Die Entlassung von Felix Braz im Oktober 2019 wird ein Fall für die Justiz. Der Anwalt des Ex-Ministers fordert in zwei Beschwerden an das Verwaltungsgericht die Annullierung des damaligen Rücktritts. Die Affäre könnte demnach weitreichende politische Folgen nach sich ziehen.
„Felix Braz klagt gegen seine Entlassung als Minister“, „Felix Braz klagt gegen erzwungenen Rücktritt von seinen Ämtern“, „Felix Braz wëll seng Demissioun als Minister annuléiere loossen“: Die Nachricht machte am vergangenen Freitag in den Medien schnell die Runde. Felix Braz hat über seinen Anwalt verwaltungsrechtliche Beschwerden eingereicht, die seine „Démission honorable“ als Regierungsmitglied im Oktober 2019 anfechten.
Im Interview mit „RTL Radio“ erklärte der Anwalt des ehemaligen Vize-Premierministers, dass es sich um zwei verschiedene Beschwerden handele. Ein „Recours“ betreffe die Entlassung von Felix Braz an sich, eine weitere Beschwerde beziehe sich auf die in seinen Augen „diskriminierende“ Entlohnung des Ex-Ministers nach dessen Entlassung, so der Jurist Jean-Marie Bauler. In beiden Fällen fühlt sich sein Mandant sowie dessen Familie und weiteres Umfeld ungerecht behandelt.
Der Hintergrund: Felix Braz erlitt im August 2019 einen Herzinfarkt und musste mehrere Monate lang im Krankenhaus behandelt werden. Nach rund einem Monat entschied seine Partei „Déi Gréng“, den Spitzenpolitiker im blau-rot-grünen Kabinett zu ersetzen. Am 11. Oktober 2019 unterzeichnete Großherzog Henri auf Vorlage von Premierminister Xavier Bettel (DP) den entsprechenden Erlass zur „Démission honorable“, womit Felix Braz aus der Regierung ausschied.
„Unbestreitbare Panik“ bei Déi Gréng
Es ist demnach genau dieser „Arrêté grand-ducal“ vom 11. Oktober 2019, gegen den der Anwalt von Felix Braz heute Rechtsmittel einlegt. Dabei führt die Beschwerde gegen die Entlassung, die Reporter.lu vorliegt, eine Reihe von juristischen Argumenten an. Dazu gehört vor allem die Feststellung, dass Braz die Entlassung nie gutgeheißen habe, ja zum damaligen Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht einmal darüber informiert werden konnte.
Es habe keine Vorwarnung und definitiv keine Einwilligung zu dieser Demission vorgelegen, argumentiert der Anwalt Jean-Marie Bauler. Deshalb könne es sich formaljuristisch nicht um eine Amtsniederlegung („Démission“), sondern um eine Amtsenthebung („Révocation“) gehandelt haben. Der entsprechende Erlass, der nur von einer „Démission honorable“ handelt, sei demnach als null und nichtig anzusehen und müsse rückgängig gemacht werden.
Doch in dem „Recours en réformation sinon en annulation“ wird auch mit politischen und zum Teil moralischen Erklärungen gegen die damalige Entscheidung argumentiert. Vor allem die Partei des entlassenen Ministers wird dabei frontal angegriffen. Das „orchestrierte Timing“ hinter der Entlassung von Felix Braz, die zeitlich mit dem Rücktritt von Roberto Traversini zusammenfiel, zeugten von einer „unbestreitbaren Panik der Partei Déi Gréng“ sowie „d’un manque total de tact et d’esprit de solidarité envers un des leurs“, heißt es in der verwaltungsrechtlichen Beschwerde.
„Prekäre finanzielle Situation“
In dem Schreiben an das Verwaltungsgericht wird denn auch eine Aussage von Xavier Bettel zitiert: „Den Herr Braz war, ass a bléift Member vun dëser Regierung“, sagte der Premierminister wenige Tage, nachdem die schwere Erkrankung von Felix Braz bekannt geworden war. Rund ein Monat später galt die starke Solidaritätsbekundung des Premiers aber schon nicht mehr. Der bis dahin als Vizepremier und Justizminister amtierende Grünen-Politiker wurde aus der Regierung entlassen.
Xavier Bettel, der den entsprechenden Erlass unterzeichnete, verwies dabei immer auf die Verantwortung von Déi Gréng, die diese Entscheidung getroffen hätten. „Die Entscheidung, die vom Koalitionspartner Déi Gréng getroffen werden musste, war ganz sicher die schwierigste, die man sich vorstellen kann und der Premierminister zeigt dem gegenüber Respekt“, hieß es Anfang Oktober 2019 in einer Stellungnahme des Staatsministeriums auf Nachfrage von Reporter.lu.
Der Anwalt von Felix Braz nimmt dagegen die ganze Regierung in die Pflicht. Die Vorgehensweise der politisch Verantwortlichen habe alle „elementaren Regeln des Anstands und der Würde“ missachtet, schlussfolgert Jean-Marie Bauler in seiner Beschwerde. Sein Mandant habe erst mit reichlich Verspätung von seiner Entlassung erfahren, was seinen Heilungsprozess negativ beeinflusst und letztlich die Zukunft seiner ganzen Familie aufs Spiel gesetzt habe.
Unabhängig vom juristischen Kern der Beschwerde sind dies Argumente, die aus dem näheren Umfeld von Felix Braz auch schon unmittelbar nach dessen Erkrankung zu vernehmen waren, wie Reporter.lu damals berichtete.
Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt
Die „illegale Demission“ von seinen politischen Ämtern habe Braz in eine „prekäre finanzielle Situation“ gestürzt, weil er dadurch im Wesentlichen sein Einkommen verloren habe, heißt es weiter in dem „Recours“. Konkret heißt das: Nach seiner Entlassung erhält Felix Braz während zwei Jahren ein Übergangsgehalt, das allerdings am Ende dieses Jahres ausläuft. Danach hat er als Ex-Minister das Anrecht, etwa wie die ehemalige Ministerin Maggy Nagel, einen hohen Beamtenposten anzunehmen.
Neben der Legalität des „erzwungenen“ Rücktritts und den finanziellen Folgen der Entlassung für Felix Braz persönlich wird in dem Anwaltsschreiben allerdings noch eine weitere grundsätzliche Frage aufgeworfen. Laut Artikel 54 der Verfassung muss ein aus seinem Amt entlassener Minister nämlich „von Rechts wegen“ als erster Ersatzkandidat auf der Liste, über die er ins Parlament gewählt wurde, wieder eingeschrieben werden.
Im Fall von Felix Braz ist das offenbar nicht geschehen, was laut dem Anwalt Jean-Marie Bauler einem Verstoß gegen die Verfassung gleichkomme. Zudem sei damit auch ganz praktisch die Verfassungsordnung erschüttert worden, weil die aktuelle Abgeordnetenkammer so nicht mehr rechtmäßig zusammengesetzt sei.
Von der Klärung der Frage, ob ein Minister ohne Einverständnis oder eigenes Wissen entlassen werden kann, erhofft sich der Anwalt von Felix Braz demnach nicht zuletzt einen rechtlichen Präzedenzfall, der unabhängig von der juristischen Tragweite politisch noch hohe Wellen schlagen könnte.
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