcen und Personal reichen nicht aus, um allen Versprechen nachzukommen. Vor zwei Jahren etwa wollte Jean Asselborn 200 Menschen aufnehmen, die aus libyschen Lagern nach Niger evakuiert wurden. Erst zwei Jahre später ist er in der Lage dieses Versprechen, zumindest teilweise, einzulösen: Lediglich 50 – nicht 200 – Menschen sollen Ende des Jahres in Luxemburg ankommen. Das zeigt: Luxemburgs Kapazitäten sind eben nicht grenzenlos, ganz gleich wie engagiert der Außenminister ist.

Integration ist kein Selbstläufer

Die Betreuung der Schutzsuchenden hierzulande bietet ebenfalls genug Anreize für Diskussionen. Behörden beklagen den Mangel an qualifiziertem Personal. Ein Chef des Verwaltungsgerichts wehrt sich öffentlich gegen die „entwertenden“ und „repetitiven“ Verhandlungen von Dublin-Ausweisungen.

Flüchtlinge mit Statut verharren viel zu lange in ohnehin schon überlasteten Auffangstrukturen, da sie keinen Zugang zu bezahlbaren Wohnraum haben. Klassenlehrer sind mit der Vielzahl von Flüchtlingskindern aus verschiedenen Kultur-und Sprachkreisen mitunter überfordert. Asylsuchende haben aufgrund fehlender Sprachkenntnisse, kultureller Anpassungsschwierigkeiten oder mangelnder Schul- und Ausbildung oft Probleme, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Betriebe, die Flüchtlinge einstellen wollen, werden von administrativen Hürden abgeschreckt.

Letztlich mangelt es oft auch an kulturellen Kontakten zwischen Einwohnern und Schutzsuchenden. Die Angst vor dem „Fremden“ ist die Folge. Verstärkt wird dieses Gefühl durch mediatisierte Geschichten über Schutzsuchende, die sich nicht an Regeln und Gesetze halten, und so die hiesige Gastfreundlichkeit und ihr Aufenthaltsrecht gleichermaßen aufs Spiel setzen. Oder von Asylbewerbern, die, um ihre Asylchancen zu verbessern, die Unwahrheit über Alter oder Herkunftsland sagen. Und letztlich, durch die nigerianische Mafia, die das „Garer Quartier“ dominiert.

Eine Diskussion muss möglich sein

Die Liste der real existierenden Probleme bei der Integration ist lang. Sie sind Grund genug für Kritik. Sie beinhalten aber auch Konfliktherde, die das Potenzial haben, Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit auch in Luxemburg anzukurbeln. Dass Luxemburg eines der wenigen Länder ist, die weiter für Humanität in der Flüchtlingsfrage einstehen, ist eine Sache. Das bedeutet aber nicht, dass etwaige Probleme, die dadurch entstehen, nicht thematisiert werden dürfen.

Nichts hält Blau-Rot-Grün davon ab, Unzulänglichkeiten selbstkritisch zu hinterfragen und zu erklären, an welchen Punkten nachgebessert werden muss.“

Indem sich die Regierung der Diskussion verschließt und Rechtspopulisten lediglich mit „komm mer gi raus“ kontert, macht sie es Kritikern wie Fernand Kartheiser leicht. Sie lässt es zu, dass seine Partei die Thematik für ihre eigenen Zwecke einnimmt und fremdenfeindliche Abstraktionen sich ausweiten.

Es wäre allerdings zielführender, mit konkreten Lösungsvorschlägen und stichhaltigen Argumenten zu kontern. Die Asylpolitik der Regierung hält sicherlich nicht allen Kritikpunkten stand. Doch nichts hält Blau-Rot-Grün davon ab, Unzulänglichkeiten selbstkritisch zu hinterfragen und zu erklären, an welchen Punkten nachgebessert werden muss.

Probleme zu thematisieren bedeutet allerdings, einzugestehen, dass es solche überhaupt gibt. Letztlich trägt dies womöglich mehr zur Förderung der sozialen Kohäsion bei, als sich weiter vor einem Ideal zu verstecken, das es in der Praxis nicht gibt.