Die CSV wirft Carole Dieschbourg vor, den grünen Ex-„député-maire“ Roberto Traversini begünstigt und eine unrechtmäßige Genehmigung ausgestellt zu haben. Auf viele Vorwürfe gab die Ministerin keine Antwort. Ein Überblick.
Eine Stunde dauerte am Donnerstag die Rede des CSV-Abgeordneten Michel Wolter. Sein Fazit: Das Umweltministerium habe im Dossier rund um das Gartenhaus von Roberto Traversini „auf ganzer Linie“ versagt. Carole Dieschbourg habe die Öffentlichkeit in mehreren Punkten getäuscht. Sie sei dafür politisch verantwortlich und müsse zurücktreten.
Die Umweltministerin sagte dagegen, dass sie weiter zur von ihr ausgestellten Genehmigung für Arbeiten am Gartenhaus stehe. Es sei am Verwaltungsgericht, deren Rechtmäßigkeit zu klären. Der Antrag des Ex-Bürgermeisters von Differdingen sei behandelt worden wie jeder andere auch. Allerdings habe Roberto Traversini Arbeiten auf dem Grundstück durchgeführt, die nicht genehmigt worden seien. Dazu laufen Ermittlungen der Naturverwaltung.
Michel Wolter legte am Donnerstag viele neue Elemente vor, spekulierte allerdings auch in einigen Punkten. Doch auf zahlreiche konkrete Vorwürfe und Ungereimtheiten antwortete die Umweltministerin nicht.
Begünstigte die Umweltministerin ihren Parteikollegen Roberto Traversini?
Beweise dafür gibt es nicht, allenfalls Indizien. Der Ex-„député-maire“ von Differdingen arbeitete zumindest selbst auf eine bevorzugte Behandlung hin. Dieschbourg bestätigte gegenüber „Radio 100,7“, dass Traversini sie auf die Genehmigung angesprochen habe. Er selbst hatte dies in der Gemeinderatssitzung am 18. September bestritten. Als ihn der Förster im Juli auf die fehlende Genehmigung hinwies, sagte Traversini laut einem Zeugen, das sei kein Problem, er habe mit einem „hohen Beamten aus dem Umweltministerium“ telefoniert. Diese Aussage brachte Michel Wolter am Donnerstag vor und sie wurde REPORTER von der betreffenden Person bestätigt.
Auch die beteiligten Förster zeigten eine gewisse persönliche Nähe zu Traversini, denn sie tauschten sich über die Prozedur per E-Mail unter dem Betreff „Abri Roberto“ aus, wie der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser im Parlament vorlas.
Ob all dies einen Einfluss auf die Entscheidung hatte, lässt sich aktuell nicht mit Bestimmtheit sagen. Carole Dieschbourg wies den Vorwurf der Begünstigung zurück: Ein Fünftel aller Anfragen würden innerhalb eines Monats bearbeitet – genau wie jene von Roberto Traversini. Eine nachträgliche Genehmigung bereits begonnener Arbeiten habe es dieses Jahr in knapp 30 Fällen gegeben. Auch dies sei also nicht ungewöhnlich.
Doch die Prozedur beschleunigte sich zweimal zu auffälligen Zeitpunkten. Zwar unterschrieb Traversini den Antrag am 9. Juli, doch offiziell erreichte das Dokument das Umweltministerium erst am 18. Juli. Also genau an jenem Tag, als Gary Diderich (déi Lénk) im Differdinger Gemeinderat öffentlich nach der Existenz einer Genehmigung fragte. Am 29. Juli schließt der Revierförster seine Bewertung des Dossiers ab und sendet diese per E-Mail an seinen Vorgesetzten, den „Chef d’arrondissement Sud“, der sich dieser Einschätzung am gleichen Tag anschließt. Laut Michel Wolter ist diese rasche Reaktion durchaus beachtlich.
Die Beschleunigung ist umso auffälliger, als der DP-Gemeinderat François Meisch am 29. Juli den „Chef d’arrondissement“ per E-Mail kontaktierte. REPORTER liegt dieser E-Mail-Austausch exklusiv vor. Meisch fragt den Beamten darin, ob eine Genehmigung für die Arbeiten am Gartenhaus vorliege. Die Antwort: Das Dossier sei in Bearbeitung.
Auffällig ist ebenfalls, wie schluderig der Antrag formuliert war. Traversini beantragte lediglich die Holzverkleidung des Gartenhauses, obwohl der Förster ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass auch das Ersetzen der Fenster und des Daches genehmigt werden müsse. Der Antrag war also nicht komplett. Trotzdem genehmigte die Umweltministerin schließlich alle Arbeiten. Diesen Vorgang bezeichnete Wolter als außerordentlich, „eine Vorzugsbehandlung à la Traversini“. Auf diese Vorgehensweise ging die Ministerin am Donnerstag im Parlament mit keinem Wort ein.
Der Eindruck drängt sich auf, dass die beteiligten Beamten und die Ministerin das politisch brisante Dossier möglichst schnell vom Tisch haben wollten und auf Druck von außen reagierten. Selbst das schriftliche Dokument mit der Einschätzung der Förster wartete Carole Dieschbourg nicht ab, sondern begnügte sich mit der elektronischen Fassung. Die CSV wirft der grünen Umweltministerin dagegen vor, sie habe durch die rasche Entscheidung ihren Parteikollegen schützen wollen. Die Eilfertigkeit der ganzen Prozedur begründete die Ministerin nicht.
Ist die Genehmigung rechtmäßig?
Die rechtliche Grundlage ist strittig. In der Genehmigung beruft sich die Umweltministerin ausschließlich auf das Naturschutzgesetz von 2018, nennt aber keinen präzisen Artikel. Am 30. September verwies sie in einer Pressemitteilung auf den Artikel 7.1 des Naturschutzgesetzes sowie den Artikel 5 der großherzoglichen Verordnung des Schutzgebietes „Prenzebierg“, in dem das Gartenhaus liegt. Beide Referenzen haben ein ähnliches Ziel: Sie erlauben Arbeiten, die ein Gebäude besser in die Natur einfügen. Die von Traversini begonnene Holzverkleidung erfüllte diese Voraussetzung, wie es der zuständige Revierförster auch in seiner Stellungnahme zu Traversinis Antrag betonte.
Doch Michel Wolter kritisiert diese gesetzliche Referenz: Denn im Artikel 7.1 heißt es, dass der Umweltminister solche Arbeiten „anordnen“ kann. Und dies sei ein Unterschied zu „genehmigen“, betonte der frühere Innenminister. Der frühere Staatssekretär Camille Gira habe außerdem bei den Arbeiten zum neuen Naturschutzgesetz erklärt, dass dieser Passus noch nie genutzt worden sei. Dieschbourg interpretierte diese unterschiedlichen Lesarten des Gesetzes mehrmals als „Spitzfindigkeiten“. Wolter wirft ihr vor, erst eine juristische Grundlage gesucht zu haben, nachdem das Dossier „brenzlig“ geworden sei.
Das Umweltministerium sagt dagegen, dass das Recht im Naturschutz kompliziert sei, was sich an der umfassenden Jurisprudenz zeige. Dass nun das Verwaltungsgericht entscheiden müsse, sei ein nicht allzu ungewöhnlicher Vorgang.
Wurde das Gartenhaus illegal errichtet?
Am Donnerstag legte die Umweltministerin nun eine Baugenehmigung der Gemeinde Differdingen von 1971 vor, die sie allerdings erst einen Tag zuvor erhalten habe.
Die Baugenehmigung für eine „gloriette“, die REPORTER vorliegt, entspricht den aktuellen Dimensionen. Die Vermutung Wolters, dass das Gartenhaus später illegal ausgebaut wurde, bestätigt sich also nicht. Der CSV-Abgeordnete beruft sich allerdings auf Nachbarn, die überzeugt sind, dass das Gebäude jahrzehntelang eine Ruine gewesen sei.
Carole Dieschbourg genehmigte die Arbeiten am Gartenhaus jedoch, ohne dass Traversini eine Baugenehmigung vorlegen musste. Das sei in diesem Fall nicht relevant, da die rechtliche Grundlage unabhängig davon sei. Ursprünglich ging das Ministerium allerdings davon aus, dass das Gartenhaus (wie das Haupthaus) vor 1965 errichtet wurde, und deshalb die Vorlage einer ursprünglichen Genehmigung nicht nötig sei.
Hätte das Ministerium früher handeln müssen?
Roberto Traversini habe ungenehmigte Arbeiten durchgeführt, betonte die Umweltministerin am Donnerstag. Dazu zähle vor allem ein „Erdaushub“, betonte sie. Dies und der Beginn von Arbeiten ohne Genehmigung sei ein Vorgehen, dem sie weder zustimmen, noch das sie entschuldigen könne.
Der CSV-Abgeordnete Michel Wolter wirft dem zuständigen Förster vor, die Augen vor illegalen Arbeiten von Roberto Traversini verschlossen zu haben. Dazu zählen die Rodung von etwa 20 bis 30 Ar und umfangreiche Planierarbeiten, die den Charakter des Grundstücks grundlegend verändert hätten. Traversini schrieb in einer Stellungnahme, im November 2018 kranke Bäume auf Empfehlung des Försters entfernt zu haben. Die Planierarbeiten hätten im Kontext mit den Arbeiten am Gartenhaus stattgefunden, also im Sommer 2019.
Unklar ist, ob der Förster diese Arbeiten gemeldet hat. Das falle unter die Kompetenz der Justiz, sagt das Umweltministerium. Traversini sagte am 18. September, dass die „entité mobile“ der Naturverwaltung ihn zu diesen Arbeiten befragt habe. Das ist eine Vorstufe zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Allerdings hatten die Differdinger Oppositionsparteien eine Woche zuvor eine „plainte administrative“ bei der Naturverwaltung eingereicht.
Klar ist, dass der Revierförster erst am 8. Juli Roberto Traversini aufforderte, die Arbeiten zu stoppen. Das, nachdem eine dritte Person den Förster auf die Verstöße aufmerksam gemacht hatte. REPORTER sprach mit dieser Person, die allerdings nicht namentlich genannt werden möchte. Sie bestätigte die Zitate, die Michel Wolter im Parlament vorbrachte.
Michel Wolter zeigte außerdem im Parlament Fotos, die belegen sollen, dass Roberto Traversini die Arbeiten am Gartenhaus weiterführte, nachdem der Förster ihn aufgefordert hatte, diese zu stoppen.
Welche politischen Folgen sind zu erwarten?
Beachtenswert ist, dass Premierminister Xavier Bettel sich am Donnerstag nicht vor die Umweltministerin stellte. Er schlug dagegen vor, dass das Parlament nochmals über die Affäre debattieren solle, sobald die Justiz Urteile gefällt habe. Damit hängt nun ein Damoklesschwert über der Umweltministerin. Obwohl sie teilweise für Transparenz sorgte und zahlreiche Dokumente öffentlich vorlegte, gab es in diesem Dossier in den vergangenen Wochen mehrmals Überraschungen. Die „Affäre Traversini“ ist indes noch nicht abgeschlossen. Die Rücktrittsforderung der CSV und ihre provokante Aufforderung, alle Gebäude in Schutzzonen zu regularisieren, sind allerdings ebenfalls politisch risikoreich.
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