Die Entlassung von Felix Braz war rechtmäßig. Dies urteilt das Verwaltungsgericht und verwirft den Einspruch des ehemaligen Vizepremiers. Damit konnte auch eine Verfassungskrise abgewendet werden. Der Ex-Minister will gegen das Urteil in Berufung gehen.

Mit der Klage gegen seine Entlassung zwang Felix Braz die Richter des Verwaltungsgerichts dazu, gewissermaßen durch ein Minenfeld zu wandern. Eine Aufhebung des erzwungenen Rücktritts aus dem Jahre 2019 barg nämlich das Potenzial einer Verfassungskrise. Weder die Zusammensetzung des Parlaments noch die der Regierung wären dann zulässig. Eine solche Krise wird es nun erst einmal nicht geben. Denn die Verwaltungsrichter verwarfen den Einspruch des ehemaligen Vizepremierministers. Dabei folgten sie zu großen Teilen der Argumentation der staatlichen Seite, wie aus dem Urteil vom 10. Februar hervorgeht, das Reporter.lu vorliegt.

Vor Gericht hatten die Anwälte des Staates nämlich argumentiert, die Bewertung der Rechtmäßigkeit einer Entlassung eines Ministers falle nicht in den Kompetenzbereich eines Gerichts. Es handele sich hierbei um einen „acte de gouvernement“, der nicht vom Gericht überprüft werden könne, so die Anwälte. Die Richter stimmen dem nun in ihrem Urteil zu. Würde das Gericht sich dazu äußern, würde es die Gewaltenteilung missachten, befinden die Richter. Demnach kann der „Arrêté Grand-Ducal“ vom 11. Oktober 2019 nicht vom Gericht aufgehoben werden und die Entlassung von Felix Braz aus der Regierung ist rechtmäßig.

Mit den Umständen der Entlassung von Felix Braz wollte sich das Gericht offensichtlich nicht befassen. Dabei hatten die Anwälte des Ex-Ministers hervorgehoben, dass es sich beim „Arrêté“ um eine „Démission honorable“ handele und das Gericht zumindest die Faktenlage eines Regierungsaktes überprüfen müsse. Die Formulierung im „Arrêté“ legt nahe, dass Felix Braz aus freien Stücken zurückgetreten sei, was allerdings nicht der Fall war. Die Richter aber gehen in ihrem Urteil nicht auf die Argumente der Anwälte von Felix Braz ein und sprechen stattdessen im Urteil von einer „démission, respectivement révocation“. Beides wurde demnach gleichgestellt und somit konnte das Gericht sich auch als nicht zuständig erklären.

Übergangsgeld war rechtmäßig

Doch Felix Braz hatte nicht nur gegen seinen erzwungenen Rücktritt geklagt, sondern auch gegen die daraus resultierenden Folgen. Dabei ging es vor allem um das Einkommen des Ex-Regierungsmitglieds. Der ehemalige Justizminister erhielt nämlich noch zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Regierung ein „Traitement d’attente“. Dieses Übergangsgeld fällt allerdings geringer aus als das Ministergehalt. Da sich sein Einkommen durch die Entlassung also verringerte, konnte er gegen die Entscheidung des „Centre de Gestion du Personnel et de l’Organisation de l’Etat“ (CGPO) klagen, ihm das Übergangsgeld anstatt seines Gehalts zu zahlen.

Das Gericht hält denn auch fest, dass der Grünen-Politiker durch die Entscheidung des CGPO einen materiellen Schaden erlitten hat. Aus diesem Grund könne das Gericht die Klage auch als zulässig erklären. Darüber hinaus verwerfen die Richter aber auch diesen Einspruch. Sie teilen die Sichtweise der Anwälte von Felix Braz nämlich nicht. Diese hatten vor Gericht argumentiert, die Entscheidung des CGPO sei unter anderem nicht rechtmäßig, weil ihr Mandant bei der Entscheidung nicht mit einbezogen wurde. In ihrem Urteil schreiben die Richter jedoch, dass auch dies nicht zu einer anderen Entscheidung des CGPO geführt hätte.

Zusätzlich hatten die Anwälte von Felix Braz erklärt, er habe einen materiellen Schaden erlitten, weil der Rücktritt des Grünen-Abgeordneten Roberto Traversini – im Zuge der „Gaardenhaischen“-Affäre – kurz vor Felix Braz‘ Ausscheiden aus der Regierung beschlossen wurde und er selbst somit nicht ins Parlament nachrücken konnte. Da dies jedoch nicht in den Kompetenzbereich der CGPO fällt, sei das Argument irrelevant, so die Richter in ihrem Urteil.

Minister sind keine Beamten

Auch der Versuch des Klägers, eine Frage an das Verfassungsgericht zu stellen, wurde verworfen. Die Anwälte von Felix Braz wollten damit klären, ob das Gesetz über hohe Beamte verfassungskonform sei, weil es nicht die gleichen Bestimmungen für arbeitsunfähige Minister vorsehe. Für die Richter des Verwaltungsgerichts sind beide Posten nicht vergleichbar: Während Minister zu jeder Zeit abberufen werden könnten, würden hohe Beamte für längere Zeit ernannt.

Das Gericht hält zudem fest, dass es durch die Gewaltentrennung die Aufgabe des Parlaments sei, ein Entgelt für arbeitsunfähige Minister vorzusehen. Demnach könnten die Bestimmungen für Beamte im Krankenschein nicht auf den Fall von Felix Braz angewendet werden. Ohnehin hätte das lediglich zur Folge, dass das Gesetz über hohe Beamte gekippt würde und nicht, dass der Ex-Minister in den Genuss dieser Bestimmungen kommen könnte, so die Richter. Allerdings hätte dies eine Zivilklage auf Schadensersatz für Felix Braz ermöglicht.

Aus all diesen Gründen verwarf das Verwaltungsgericht letztlich den Einspruch des ehemaligen Vizepremiers gegen seine Entlassung. Am Ende ist dieser juristische Streit aber dennoch nicht. Felix Braz will Informationen von Reporter.lu zufolge gegen das Urteil in Berufung gehen. Der Fall dürfte demnach vor dem Verwaltungsgerichtshof fortgesetzt werden.

Im Kompetenzbereich des Parlaments

Der Prozess kann zudem als Scheitern der Legislative betrachtet werden. Weil das Parlament sich nie mit der Frage beschäftigt hat, was passieren soll, wenn ein Minister für längere Zeit arbeitsunfähig ist, konnte es überhaupt zur Klage von Felix Braz kommen. Dabei ist er nicht der erste Minister, der während seines Mandats für längere Zeit das Amt nicht ausführen konnte. Nach einem Verkehrsunfall im Jahr 1989 musste etwa der damalige Arbeitsminister Jean-Claude Juncker (CSV) mehrere Monate sein Amt ruhen lassen. Während dieser Zeit bezog er weiterhin sein Gehalt, hatten die Anwälte von Felix Braz argumentiert. Das Gericht äußert sich dazu nicht, weil es sich diesbezüglich für nicht zuständig erklärt.

„Es ist offensichtlich, dass wir in Zukunft für einen solchen Fall ein Gesetz verabschieden müssen“, sagt Djuna Bernard im Gespräch mit Reporter.lu. Für die Co-Parteipräsidentin von Déi Gréng ist hingegen auch klar, dass dies nicht rückwirkend auf den Fall von Felix Braz angewendet werden könnte. „Wir tun uns schwer damit, für eine einzelne Person ein Gesetz zu verabschieden“, so die Abgeordnete. Dabei haben die Regierungsparteien genau dies für Carole Dieschbourg getan. Doch auch in dem Fall wäre es laut der Abgeordneten besser gewesen, wenn bereits zuvor ein Gesetz verabschiedet worden wäre – etwa als sich die gleiche Frage 2012 bei der „Affäre Wickringen-Liwingen“ um den damaligen Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP) stellte.


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