Trotz der Verschärfung der Wohnungskrise scheitert Blau-Rot-Grün daran, vor den Wahlen zwei wichtige Reformen umzusetzen. Nach ersten Fortschritten müssen sowohl die Neugestaltung der Grundsteuer als auch eine Spekulationssteuer auf Bauland vertagt werden.
„Wir warten alle ungeduldig auf die Reform der Grundsteuer. Wenn sie erst da ist, kennen wir auch die Bebaubarkeit eines Grundstücks. Dann dürfte es auch nicht schwer sein, eine gerechte Besteuerung für Bauland einzuführen“, sagte Yves Cruchten (LSAP) vor zwei Wochen während einer parlamentarischen Debatte über die Einführung einer Spekulationssteuer. Auch die Grünen erhoffen sich viel von einer Reform. Mit dieser könnten „kurzfristig neue Wohnungen geschaffen werden“, schrieb die Partei auf Twitter.
Doch die Geduld der Politik und der Bürger wird weiter strapaziert. Kurz vor der Debatte erklärte Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Laurent Mosar und Marc Spautz (beide CSV), dass die Grundsteuer erst eingeführt werden könne, wenn alle allgemeinen Bebauungspläne (PAG) der Gemeinden verabschiedet wurden. Dabei hat erst knapp die Hälfte der Gemeinden die PAG-Prozedur abgeschlossen. Sieben Kommunen haben die Prozedur noch nicht begonnen.
Der Erstellung eines Plans gehen mehrere Studien, etwa zur Auswirkung auf die Umwelt, voraus. „In den betroffenen Gemeinden werden diese Studien gerade abgeschlossen. Dies kann allerdings nicht beschleunigt werden, da einige Daten nur zu bestimmten Jahreszeiten erhoben werden können“, heißt es hierzu von der Pressestelle des Innenministeriums. Erst danach kann der Bebauungsplan erstellt und vom Gemeinderat verabschiedet werden.
Die tatsächliche Prozedur beträgt zudem mindestens zehn Monate. Anschließend muss das Innenministerium der Gemeinde grünes Licht geben. Mit anderen Worten: „Wie es aussieht, wird die Grundsteuer in dieser Legislaturperiode nicht mehr umsetzbar sein“, so Max Hahn (DP) im Gespräch mit Reporter.lu. Die technische Umsetzung wird in diesem Zeitrahmen eng. Somit verlängert sich die Phase der Untätigkeit, die seit 80 Jahren anhält, über 2023 hinaus in eine weitere Legislaturperiode.
Das Baupotenzial entscheidet
Das Grundkonzept steht: In die Berechnung der Steuer sollen die Größe des Grundstücks, die Baudichte und die regionalen Wohnungspreise einfließen. Zur Diskussion steht auch, die Preise der Hauptstadt als Referenzrahmen zu nutzen. Die Steuer würde dann mit zunehmender Distanz zur Hauptstadt sinken. Jedoch macht vor allem die Baudichte dem Innenministerium zu schaffen, denn sieben Gemeinden beziehen sich weiterhin auf das Gesetz von 1937, in dem diese nicht vorgesehen war. Dementsprechend ist einer der Hauptfaktoren für die Berechnung zurzeit schwer zu ermitteln.
Weitere 35 Gemeinden haben die Prozedur noch nicht abgeschlossen. Hier könnten also noch Änderungen bei der Flächennutzung vorkommen. „Im Extremfall könnten zurzeit als Bauland vorgesehene Felder wieder als Grünland rückklassiert werden, dann wäre unsere Berechnung falsch. Die Prozedur muss also abgeschlossen sein, um eine gerechte Besteuerung einzuführen“, erläutert die Pressesprecherin des Innenministeriums im Gespräch mit Reporter.lu.
Es kann nicht sein, dass man auf den letzten Bürgermeister wartet, um die größte Reform der Regierung zu verabschieden.“Gilles Roth (CSV)
Währenddessen beauftragte das Ministerium bereits ein Unternehmen mit der Erstellung einer Software, die den Grundstein für die Reform darstellen soll. Zurzeit wird bei der Ausarbeitung eines Bebauungsplans der Kataster zeitlich „eingefroren“. Sprich: Der mehrjährig gültige Bebauungsplan kann später stattfindende Änderungen, wie etwa eine Neuaufteilungen von Parzellen nicht berücksichtigen. Auch aus diesem Grund werden die neuen Pläne benötigt. Das Programm kann nur Daten aus der neuesten Generation von Bebauungsplänen ablesen. Für die sechs Gemeinden, die weiterhin ein PAG der zweiten Generation von 2004 benutzen, könnten die Daten laut Ministerium auch manuell eingetragen werden.
Unverständnis für Vorgehensweise
Koalitionspolitiker versuchen derweil, den politischen Schaden der Verzögerungen zu begrenzen: „Die Entwicklung der Software zeigt, dass die Arbeiten an der Reform weiter gehen“, sagt Yves Cruchten im Gespräch mit Reporter.lu.
Der Optimismus des LSAP-Politikers wird von der Opposition nicht geteilt. „Es kann nicht sein, dass man auf den letzten Bürgermeister wartet, um die größte Reform der Regierung zu verabschieden“, kritisiert Gilles Roth (CSV) im Gespräch mit Reporter.lu. Der Abgeordnete nahm selbst an der ersten Sitzung der interministeriellen Arbeitsgruppe teil. Als Berichterstatter des Budgets von 2012 brachte er die Bebaubarkeit als Kriterium für die Grundsteuer ins Spiel.
Es muss sich noch zeigen, ob die Parteien tatsächlich hinter einer Reform stehen.“Tom Becker, Universität Luxemburg
„Nichts hindert die Regierung daran, jetzt einen Gesetzentwurf einzureichen und ein späteres Inkrafttreten im Text festzulegen“, sagt der Bürgermeister von Mamer. Von der Einreichung eines Textes bis zu dessen Verabschiedung können neun Monate vorgehen, in der Zwischenzeit könnten bereits mehrere Gemeinden ihre Prozedur abschließen, so Gilles Roth. Zum Vergleich: Der Gesetzentwurf zum „Pacte Logement 2.0“ wurde vor elf Monaten eingereicht und soll erst diese Woche verabschiedet werden. In der Zwischenzeit haben 16 Gemeinden die Prozedur begonnen und weitere 14 sie abgeschlossen.

Doch die Festlegung eines Steuersatzes steht und fällt mit den definitiven Bebauungsplänen. „Diese sind notwendig, um die Simulationen durchzuführen, die es erlauben, ein kohärentes System einzuführen“, so Taina Bofferding (LSAP) und Pierre Gramegna (DP) in ihrer gemeinsamen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Ohne die Simulationen mit konkreten Fällen könne man nur schwer dem Ziel einer transparenten und fairen Grundsteuer gerecht werden, so die Minister.
„Bereits 54 Gemeinden haben ihre Prozedur abgeschlossen, darunter auch die Stadt Luxemburg, damit müsste es eigentlich möglich sein, mehrere Szenarien durchzuspielen“, entgegnet Gilles Roth. Tatsächlich laufen die Rechner im Ministerium bereits.
Tom Becker, Geograf an der Universität Luxemburg, erhielt Einblick in die laufenden Tests. „Es handelt sich hierbei um sehr komplexe Rechnungen“, so der Forscher im Gespräch mit Reporter.lu. Er nimmt an, dass der Grund für die Verzögerung ein anderer ist. „Wenn die Pläne vorliegen, muss sich noch zeigen, ob die Parteien tatsächlich hinter einer Reform stehen“, sagt Tom Becker.
Eine harmlose Steuer
„Es gibt überhaupt keine politische Divergenz zwischen den Regierungsparteien, dass eine Reform nötig ist“, sagt Yves Cruchten. Doch auch Gilles Roth zweifelt die Geschlossenheit der Koalitionspartner an. „Die Regierung macht keine Reform der Grundsteuer, um die Grundbesitzer zu entlasten“, vermutet der CSV-Abgeordnete. Somit birgt der Text ein gewisses politisches Sprengpotenzial. Tatsächlich bestehen selbst innerhalb der sozialistischen Partei unterschiedliche Auffassungen über den Sinn und Zweck der Reform.
Noch vor zwei Jahren forderte der damalige Abgeordnete Franz Fayot (LSAP), dass die Grundsteuer ein Lenkungsinstrument sein und deshalb zwangsläufig höher ausfallen solle. Die Innenministerin Taina Bofferding sieht das allerdings anders: „Die Grundsteuer von heute und die von morgen ist kein geeignetes Mittel, um gegen Spekulation vorzugehen“, sagte sie im „RTL Background“.
Ziel und Zweck der Maßnahme schränkte auch Vizepremier Dan Kersch (LSAP) kürzlich im „Lëtzebuerger Land“ ein. „Ich bin davon überzeugt, dass die Grundsteuer für Menschen, die ein Haus oder ein Grundstück für ihre Enkelkinder zurückhalten, auf der jetzigen Höhe bleiben soll“, so der Vizepremier.
Wir verschließen uns sicherlich keiner Diskussion über die Bekämpfung von Spekulation mit brachliegendem Bauland.“Max Hahn (DP)
Der Parteivorsitzende Yves Cruchten sieht darin keinen Widerspruch. „Es handelt sich hier um zwei verschiedene Sachen. Die Grundsteuer wird es ermöglichen, eine Spekulationssteuer einzuführen“, so der Abgeordnete. Diese sei dann das gewünschte Lenkungsinstrument. Die Ausnahme seien allerdings Flächen, die von den Kindern oder Enkeln des Besitzers genutzt werden sollen. Eine Forderung, die bereits die DP äußerte. „Wir sind uns bei der Bestandsaufnahme einig. Wir sind aber noch nicht am Punkt angelangt, an dem wir bereits einen entsprechenden Vorschlag ausarbeiten können“, so Max Hahn.
Der Premierminister ging im Gespräch mit „Paperjam“ wiederum weiter. „Wenn jemand ein Bauland brachliegen lässt, dann soll die Person besteuert werden“, so Xavier Bettel. Von Ausnahmen war keine Rede. Dann würden von einem Tag auf den anderen sehr viele Wohnungen und Bauland benutzt werden, so der Premier. Auch Taina Bofferding positionierte sich im Interview mit RTL klar für eine Spekulationssteuer.
Dominoeffekt der Reform
Ohne die Bebauungspläne gibt es keine Grundsteuer und ohne die Grundsteuer gibt es keine nationale Spekulationssteuer, betonte die Innenministerin.
Dennoch heißt es aus Koalitionskreisen, dass man weiter hinter der Reform stehe. „Wir verschließen uns sicherlich keiner Diskussion über die Bekämpfung von Spekulation mit brachliegendem Bauland“, stellt Max Hahn fest. Nur könne diese zumindest in dieser Legislaturperiode wohl nicht über die Grundsteuer stattfinden, so der DP-Abgeordnete. Er wolle aber nicht ausschließen, dass eine Spekulationssteuer über einen anderen Weg eingeführt werden könne.
Eine Möglichkeit wäre etwa, der Spekulation auf kommunaler Ebene einen Riegel vorzuschieben. Gegen die Spekulation mit leer stehenden Wohnungen oder unbebauten Flächen wollen nur acht Gemeinden vorgehen. Lediglich in drei Gemeinden müssen Besitzer von brachliegendem Bauland diese Steuer auch tatsächlich zahlen, sagte Taina Bofferding während einer Debatte im Parlament.
Zumindest sollen keine neuen Baulücken entstehen, vertrösteten Vertreter der Regierungsparteien während der Debatte. Ein weiterer Gesetzentwurf des Innenministeriums soll dies sicherstellen. Unter dem Baulandvertrag sollen als neues Bauland ausgewiesene Grünflächen innerhalb eines festgelegten Zeitplans erschlossen werden. Findet dies nicht statt, wird das Land erneut zur Grünfläche. Auch das liegt allerdings noch in ferner Zukunft. Seit den publizierten Änderungsanträgen des Ministeriums Anfang November stand der Gesetzentwurf nur einmal auf der Tagesordnung des Innenausschusses. Währenddessen steigen die Preise auf dem Wohnungsmarkt kontinuierlich weiter.
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