Die Koalitionsparteien wollen die „Affäre Traversini“ hinter sich lassen. Dabei verraten sie ihre einstigen Ziele von Transparenz und demokratischer Erneuerung. Die Leidtragenden dieser Politik sind letztlich die Bürger und das Ideal einer informierten Öffentlichkeit. Ein Kommentar.
In der Aufarbeitung der „Affäre Traversini“ geht es längst nicht mehr um bloße Parteipolitik oder die Rolle von Carole Dieschbourg. Um die Umweltministerin vor kritischen Fragen der Opposition zu schützen, stimmten die Mehrheitsparteien am Dienstag in einem Ausschuss des Parlaments dafür, dass dort nicht mehr über die Vorfälle in Differdingen geredet werden darf. Ebenso weigerten sich DP, LSAP und Déi Gréng in den vergangenen Tagen mehrmals, dass ein Wortprotokoll von Kommissionssitzungen veröffentlicht wird.
Was die CSV als „Maulkorb“ für die Opposition bezeichnet, offenbart letztlich ein viel weitreichenderes Problem. Denn nicht nur der parlamentarischen Opposition, sondern der gesamten Öffentlichkeit wird damit die Möglichkeit genommen, das Verhalten der Regierung nachzuvollziehen, geschweige denn zu kontrollieren. Unabhängig von ihren Beweggründen nutzen die Regierungsparteien ihre Machtstellung gezielt aus und erschweren damit eine objektive Aufarbeitung von eventuellem politischem Fehlverhalten.
Der vergessene Anspruch der Transparenz
Dabei sollte man daran erinnern, dass ausgerechnet jene Parteien so handeln, die sich in Wahlkämpfen die Förderung von Transparenz und einer demokratischen Erneuerung auf die Fahnen geschrieben hatten. Nach den Wahlen geschieht auf diesem Feld jedoch recht wenig. Vor allem bei der Frage, wie man mit Kritik umgeht, zeigt sich, dass Blau-Rot-Grün sich zwar von den Ansprüchen her, aber nicht in der alltäglichen Realpolitik von seinen Vorgängern unterscheidet.
Demokratie und Transparenz sind bloße Worthülsen, wenn man sie nicht dauerhaft und unabhängig von den eigenen parteipolitischen Interessen verteidigt.“
Im Fall von Déi Gréng ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit indes am deutlichsten. Im Wahlprogramm von 2018 fordert die Partei nämlich, die demokratischen Institutionen zu stärken und, ganz konkret, dass man „die Kommissionssitzungen des Parlaments öffentlich abhalten“ soll. In der politischen Praxis verhindert die gleiche Partei jetzt aber bereits, dass eine wortwörtliche Abschrift von Ausschusssitzungen angefertigt wird, nur weil eine grüne Ministerin politisch in der Schusslinie steht.
Auch die LSAP hatte diese Forderung im Wahlprogramm stehen. Jetzt, wo die Koalitionsparteien beweisen könnten, dass sie ihren Einsatz für mehr Transparenz ernst meinen, setzen sie aber lieber auf Aussitzen, politisches Taktieren und Verschwiegenheit. Dabei stehen die demokratischen Prinzipien gerade dann auf dem Spiel, wenn man selbst in der Verantwortung steht und sie dem politischen Gegner verweigert. Demokratie und Transparenz sind bloße Worthülsen, wenn man sie nicht dauerhaft und unabhängig von den eigenen parteipolitischen Interessen verteidigt.
Das Recht der interessierten Öffentlichkeit
Vordergründig ging es am Dienstag um die Frage, ob die Ministerin bei der Vergabe einer Genehmigung für ihren Parteifreund Roberto Traversini in allen Punkten richtig gehandelt hat. Politisch gibt es dazu unterschiedliche Positionen. Diese werden zwar am Donnerstag im Plenum noch einmal Thema sein. Doch den substanziellen Diskussionen im Ausschuss hat Blau-Rot-Grün vorläufig den Stecker gezogen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Debatte im Plenum auch noch mehr von parteipolitischer Polemik geprägt sein als ohnehin schon.
Der Vorsitzende des Umweltausschusses, François Benoy, sagte am Dienstag, dass die Fragen der Opposition „in keinster Weise irgendetwas Neues“ hervorgebracht hätten. Deshalb sei er irgendwann eingeschritten. Zudem erinnerte er daran, dass dies bereits die dritte Dringlichkeitssitzung des Ausschusses in dieser Sache gewesen sei und die Opposition demnach genügend Zeit für ihre Fragen gehabt habe. Oppositionsvertreter betonten dagegen, dass es in dem Dossier neue Entwicklungen gebe, die eine Befragung der Ministerin rechtfertigen würden.
Wenn die Regierung über die sie stützenden Parteien eigenmächtig darüber entscheiden kann, wo die Kontrolle der Exekutive aufhört, gibt es ein Problem.“
Für beide Standpunkte gibt es sicherlich gute Argumente. Dass sich die Mehrheitsparteien mit ihrer Sicht der Dinge durchsetzen, verstößt jedoch gegen die parlamentarisch-demokratischen Grundregeln. Die verfassungsmäßige Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung zu kontrollieren. Damit diese Rolle ausgefüllt werden kann, müssen alle Parteien – ob Mehrheit oder Opposition – dies zulassen. Wenn die Regierung über die sie stützenden Parteien eigenmächtig darüber entscheiden kann, wo die Kontrolle der Exekutive aufhört, gibt es ein Problem.
Dabei geht es nicht um Parteifarben, sondern um das Recht der Öffentlichkeit auf grundsätzliche Information. Wenn die Opposition ihren Kontrollauftrag nicht ausüben kann und nirgends festgehalten wird, was in einer nicht-öffentlichen Sitzung gesagt wurde, kann sich auch die interessierte Öffentlichkeit keine faktisch fundierte Meinung dazu bilden. Oder um mit dem grünen Wahlprogramm zu sprechen: „Wir wollen in einer modernen Gesellschaft und einer starken Demokratie leben, in der Menschen gleichberechtigt sind und faire Chancen haben.“