Bei der Verurteilung der US-Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten sind sich Luxemburgs Parteien stets einig. So auch im aktuellen Iran-Konflikt. Dabei könnte Luxemburg schon heute stärker an militärischen Interventionen der USA beteiligt sein, als es dem Land lieb ist.
„Wir rufen alle Beteiligten zu Zurückhaltung und Deeskalation auf.“ Wie bei anderen internationalen Konflikten reagierte Jean Asselborn (LSAP) auch auf die Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch die US-Streitkräfte mit einem Aufruf zu Besonnenheit. Man müsse einen kühlen Kopf bewahren und konsequent auf Diplomatie setzen, so Luxemburgs Außenminister.
International sieht sich Luxemburg wie üblich in einer Vermittlerrolle. Rhetorisch versteht sich Luxemburgs Regierung weltpolitisch gar als Friedensstifter. Seit Jahren ist das Großherzogtum nicht an Kriegseinsätzen beteiligt, die kleine Armee des Landes ist dafür auch nicht geeignet. Sehr wohl beteiligt sich Luxemburgs aber an internationalen Aufklärungs- und Ausbildungsmissionen in Krisengebieten.
Unabhängig von einer möglichen Eskalation des Konflikts zwischen den USA und dem Iran, wird sich an dieser Ausrichtung auch in Zukunft kaum etwas ändern. Dennoch kündigte Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) bereits im Juni seinen Rücktritt für den unwahrscheinlichen Fall an, dass sich Luxemburg an einem Krieg gegen den Iran beteiligen sollte.
Luxemburgs „diskrete Kriegsbeteiligung“
Andererseits ist die Formulierung „Kriegsbeteiligung“ eindeutig eine Definitionssache. Auch wenn Luxemburg nicht wie andere Staaten Soldaten an die Kampffront schickt, trägt das Land durchaus zur Verwirklichung weltweiter militärischer Operationen bei. Dabei gerät vor allem die Rolle des Satellitenbetreibers SES, an dem der Luxemburger Staat Anteile hält, ins Visier. Wie REPORTER bereits ausführlich berichtete, trägt Luxemburg so sehr wohl über die technische Unterstützung von Kampfdrohnen zum weltweiten „War on Terror“ bei.
Wir sind zwar nicht unmittelbar verantwortlich. Doch man kann auch moralisch verantwortlich sein.“Verteidigungsminister François Bausch
Auch die gezielte Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani wurde mithilfe einer US-Drohne vollzogen, wie es mehrere US-Medien unter Berufung auf militärische Kreise berichteten. Dabei ist nicht auszuschließen, dass dieser Drohnenangriff von Satelliten der SES-Tochter „SES Government Solutions“ technisch ermöglicht wurde. SES habe letztlich „keinen Einfluss darauf, wie die Kunden das Satellitensystem nutzen“, sagte ein Pressesprecher des Konzerns bei unseren Recherchen zum Thema Ende 2018.
Staat hat keinen unmittelbaren Einfluss
Auf die Frage der Verantwortung des luxemburgischen Staates stellt der Präsident des außenpolitischen Ausschusses im Parlament, Yves Cruchten (LSAP) die Gegenfrage: „Hat der Luxemburger Staat einen direkten Einfluss auf die Entscheidungen der SES?“ In der Tat hat der Staat über seine Mitglieder im SES-Verwaltungsrat, darunter der Kabinettschef des Premiers, Paul Konsbruck, keinen wirklichen Einfluss auf das operative Geschäft des Konzerns.
Yves Cruchten verweist lieber auf die allgemeinen ethischen und moralischen Fragen in Bezug auf Kampfdrohnen. Er verweist auf einen Beschluss der parlamentarischen Versammlung des Europarats vor einigen Jahren, der der Nutzung von Kampfdrohnen kritisch gegenübersteht. Die Abgeordneten erinnern daran, dass nach internationalem Recht „vom Staat gezielt durchgeführte Tötungen nur erlaubt sind, wenn die Person eine Gefahr für Menschenleben darstellt und es unmöglich ist, sie festzunehmen.“
Kernpunkt des Beschlusses ist die Mitverantwortung der Mitgliedsstaaten des Europarats am Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten. Laut dem Beschluss muss ein Mitgliedsstaat selbst untersuchen, ob die Menschenrechtskonvention eingehalten wurde, wenn der US-Drohnenangriff über Telekommunikationsstrukturen im Mitgliedsstaat durchgeführt wurde. Weitere konkrete Konsequenzen werden nicht gefordert.
Viele Fragen bleiben vorerst offen
Ob der Drohnenangriff nötig war, um Menschenleben zu schützen, ist fraglich. Die US-Regierung behauptet zwar, dass genau das der Fall war. Bei einer weiteren Eskalation würde aber wohl genau das Gegenteil erreicht werden. Zudem geht die UN-Sonderbeauftragte für außergerichtliche Hinrichtungen, Agnès Callamard, nicht davon aus, dass eine akute Gefahr von Qasem Soleimani ausging. Sicherheitsexperten sind sich allerdings einig, dass mehr Details nötig sind, um eine vollständige Bewertung der Situation abzugeben.
„Rein juristisch kann ich die Lage nicht bewerten“, äußert sich auch Claude Wiseler ausweichend. Dafür würden zu viele Informationen fehlen, so der außenpolitische Sprecher der CSV-Fraktion. Allerdings sei das Handeln der US-Regierung „sowohl politisch als auch militärisch ein großer Fehler“ gewesen. Für den Oppositionspolitiker ist klar: „Die Tötung des Generals der Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden hat zu mehr Instabilität geführt, die Terrormilizen, wie zum Beispiel der IS, nun ausnützen könnten.“
Bei der politischen Einschätzung sind sich Luxemburgs Parteien wie so oft bei weltpolitischen Fragen sehr einig. Und bei der Frage der Beteiligung am Drohnenkrieg der USA fühlen sich die meisten Politiker nicht verantwortlich.
Die vage Verantwortung des Ministers
Selbst David Wagner (Déi Lénk) fragt sich, wie der Staat seiner Verantwortung hier konkret gerecht werden könnte. „Als Mehrheitsaktionär müsste man auch mitentscheiden können, was in dem Unternehmen stattfindet“, sagt der Abgeordnete. Da es sich bei „SES Government Solutions“ aber um eine Tochterfirma der „SES“ handelt, könnte sich das als schwierig erweisen. Sein Vorgänger als Parlamentarier der Linken, Justin Turpel, war da in der Vergangenheit etwas deutlicher: „Die Fakten liegen auf dem Tisch. Durch die SES ist Luxemburg ganz klar in Kriege verwickelt.“
Dabei hatte Verteidigungsminister François Bausch (Déi Gréng) noch vor wenigen Monaten im Interview mit REPORTER gemeint, dass er die Zusammenarbeit der „SES“ mit ausländischen Armeen „ganz sicher stärker thematisieren“ möchte. „Ich denke nicht, dass der luxemburgische Staat eine Verantwortung hat, in dem Sinn, dass er haftbar gemacht werden könnte. Wir haben aber auch eine moralische Verantwortung“, so der Vizepremier damals.
Heute sind jedoch andere Töne aus seinem Ministerium zu hören. „Die SES ist nicht in meinem Aufgabenfeld, ich kann mich daher nicht zu diesen Fragen äußern“, lässt der Verteidigungsminister über einen Sprecher mitteilen. Und auch der baldige Vizepremier Dan Kersch dürfte seiner Rücktrittsdrohung wegen der mittelbaren Beteiligung an US-Drohnenangriffen wohl keine Folge leisten.
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