Die „Université de Lorraine“ wird wohl erst gegen Ende des Jahres über die Abschlussarbeit von Xavier Bettel befinden. Erst dann sei mit einem Abschluss der internen Prüfung des Plagiatsverdachts zu rechnen, heißt es. Die Untersuchung soll erst Mitte November beginnen.
Eine Entscheidung darüber, ob es sich bei der Abschlussarbeit von Xavier Bettel ganz offiziell um ein Plagiat handelt, muss noch einige Wochen warten. Man rechne damit, dass die Untersuchung der Universität „kurz vor oder nach den Festtagen am Jahresende“ abgeschlossen sei, heißt es von der „Université de Lorraine“ auf Nachfrage von Reporter.lu. Erst dann werde man auch die Schlussfolgerungen der Untersuchung und eventuelle Sanktionen bekannt geben.
Die interne Plagiatsprüfung, die die Universität vergangene Woche angekündigt hatte, hat indes noch nicht offiziell begonnen. „Die Untersuchung sollte Mitte November beginnen“, so eine Sprecherin der Université de Lorraine. Dabei sei die „délégation à l’intégrité scientifique“, die sich innerhalb der Universität unter anderem mit Plagiatsfällen beschäftigt, federführend.
Dieses universitätsinterne Gremium wird aktuell von dem Informations- und Computerwissenschaftler Jean-Paul Haton geleitet und setzt sich aus weiteren Offiziellen der Université de Lorraine zusammen. Zudem sollen zwei Experten die Delegation bei der Untersuchung von Xavier Bettels Abschlussarbeit aus dem Jahr 1999 unterstützen, so die Sprecherin der Forschungseinrichtung. Um wen es sich dabei handelt, wollte die Universität nicht mitteilen.
Im Vergleich ist es ein ungewöhnlich langwieriger Prozess, für den sich die Universität entschieden hat. Die Universität Bayreuth hatte etwa im Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg innerhalb von einer Woche nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe die 475 Seiten lange Arbeit des damaligen deutschen Verteidigungsministers untersucht. Die Université de Lorraine wird demnach für die 56 Seiten lange Arbeit von Xavier Bettel etwa vier Mal so lange brauchen.
Politische Aufarbeitung in der Schwebe
Damit dürfte sich auch die politische Aufarbeitung des Plagiatsbefundes, über den Reporter.lu in der vergangenen Woche berichtet hatte, weiter verzögern. Auf Nachfrage mehrerer Medien wollten sich die meisten Politiker von DP, LSAP und Déi Gréng mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen an der Université de Lorraine nicht zur Affäre äußern. Auch mehrere Vertreter der Oppositionsparteien hatten sich mit der gleichen Begründung bisher mit einer Einschätzung zurückgehalten.
Auch im Parlament wird die Plagiatsaffäre bis auf Weiteres kein Thema sein. Auf der Tagesordnung der kommenden Sitzungswoche steht die Affäre bisher nicht. Angesichts des überschaubaren Umfangs der besagten Abschlussarbeit sei man zwar verwundert darüber, dass sich die Universität bei ihrer Überprüfung mehrere Wochen Zeit lasse, sagt CSV-Fraktionschefin Martine Hansen im Gespräch mit Reporter.lu. Man bleibe dennoch dabei, dass man den „schweren Verdacht“ gegenüber dem Premier erst weiter thematisieren wolle, wenn die Vorwürfe offiziell, also von der betroffenen Universität, dokumentiert wurden.
Das lässt mich auch nicht kalt.“Yves Cruchten, Abgeordneter und LSAP-Vorsitzender
Auch Fernand Kartheiser (ADR) betont weiterhin die „Unschuldsvermutung“ gegenüber Xavier Bettel. Die Recherchen von Reporter.lu würden zwar für sich sprechen. Dennoch wolle er die „offizielle Beurteilung des Sachverhalts“ durch die Université de Lorraine abwarten. Sollte die Universität die journalistischen Recherchen bestätigen, würde sich jedoch eine Reihe von grundsätzlichen Fragen stellen, die man zu jenem Zeitpunkt dann auch thematisieren wolle, so der ADR-Abgeordnete gegenüber Reporter.lu.
Dazu gehöre vor allem die internationale Reputation des Premiers, die bereits jetzt unter der Affäre gelitten habe, erklärt Fernand Kartheiser. In jenen Ländern, in denen die akademische Integrität als überaus wichtig eingeschätzt werde, etwa Deutschland oder im angelsächsischen Raum, sei der Premier schon heute „unten durch“, so der ADR-Politiker. Das habe weitreichende Folgen für die Glaubwürdigkeit Luxemburger Außenpolitik, die man zu gegebener Zeit unbedingt im Parlament aufarbeiten möchte.
Konsequenzen erst „zu gegebener Zeit“
Der einzige Oppositionspolitiker, der sich bisher nicht mit Kritik am Premier zurückhielt, ist Sven Clement. „Wenn man schon für ein Diplom, das man eigentlich nicht brauchte, lügen und betrügen muss, dann sagt das sehr viel über den Charakter aus“, sagte der Abgeordnete der Piraten etwa im Interview mit „RTL“. Dennoch wolle auch er die Untersuchung abwarten, bevor die Affäre auf der Tagesordnung des Parlaments landet, so Sven Clement gegenüber Reporter.lu. Sollte die Universität dem Premier seinen Universitätsabschluss aberkennen, komme die Regierung jedoch nicht umhin, öffentlich Position zu beziehen.
Ich weiß auch nicht, ob das Parlament der richtige Ort ist, dieses Thema anzusprechen.“Nathalie Oberweis, Abgeordnete von Déi Lénk
Es ist eine Position, die von allen im Parlament vertretenen Parteien geäußert wird. Auch Déi Lénk wollen zurzeit lieber noch abwarten. „Ich weiß auch nicht, ob das Parlament der richtige Ort ist, dieses Thema anzusprechen“, sagt Nathalie Oberweis im Gespräch mit Reporter.lu. Ihre Partei verurteile zwar das Vorgehen von Xavier Bettel, doch „er handelte damals als Student, nicht als Premierminister“, so die Abgeordnete. Dennoch schließe sie nicht aus, zu einem späteren Zeitpunkt ihre Position zu ändern.
Der einzige Koalitionspolitiker, der vor Redaktionsschluss auf eine Anfrage von Reporter.lu reagierte, ist Yves Cruchten. Auch er will abwarten, deutet jedoch eine Stellungnahme zu einem späteren Zeitpunkt an. „Das lässt mich auch nicht kalt“, sagt der Parteivorsitzende der LSAP. Doch erst wenn eine offizielle Entscheidung seitens der Université de Lorraine vorliege, werde seine Partei Stellung beziehen. Zu einem späteren Zeitpunkt antwortete dann auch Gilles Baum (DP) auf die Reporter.lu-Anfrage und erklärte, seine Partei würde „totsicher“ nichts vor Abschluss der Untersuchungen sagen. „Unsere Position hat sich nicht geändert, auch wenn diese sogenannte Untersuchung zwei Monate in Anspruch nimmt“, so der Fraktionsvorsitzende der Liberalen.
Man solle sich nichts vormachen, meint allerdings Fernand Kartheiser. Die regierende Koalition habe schon mehrmals bewiesen, dass sie unbedingt zusammenhalten und keine politischen Konsequenzen aus nachgewiesenen Fehlleistungen ziehen wolle, meint der ADR-Abgeordnete. Das sei schon bei den rezenten Kontroversen um die Ministerinnen Carole Dieschbourg (Déi Gréng) und Corinne Cahen (DP) so gewesen. Dass politische Affären in Luxemburg meistens nicht zu adäquaten Konsequenzen führen würden, sei aber eben kein Grund, sie nicht zu thematisieren. Doch, wie gesagt, „zu gegebener Zeit“.


