Flavio Becca hatte Anfang des Jahres Strafanzeige wegen angeblicher Verleumdung gegen Reporter.lu eingereicht. Hintergrund war ein Artikel über die Geschäftspraktiken des Unternehmers. Die Richter wiesen nun die Klage zurück – mit deutlichen Argumenten.

Der Kläger fühle sich „diffamiert“ und mit „verleumderischen Behauptungen“ konfrontiert, hieß es in einer Gegendarstellung von Flavio Becca vom 8. März 2021. Das „Droit de réponse“ bezog sich auf einen Artikel, der rund einen Monat zuvor bei Reporter.lu veröffentlicht worden war. In „La cuisine fiscale de Flavio Becca“ berichtete die Journalistin Véronique Poujol über die Hintergründe eines Gerichtsprozesses gegen Flavio Becca sowie über diverse Geschäftspraktiken des bekannten Luxemburger Unternehmers.

In seiner Gegendarstellung erwähnte Flavio Becca zudem, dass seine Anwälte im Rahmen der Berichterstattung über ihren Mandanten Strafanzeige wegen angeblicher Verleumdung beim Untersuchungsrichter des Bezirksgerichts Luxemburg eingereicht hätten. Dem Unternehmer ging es dabei vor allem darum, dem Eindruck zu widersprechen, wonach er „Steuervermeidung“ („évitement d’impôts“) bzw. „undurchsichtige Mechanismen“ („mécanismes opaques“) betrieben habe – zwei direkte Zitate aus dem besagten Artikel „La cuisine fiscale de Flavio Becca“.

Anfang März ging die Anzeige bei der Justiz ein, am 5. August 2021 wies ein Untersuchungsrichter sie erstmals ab. Die schlichte Begründung: Die in der Anzeige genannten und untersuchten Sachverhalte würden keineswegs einen Straftatbestand erfüllen. Flavio Beccas Anwälte reichten Berufung ein, woraufhin am 9. November die Ratskammer des Berufungsgerichts mit dem Fall befasst wurde. Am 23. November bestätigte die Kammer die ursprüngliche Entscheidung.

Richter untermauern Vorwürfe gegen Becca

In ihrer Begründung bemerken die Richter zunächst, dass die in der Anzeige zitierten Passagen „aus dem Kontext gerissen“ worden seien. Liest man den ganzen betreffenden Presseartikel, so die Richter weiter, würde sich ein komplettes Bild ergeben, das der Argumentation des Klägers widerspreche. Die Gegendarstellung von Flavio Becca, die Reporter.lu am 8. März 2021 veröffentlichte, enthalte zudem „keine präzise Anfechtung“ bezüglich des Artikels, auf den sich der Kläger beziehe.

Par leur publication, Véronique Poujol et le média journalistique Reporter.lu (…) ont poursuivi un but utile, à savoir informer le public sur les infractions qu’a commis un homme d’affaires omniprésent au Grand-Duché.“Leitender Untersuchungsrichter

In dem Beschluss, mit dem der leitende Untersuchungsrichter am Bezirksgericht Luxemburg die Einstellung des Verfahrens begründet und der Reporter.lu vorliegt, untermauert das Gericht denn auch selbst anhand mehrerer Erläuterungen aus dem Artikel „La cuisine fiscale de Flavio Becca“ den Vorwurf der „Steuervermeidung“. Der Richter bemerkt auch, dass in dem betreffenden Artikel mehrmals die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft im sogenannten Uhrenprozess gegen Flavio Becca zitiert werde.

Diese Passagen würden sich mit der Grundlage der journalistischen Recherche decken, heißt es weiter in der „Ordonnance de non-informer“ vom vergangenen August. In seiner Begründung macht sich der Untersuchungsrichter sowohl den Begriff der Undurchsichtigkeit („opacité“) von Beccas Geschäftspraktiken als auch jene der Steuervermeidung („évitement d’impôts“) und der Offshore-Strukturen („montage offshore“) selbst zu eigen, die im betreffenden Artikel von Reporter.lu verwendet wurden.

Bestätigung durch Urteil im „Uhrenprozess“

Zudem würden sich die Befunde des Artikels „La cuisine fiscale de Flavio Becca“ mit dem späteren Urteil im besagten Prozess gegen Flavio Becca decken, mit dem der Geschäftsmann in erster Instanz zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde. Die Analysen und Einschätzungen der Journalistin Véronique Poujol würden durch dieses Urteil „zum Teil bestätigt“, schreibt der leitende Untersuchungsrichter ausdrücklich.

Im Kern geht es dabei um die Vermischung im Umgang mit dem Privatvermögen und Besitzgütern von Gesellschaften, die von Flavio Becca verwaltet werden. Die Verstöße gegen geltendes Steuerrecht sind dabei nur ein Aspekt der einstigen Anklageschrift gegen den Unternehmer. Auch in der Begründung der Einstellung des Klageverfahrens gegen Reporter.lu erinnert das Gericht nochmals daran, worum es seiner Ansicht nach im sogenannten Uhrenprozess ging: „Le but recherché par le prévenu est très simple, et il l’a affirmé à d’itératives reprises : acheter au meilleur prix possible des montres de collection – en sous-entendant : en payant peu/pas de taxes et d’impôts.“

Recherche im Sinne des Informationsauftrags

Formaljuristisch sprechen noch weitere Punkte gegen die Gültigkeit der Anzeige von Flavio Becca. Laut dem Strafgesetzbuch müssen für den Tatbestand der Verleumdung („calomnie“) nämlich mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört laut Artikel 443 des „Code pénal“ etwa, dass der Kläger eine bösartige Absicht („intention méchante“) des Beschuldigten nachweisen muss. Eine solche Böswilligkeit sei bei den in der Anzeige zitierten Passagen jedoch nicht auszumachen, hält der leitende Untersuchungsrichter fest. Flavio Beccas Anwälte hätten dazu auch keine Nachweise geliefert.

Zudem habe die Autorin des Artikels sowie der Herausgeber im Sinne ihres Informationsauftrags und in Bezug auf eine bekannte Person des öffentlichen Lebens gehandelt, schreibt der Richter im Fazit seiner Begründung. „(…) [P]ar leur publication, Véronique POUJOL et le média journalistique REPORTER.LU ont accompli un acte qui leur est imposé par la nature de leurs fonctions et devoirs en tant que journalistes et ils ont poursuivi un but utile, à savoir informer le public sur les infractions qu’a commis un homme d’affaires omniprésent au Grand-Duché.“

Flavio Becca kann noch ein weiteres Mal gegen die Entscheidung in Berufung gehen. Sollte er dies nicht fristgemäß tun, wird ihm vom Gericht die Zahlung einer Kostenerstattung von 1.000 Euro an die „Caisse de consignation“ aufgetragen.

Der Unternehmer hat übrigens auch gegen das Urteil in dem sogenannten Uhrenprozess Berufung eingelegt. Der Prozess in zweiter Instanz sollte eigentlich im Januar 2022 verhandelt werden. Er wurde aber vertagt, weil Flavio Becca laut Informationen von Reporter.lu einen neuen Rechtsbeistand hat. Bisher wurde der Geschäftsmann von dem prominenten Pariser Rechtsanwalt Hervé Temime vertreten. Im Berufungsverfahren soll ihm nun die Luxemburger Anwältin Lydie Lorang zur Seite stehen. Da diese sich aber erst noch in den Fall einarbeiten muss, dürften die Verhandlungen voraussichtlich erst gegen Ostern stattfinden.


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