Das Ausscheiden von Felix Braz aus dem Kabinett ist beschlossene Sache. Ein langjähriger Weggefährte des Ministers kritisiert die mangelnde Menschlichkeit hinter dieser Entscheidung. Partei und Regierung verteidigen ihr Vorgehen – und gehen allmählich zur Tagesordnung über.
„Herr Braz war, ist und bleibt Mitglied dieser Regierung“: Es ist ein Satz, wie man ihn von Xavier Bettel (DP) häufig hört. Aussagekräftig, druckreif und leidenschaftlich vorgetragen. Mit der Aussage, die der Premier vor rund einem Monat auf einer Pressekonferenz traf, sollte die große Solidarität der Regierung gegenüber dem Vize-Premier ausgedrückt werden.
Im Rückblick ist der Satz aber nicht mehr haltbar. Rund ein Monat nach Bettels Solidaritätsbekundung wird Felix Braz (Déi Gréng) nicht mehr Mitglied der Regierung sein. Seine Partei hat seine Nachfolge und alle daran anschließenden Personalwechsel beschlossen. Für Braz bleibt im grünen Personaltableau vorerst kein Platz mehr.
Der Grund für diese Entscheidung liegt offensichtlich in der schweren gesundheitlichen Situation des Grünen-Politikers. Das kühle, rationale Argument lautet: Die Regierung müsse handlungsfähig bleiben und dafür brauche man voll handlungsfähige Minister. Zur Erinnerung: Felix Braz erlitt Ende August einen Herzinfarkt und befindet sich seitdem in intensiver Behandlung in einem belgischen Krankenhaus.
Ehemaliger Beamter kritisiert Regierung
Laut der Entourage des erkrankten Politikers hätte die Koalition aber durchaus länger abwarten können. „Politisch und rechtlich ist die Entscheidung sicher zu begründen, aber menschlich wurde Felix Braz Unrecht getan“, sagt etwa Jeannot Berg, ehemaliger Mitarbeiter von Braz im Justizministerium, im Gespräch mit REPORTER. „Abzuwarten wäre eine menschliche Tugend gewesen. Doch man hat ihn schlichtweg nach etwas mehr als einem Monat nach seinem Herzanfall aufgegeben.“
Ich bin zwar kein Arzt, aber ich kann persönlich bezeugen, dass Felix Braz auf einem Weg der schnellen Besserung ist.“Jeannot Berg, ehemaliger Beamter im Justizministerium
Der ehemalige persönliche Assistent von Braz (sowie von dessen Vorgängern im Amt des Justizministers François Biltgen und Octavie Modert) sagt auch, dass der gesundheitliche Zustand seines früheren Chefs nicht aussichtslos sei. „Ich bin zwar kein Arzt, aber ich kann persönlich bezeugen, dass Felix Braz auf einem Weg der schnellen Besserung ist.“ Er sei ansprechbar, seine täglichen Fortschritte seien „enorm“. Für die weitere Rehabilitation sei die Zeit natürlich ein wesentlicher Faktor. Doch Jeannot Berg glaubt wie manche andere im Umfeld des 53-jährigen Politikers fest an eine Genesung.
Die Regierung gründete ihre Entscheidung freilich auf dem gesundheitlichen Ist-Zustand, der in Koalitionskreisen immer noch als ernst gilt. Rund zwei Wochen lang lag Felix Braz im künstlichen Koma. Selbst nach seiner Rückkehr ins Bewusstsein habe er sich in einem „Etat de conscience minimale“ befunden, wie es Premierminister Xavier Bettel am 6. September unter Berufung auf die behandelnden Ärzte ausdrückte. Dieser Zustand wird medizinisch graduell vom Wachkoma unterschieden, weil der Patient zeitweise Reaktionen auf Reize der Außenwelt zeigen kann.
Eine Absetzung in mehreren Etappen
Unabhängig von der gesundheitlichen Perspektive hat sich die Regierung die Entscheidung zur Absetzung des Vizepremiers nicht leicht gemacht. Die Ersetzung von Braz geschah stufenweise. Zunächst wurde François Bausch das Zeichnungsrecht für das Justizressort übertragen. Anfang September übernahm dann Sam Tanson das Justizressort, Braz blieb aber Vizepremier bzw. Minister ohne Ressort. Diese Woche bestimmten Déi Gréng dann mit Henri Kox einen definitiven Ersatz im blau-rot-grünen Kabinett.
Uns allen wurde bald bewusst, dass wir nicht ewig warten können, um eine Entscheidung zu treffen. Die Regierung muss funktionsfähig bleiben.“Christian Kmiotek, Co-Parteichef von Déi Gréng
Die ganze Personaldiskussion sei der Partei aufgezwungen worden, sagt Christian Kmiotek. „Wir waren alle geschockt und sind immer noch emotional sehr berührt vom menschlichen Schicksal von Felix Braz“, so der Co-Vorsitzende der Grünen im Gespräch mit REPORTER. Neben dem „Privatmenschen und Freund Felix Braz“ gebe es aber auch „eine öffentliche Person Felix Braz“. So schwer es einem auch falle, müsse man beides voneinander trennen. „Uns allen wurde bald bewusst, dass wir nicht ewig warten können, um eine Entscheidung zu treffen. Die Regierung muss funktionsfähig bleiben“, erklärt Kmiotek die Beweggründe seiner Partei.
Premier Xavier Bettel will dagegen auf Nachfrage von REPORTER nicht auf die Gründe der Regierungsumbildung eingehen. „Der Premierminister besteht darauf, die Privatsphäre von Herrn Braz zu respektieren und wird zur Zeit keine Details über seinen Gesundheitszustand mitteilen“, so die Stellungnahme aus dem Staatsministerium. Bettel betont zudem, dass es letztlich eine Sache des grünen Koalitionspartners sei. „Die Entscheidung, die vom Koalitionspartner Déi Gréng getroffen werden musste, war ganz sicher die schwierigste, die man sich vorstellen kann und der Premierminister zeigt dem gegenüber Respekt.“
Politische und finanzielle Konsequenzen
Für Felix Braz persönlich bedeutet die Entlassung aus der Regierung das vorläufige Ende seiner politischen Karriere. Eigentlich wäre ein aus dem Kabinett ausscheidender Minister der erste Ersatz für ein im entsprechenden Wahlbezirk freiwerdendes Mandat im Parlament. So etwa im Fall des ebenso diese Woche verkündeten Rücktritts des grünen Süd-Abgeordneten Roberto Traversini. Doch ein solches Mandat kann Braz aktuell aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht annehmen.
Rein rechtlich gesehen kann ein Minister jederzeit von seinem Amt enthoben werden, auch ohne sein Einverständnis. Laut Verfassungs- und Gesetzeslage kann der Staatsminister in allen Fällen, die die Organisation der Regierung betreffen, den Ministerrat anrufen. Letztlich ernennt und entlässt der Großherzog die Mitglieder der Regierung, wie es im Grundgesetz heißt. In der politischen Praxis geschieht dies auf Vorschlag des Premiers bzw. nach Entscheidung im Ministerrat.
Das Ausscheiden aus der Regierung hat jedoch auch finanzielle Konsequenzen für Braz und dessen Familie. Als Vize-Premier bezog Felix Braz eine Brutto-Vergütung von über 23.000 Euro pro Monat. In den ersten drei Monaten nach der Entlassung wird ihm laut Gesetz zwar das volle Gehalt ausgezahlt. Danach sinkt das Übergangsgeld für Ex-Minister allerdings auf knapp ein Drittel des zuvor bezogenen Gehalts. Das „traitement d’attente“ wird ehemaligen Regierungsmitgliedern maximal während zwei Jahren gewährt.
Ein „hartes, gnadenloses Geschäft“
Weitere gesetzliche Regelungen, die etwa in einem Krankheitsfall eines Ministers greifen, gibt es nicht. Auch dieser Fakt stößt bei Jeannot Berg auf Kritik. Jeder Arbeitnehmer des Landes habe das Recht, krank zu sein und genieße im Fall einer Arbeitsunfähigkeit einen gesetzlichen Kündigungsschutz von 26 Wochen. Ein Regierungsmitglied sei zwar kein Beamter oder Angestellter. Doch man hätte Braz zumindest mehr Zeit geben können, damit er eine realistische Chance zur Genesung bzw. zumindest zur bewussten Erfassung seines Ausscheidens aus der Regierung gehabt hätte, so Berg.
Behandelt man so einen Menschen, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es diese Koalition überhaupt gibt?“Jeannot Berg, ehemaliger Beamter im Justizministerium
Laut Jeannot Berg geht es also nicht vorrangig um die politischen und finanziellen Folgen. Er und andere aus dem unmittelbaren Umfeld des früheren Vize-Premiers kritisieren den mangelnden menschlichen Umgang in der Politik, der sich in diesem Fall besonders stark äußere. „Behandelt man so einen Menschen, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es diese Koalition überhaupt gibt? Behandelt man so einen Menschen, der stets unter persönlicher Aufopferung eine Vermittlerrolle in seiner Partei und in der Regierung eingenommen hat?“
Dass früher oder später eine Entscheidung getroffen werden musste, stellt dabei auch Jeannot Berg nicht in Frage. Letztlich könne auch niemand wissen, ob ein längeres Warten zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
Mehrere Politiker aus grüner Partei und Regierung beteuern jedoch, dass sie alles in ihrer Macht stehende versucht hätten, um eine ebenso sachlich wie emotional vertretbare Lösung zu finden. Unabhängig davon, wie lange man abgewartet hätte, hätte dies nicht die „menschliche Tragödie“ verhindert, mit der man es seit Ende August zu tun habe, sagt ein hochrangiger Koalitionspolitiker, der anonym bleiben will. In dieser Hinsicht könne die Politik eben ein „hartes, gnadenloses Geschäft“ sein.
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