Es klingt verlockend, die Gesellschaft mit Steuern nachhaltiger zu machen. Doch angesichts extrem hoher Energiepreise rückt eine ökologische Steuerreform in den Hintergrund. Dabei könnten Umweltabgaben ein wichtiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit sein.

„Mit Steuern steuern“ lautete ein Schlagwort im Juli im Parlament. Die Idee dahinter leuchtet ein: Wer etwas tut, was dem Allgemeinwohl schadet, soll auch den Preis dafür zahlen. Was uns den gesellschaftlichen Zielen dagegen näher bringt, soll belohnt werden – durch weniger Steuern.

Die 2021 eingeführte CO2-Abgabe ist in Luxemburg das auffälligste Beispiel einer solchen Umweltsteuer. Fossile Brennstoffe werden so teurer, die Haushalte und die Unternehmen senken ihren Verbrauch. Der Staat nimmt mehr Geld ein und kann in die Energiewende investieren oder andere Steuern senken. So weit die Theorie. In der Praxis zeigen sich an diesem Beispiel alle Herausforderungen, die eine ökologische Steuerreform so schwierig machen.

Die extrem hohen Energiepreise verändern die Debatte zusätzlich. Ab Oktober wird ein durchschnittlicher Haushalt pro Jahr 2.400 Euro mehr für das Heizen mit Gas zahlen. Im Vergleich dazu fällt die CO2-Steuer von etwa 180 Euro jährlich bei gleichem Verbrauch kaum ins Gewicht. Beim Dieselpreis von aktuell 1,86 Euro macht die CO2-Steuer weniger als zehn Cent aus.

Debatte unter neuen Vorzeichen

Macht eine CO2-Steuer Sinn, wenn der Preis der fossilen Brennstoffe so hoch ist, dass Energiesparen zur Priorität wird? „Ja, gerade jetzt“, lautet die Antwort des „Klima-Biergerrot“, der von Premierminister Xavier Bettel (DP) eingesetzt wurde und dessen Vorschläge am heutigen Donnerstag vorgestellt werden. Zu den Forderungen der 91 Bürger an die Regierung gehört laut Informationen von Reporter.lu auch, die CO2-Steuer von heute 25 Euro bis 2026 auf 200 Euro pro Tonne zu erhöhen.

Die aktuelle Krise zeige, dass die Zeit der Knappheit der Ressourcen und der fossilen Energien angebrochen sei, sagt auch der Präsident des nationalen Nachhaltigkeitrates, Romain Poulles. Statt fossile Energien zu bezuschussen, damit sie sich jeder noch leisten könne, sollte der Staat die Bürger befähigen, sich davon zu lösen. „Steuern sind das einzige und wirksamste Mittel, um eine nachhaltige Welt zu erreichen“, so Romain Poulles im Interview mit Reporter.lu. Unser Steuersystem müsse nach und nach komplett umgestaltet werden: „Was wollen wir, was wollen wir nicht“, laute die Prämisse.

Luxemburg als Schlusslicht

Trotz des Erfolgs der CO2-Steuer ist Luxemburg kein generelles Vorbild. Die Abgaben auf die Arbeitseinkommen sind die wesentliche Finanzierungsquelle für den Staat, Umweltsteuern spielen dagegen kaum eine Rolle. Die Einkommensteuer machte 2020 knapp 60 Prozent der direkten Steuereinnahmen aus. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer stiegen zwischen 2000 und 2020 um satte 300 Prozent. Umweltsteuern stellten 2020 dagegen nur knapp vier Prozent aller Steuereinnahmen dar. In den europäischen Staaten sind es laut OECD im Schnitt über sechs Prozent. Auch bezogen auf das Bruttosozialprodukt ist Luxemburg unter den Industrienationen ein Schlusslicht, was die Umweltsteuern angeht.

Doch der Bericht des Klimabürgerrats nennt am Beispiel der CO2-Steuer eine wichtige Voraussetzung. Die Abgabe müsse soziale Akzeptanz finden. Deshalb wünscht sich der Rat, dass die Einnahmen vollständig an die Bürger zurückfließen sollen. In diesem Punkt bricht die Forderung mit der gegenwärtigen Praxis.

2021 nahm der Staat über die CO2-Steuer knapp 200 Millionen Euro ein. 70 Millionen Euro dieser Einnahmen flossen in den Klima- und Energiefonds, um Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Knapp 60 Millionen Euro – also weniger als ein Drittel – wurden je nach Einkommen über einen Steuerkredit zurück an die Haushalte verteilt. Das geht aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des CSV-Abgeordneten Paul Galles hervor.

Sozialer Ausgleich gelungen

Einkommensstarke Personen erhalten derzeit keinen Ausgleich. Der Klimabürgerrat fordert dagegen eine Rückverteilung, die sich am durchschnittlichen Verbrauch von fossilen Energien orientiert. Wer Energie einspart, hätte demnach mehr im Portemonnaie.

Mit dieser Forderung rührt der Klimabürgerrat an den Kern der Debatte über eine ökologische Steuerreform. Einerseits geht es bei Umweltsteuern darum, die Entwicklung der Gesellschaft zu „steuern“ – in der Fachsprache die Lenkungswirkung. Andrerseits besteht das Konzept darin, umweltschädliches Verhalten mehr zu belasten, um andere wünschenswerte Aktivitäten – etwa Arbeit – weniger zu besteuern.

Das Problem ist allerdings, dass die CO2-Steuer ohne Zusatzmaßnahme einkommensschwache Haushalte mehr belastet, als jene, die über höhere Einkünfte verfügen. Letztere verbrauchen zwar mehr fossile Energie, weil sie etwa größere Wohnungen und Autos mit höherem Verbrauch besitzen. Doch in ihrem Gesamtbudget macht die CO2-Steuer weniger aus. Diese soziale Ungerechtigkeit beseitigte Blau-Rot-Grün mit einer Erhöhung des Steuerkredits parallel zur Einführung des CO2-Preises. Für das Fünftel der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen würde die CO2-Steuer keine zusätzliche Belastung bedeuten, errechnete das Statistikamt Statec.

Die Energiekrise hat diese Rechnung allerdings nochmals verändert. Im Rahmen des Tripartite-Abkommens vom Frühjahr führte Blau-Rot-Grün den Energie-Steuerkredit („Crédit d’impôt énergie“) ein. Dessen Ziel ist es, sowohl die verschobene Indextranche zu kompensieren, als auch die Erhöhung der CO2-Steuer für einkommensschwache Haushalte dieses und nächstes Jahr auszugleichen.

Koalition hält an CO2-Steuer fest

Ab dem 1. Januar 2023 soll die Steuer um fünf Euro steigen, auf 30 Euro pro Tonne. Die deutsche Ampel-Koalition dagegen verschiebt die Erhöhung des CO2-Preises um ein Jahr. Für Blau-Rot-Grün ist das bisher keine Option. „Die 2021 eingeführte CO2-Steuer steht auch nicht zur Disposition“, sagte Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) im Interview mit dem „Luxemburger Wort“.

Tatsächlich stellte auch der LSAP-Abgeordnete Dan Kersch in der Steuerdebatte im Juli klar, dass seine Partei an der CO2-Steuer festhalten wolle – auch über 2023 hinaus. Die progressive Erhöhung der Abgabe müsse aber für die 40 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen kompensiert werden. „Die DP steht hinter der CO2-Steuer“, sagte DP-Fraktionschef Gilles Baum im August im Interview mit „Radio 100,7“. Die CSV schlug dagegen eine Aussetzung der CO2-Steuer bei hohen Energiepreisen vor.

Für Déi Gréng ist der Energie-Steuerkredit ein wichtiger Schritt, um den sozialen Ausgleich zu fördern und so die Akzeptanz der Umweltsteuer langfristig abzusichern. Das war dem grünen Koalitionspartner so wichtig, dass er bereit war, den Tankrabatt zu akzeptieren. Zudem war dieser Ausgleich laut dem OGBL auch eine Forderung der Gewerkschaften. Der Energie-Steuerkredit könnte so zu einem Instrument für eine strukturelle und ökologische Reform werden. Wer Energie spart, hat mehr Netto von seinem Einkommen.

Luxemburg ist in diesem Punkt deutlich innovativer als andere Länder. In Deutschland fehlt bisher die Umverteilung der Einnahmen aus der CO2-Steuer. Das bedauern zahlreiche Experten, weil es in der Energiekrise ein sinnvolles Instrument sei, berichtet „Der Spiegel“. In der Schweiz werden zwar zwei Drittel der Einnahmen aus der dortigen Abgabe verteilt, aber die Prämie von 87 Schweizer Franken ist unabhängig vom Einkommen.

Maßnahme entfaltet Wirkung

Die CO2-Steuer zeigt bislang eine eher positive Wirkung. 2021 wurden 20 Prozent weniger Diesel und zehn Prozent weniger Benzin verkauft, gab die Regierung im März an. Damit erreichte Luxemburg auch das gesetzte Klimaziel für den Transportbereich im vergangenen Jahr. Allerdings kam eine Statec-Studie 2020 zum Schluss, dass die CO2-Steuer wohl nicht ausreichen werde, um die Klimaziele auch in den kommenden Jahren zu erreichen.

Die Energiekrise hat hier aber auch neue Fakten geschaffen. Seit dem Frühsommer liegt der Spritverkauf unter den Prognosen. Diese Entwicklung führte zu der Verlängerung des Tankrabatts. Die Experten des Statec gingen in ihren Berechnungen davon aus, dass eine Erhöhung des Spritpreises um ein Prozent einen Rückgang des Verkaufs um 0,4 Prozent zur Folge hat. Das gilt für in Luxemburg ansässige Bürger und Unternehmen. Der Spritexport („Tanktourismus“) reagiert aber deutlich sensibler auf Preiserhöhungen. Diese Reaktion auf Preisveränderungen entspricht den Erfahrungswerten. Der aktuelle Rückgang beim Spritverbrauch übersteigt aber die Erwartungen.

Die Preisfrage bleibt

Ein klassisches Problem von Umweltsteuern ist ihre Höhe. Ab wann wirken sie? Wann decken sie die Kosten, die sie verursachen? Die CO2-Steuer startete in Luxemburg mit 20 Euro pro Tonne – was Experten als viel zu niedrig einschätzten. Politisch verteidigte Blau-Rot-Grün diesen Preis als Durchschnitt der CO2-Steuern in Westeuropa. Vor allem aber reichte dieser Betrag, um den Tanktourismus einzuschränken – aber nicht zu sehr.

Doch langfristig ist es ein Widerspruch, dass große Unternehmen über den EU-Emissionshandel aktuell um die 80 Euro pro Tonne zahlen müssen, alle anderen aber nur 25 Euro. Die vom Klimabürgerrat vorgeschlagenen 200 Euro sind in der wissenschaftlichen Literatur durchaus konsensfähig. In der Schweiz liegt der CO2-Preis seit Januar bei umgerechnet 125 Euro.

Letztlich bleibt für eine ökologische Steuerreform das große Problem, wie der Übergang vom alten zum neuen System gelingt – und der Staat trotzdem die nötigen Mittel hat. Auch die Mitglieder des Klimabürgerrats warnen vor einem Einbruch der Einnahmen aus dem Tanktourismus, wenn die CO2-Steuer den Sprit teurer als im Ausland machen würde. Das Loslassen ist auch in der Steuerpolitik manchmal schwieriger als das Gestalten.


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