Luxemburgs Wohnungsmarkt boomt, vor allem in der Hauptstadt. Eine systematische Recherche von Reporter.lu zu den aktuellen Immobilienanzeigen verdeutlicht: Innerhalb der Stadt gibt es zwar größere Unterschiede, doch die Tendenz rasant steigender Preise ist durchaus konstant.

Mehr als 16.000 Anzeigen zählt die Plattform „athome.lu“ für das gesamte Land, allein 6.750 für Luxemburg-Stadt. Wohnungen, Häuser, Garagen, Büros, Bauland oder Geschäfte. Zu vermieten oder zu verkaufen. Reporter.lu durchforstete eine große Anzahl an Anzeigen, überprüfte Doppelungen und Falschanzeigen. Das Ergebnis ist ein neuer, aktueller Blick auf den Immobilienmarkt der Hauptstadt.

Dabei wird deutlich: Die landesweite Preissteigerung von 16,7 Prozent innerhalb eines Jahres ist nicht ungewöhnlich. In mehreren Bezirken der Hauptstadt ist sie vielmehr seit Jahren die neue Normalität. Laut den letzten verfügbaren Daten steigen die Preise seit 2017 in den einzelnen Vierteln von etwa 3,8 bis 15,4 Prozent jährlich.

10.000 Euro pro Quadratmeter – und aufwärts

Der Zugang zum eigenen Heim wird in der Hauptstadt für viele Menschen zunehmend zum kaum verwirklichbaren Traum. Lediglich in einem Bezirk liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis knapp unter 10.000 Euro. Eine 50-Quadratmeter-Wohnung kostet demnach in Hamm fast 490.000 Euro. Währenddessen sind in der Oberstadt, Merl und Belair die Preise stärker gestiegen und liegen nun zwischen 14.000 und 14.600 Euro. Im gleichen Zeitraum sind die Preise dort um 10 bis 15 Prozent gestiegen.

In Belair würde die gleiche Wohnung mit 50 Quadratmetern etwa 708.000 Euro kosten – mehr als 200.000 Euro Unterschied für eine Entfernung von nicht einmal fünf Kilometern Luftlinie. Noch deutlicher ist die Tendenz bei Neubauten. 116 Quadratmeter in einem Neubau in Belair sind etwa für 2.417.675 Euro zu haben. Es ist eine von 69 Wohnungen der neuen Siedlung „Résidence“. Höchstpreis für ein Penthouse im Neubau von 186 Quadratmetern: 3.254.080 Euro.

Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs der Immobilienpreisentwicklung von Luxemburg-Stadt.

„Ich finde es nicht abwegig, dass die Preise so stark gestiegen sind“, sagt Julien Licheron im Gespräch mit Reporter.lu. Der Forscher des „Observatoire de l’Habitat“ untersucht seit Jahren die Preisentwicklung in Luxemburg und in den verschiedenen Vierteln der Hauptstadt.

Die Ergebnisse von Reporter.lu seien in etwa vergleichbar mit den Werten, die das „Observatoire de l’Habitat“ über die Plattform "immotop.lu" gesammelt habe, so der Ökonomist. „Die leichte Überbewertung im Vergleich zu den letzten Daten auf immotop.lu kann schlicht daran liegen, dass die Preise seither wieder deutlich gestiegen sind“, erklärt Julien Licheron vom "Luxembourg Institute of Socio-economic Research" (LISER). Die von Reporter.lu gesammelten Daten bekräftigen somit die Ergebnisse des Forschungsinstituts.

Die Preisspirale dreht sich weiter

Die systematische Analyse der Immobilienanzeigen offenbart zudem, wie teuer ehemalig günstigere Viertel der Stadt inzwischen sind. Während Bonneweg mit einem durchschnittlichen Preis von 10.300 Euro pro Quadratmeter noch vergleichbar günstig scheint, sind die Preise in Gasperich in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen. Eine Wohnung im neuen Viertel des Ban de Gasperich ist etwa so teuer wie eine Wohnung in Belair.

Der Grund für den Anstieg sind zum Teil Neubauten, die zu höheren Preisen verkauft oder vermietet werden können als bestehende Wohnungen. In Gasperich ist ein Quadratmeter im Neubau knapp 15 Prozent teurer als in einem Altbau. Das entspricht ungefähr dem Schnitt für die gesamte Stadt Luxemburg.

Investoren kaufen eher neue Immobilien, um diese an wohlhabendere junge Menschen zu vermieten, dies kann nach und nach zu einem Austausch der Stadtbevölkerung führen."Antoine Paccoud, "Observatoire de l’Habitat"

„Wenn die Leute hören, dass die Preise erneut gestiegen sind, dann erhöhen sie natürlich auch den Verkaufspreis ihrer eigenen Wohnung“, erklärt Jean-Paul Scheuren im Gespräch mit Reporter.lu. Dieser "Feedbackmechanismus" würde beispielweise auch in Gasperich zu einer weiteren Zuspitzung der Preise auf dem Markt führen, so der Präsident der "Chambre Immobilière".

Die Auswirkungen des neuen Geschäftsbezirks sind allerdings auch in der Preisentwicklung zu erkennen. Die letzten offiziellen Daten zu den Immobilienpreisen in den verschiedenen Stadtvierteln veröffentlichte das "Observatoire de l’Habitat" im Jahr 2017. Seitdem hat sich die Lage in der ganzen Hauptstadt verschärft.

Starker Anstieg in den Außenbezirken

In vier Jahren sind die Preise in der Oberstadt jährlich um 15 Prozent gestiegen. Eine Wohnung, die im Jahr 2017 für 500.000 Euro gekauft wurde, wäre demnach heute 875.000 Euro wert. Sollte die Preisentwicklung im nächsten Jahr konstant bleiben, hätte sich der Wert innerhalb von nur fünf Jahren verdoppelt.

Doch nicht nur in der Oberstadt sind die Preise rasant gestiegen, auch in den Außenbezirken wurden Preisanstiege zwischen zehn und 15 Prozent verzeichnet. Allerdings hängt dies auch stark von den angebotenen Immobilien ab. „Die Wohnungen werden immer kleiner, wir haben also auch einen Flächeneffekt bei der Preisentwicklung“, sagt Julien Licheron.

Sprich: Der Quadratmeterpreis nimmt ab, wenn die Fläche der Wohnung zunimmt. Werden demnach zunehmend kleine Wohnungen gebaut, steigt auch der durchschnittliche Quadratmeterpreis zwingend. „In Cessange lag die durchschnittliche Größe einer zum Verkauf stehenden Wohnung im Jahr 2017 bei etwa 80 Quadratmetern, mittlerweile sind es nur noch 73 Quadratmeter“, so der Forscher des LISER.

Ähnliche Entwicklungen gab es auch in den anderen Bezirken. In Limpertsberg ist die Größe allerdings konstant geblieben, es ist auch der Bezirk mit der geringsten Wertsteigerung in den vergangenen Jahren. Dies liegt in erster Linie daran, dass das Viertel schon früher sehr hohe Preise verzeichnete.

Gentrifizierung oder doch nicht?

Doch was bedeutet das für die Bevölkerung der Stadt Luxemburg? „Das ist schwer zu sagen, wir haben keine Daten über die Abwanderungsgründe der Stadtbevölkerung“, sagt Antoine Paccoud. Eine Gentrifizierung, also die Verdrängung von langjährigen Bewohnern durch wohlhabende Zuziehende, sei anhand der Kaufpreisentwicklung nur schwer festzustellen, so der Leiter des "Observatoire de l'Habitat".

Wenn die Kaufpreise steigen, wird der Zugang zum Eigenheim selbst für Gutverdiener unwahrscheinlicher. Sie sind die zukünftigen Mieter."Jean-Paul Scheuren, "Chambre Immobilière"

„Investoren kaufen eher neue Immobilien, um diese an wohlhabendere junge Menschen zu vermieten, dies kann nach und nach zu einem Austausch der Stadtbevölkerung führen“, so der Forscher. Langjährige Besitzer von Wohnungen könnten dann zwar kurzfristig durch den Verkauf ihrer Immobilie eine hohe Rendite erwirtschaften, allerdings würde diese nicht reichen, um eine neue Wohnung zu kaufen, erklärt Antoine Paccoud. „Es gibt in Luxemburg keinen Zufluchtsort für diese Menschen, weil die Preise im ganzen Land enorm hoch sind.“

Erst mit der nächsten Volkszählung könnten erste Schlüsse über einen möglichen Verdrängungseffekt in den verschiedenen Stadtteilen gezogen werden. Dann werde ersichtlich, ob sich die Bevölkerungsstruktur der Stadt verändert habe. Zumindest was den Kauf von Immobilien betrifft, rechnen die Forscher allerdings nicht damit, dass eine Wohnung in der Stadt noch für den Durchschnittsbürger erschwinglich ist. „Im europäischen Bereich befinden wir uns bei den Immobilienpreisen bereits in der Stratosphäre. Nur noch große Bauträger können weitere Wohnungen in der Stadt aufkaufen“, so Antoine Paccoud.

Auch die Mietpreise sind im Aufwind

Dass eine Verdrängung durchaus plausibel ist, zeigt sich auch an den Mietpreisen. 2020 veröffentlichte die Beraterfirma Deloitte ihren "House Property Index" und kam zur Schlussfolgerung, dass Luxemburg-Stadt von den untersuchten Städten mit 30 Euro pro Quadratmeter die teuersten Mietpreise aufweist. Die von Reporter.lu analysierten Daten zeigen einen leichten Rückgang, der Durchschnittspreis liegt nun bei etwa 28 Euro – damit wäre der Quadratmeter im Durchschnitt nur 30 Cent billiger als in Paris.

Die Recherche

Für diesen Artikel untersuchte Reporter.lu in der ersten Juniwoche systematisch die Anzeigen auf der Plattform "athome.lu". Die hier vorgestellten Daten beziehen sich somit auf den angegebenen Preis, der vom tatsächlichen Kaufpreis abweichen kann. Dennoch handelt es sich bei den Rechercheergebnissen um die neuesten verfügbaren Daten für die Entwicklung der Immobilienpreise in der Hauptstadt. Das "Observatoire de l'Habitat" hat zuletzt 2017 einen Preisspiegel mit einer ähnlichen Methode für die verschiedenen Stadtviertel ermittelt.

Doch wer ist bereit, solche Mieten zu zahlen? Bereits im März 2018 meldete Bloomberg, dass britische Banker vermutlich in den neuen Wohneinheiten im Bahnhofsviertel ihr Zuhause finden könnten. Doch auch unter den Einheimischen wächst die Zahlungsbereitschaft bei Mieten. „Wenn die Kaufpreise steigen, wird der Zugang zum Eigenheim selbst für Gutverdiener unwahrscheinlicher. Sie sind die zukünftigen Mieter“, schätzt Jean-Paul Scheuren.

Das Risiko einer Immobilienblase

Dabei sind die Mietpreise im Vergleich zu den Kaufpreisen noch eher gering. Das ist einer von mehreren Hinweisen auf die Existenz einer Luxemburger Immobilienblase. Würde ein Investor heute eine Wohnung in der Stadt zum angegebenen Preis kaufen und diese nur über die Miete zurückzahlen, wäre die Immobilie im Durchschnitt erst nach 39 Jahren vollständig abbezahlt. Allerdings ist eine Mietwohnung in der Regel älter als zum Verkauf stehende Immobilien.

„Es ist ein Indiz dafür, dass ein Investor nicht nur auf die Miete, sondern auch auf eine Wertsteigerung der Immobilie setzt“, sagt Julien Licheron. „Während die Rendite vor einigen Jahren noch bei vier bis fünf Prozent jährlich lag, hat sich die Branche nun mit 2,0 bis 2,5 Prozent abgefunden“, erklärt auch Jean-Paul Scheuren von der "Chambre Immobilière". "Längere Laufzeiten von Darlehen und niedrige Zinssätze tragen dazu bei, dass alternative Investitionen auf wenig Interesse stoßen."

Im letzten Jahr haben zudem mehrere Faktoren eine Preissteigerung begünstigt. Die beschleunigte Abschreibung ("amortissement accéléré") vom Kauf von Neubauten, die vermietet werden, wurde von sechs auf fünf Prozent reduziert. „Das könnte zu einer Torschlusspanik geführt haben, bei Menschen, die in den kommenden Jahren planten, in eine Wohnung zu investieren“, meint Julien Licheron. Zudem seien durch den Brexit mehr Besserverdiener in die Hauptstadt gezogen. Da die Nachfrage nach Wohnraum weit über dem Angebot liegt, könne sich bereits dieser kleine Bevölkerungszuwachs spürbar auf den Immobilienmarkt auswirken, so der Forscher.

Hoffnung auf geringere Preissteigerung

Dennoch: Eine landesweite Wertsteigerung von 16,7 Prozent bleibt eine Anomalie. „Ein Teil davon ist sicherlich auch auf Spekulation zurückzuführen“, so Jean-Paul Scheuren. Doch das Hauptproblem bleibt der schleppende Anstieg von zum Verkauf stehenden Wohnungen.

An dieser Realität wird sich wohl auch in den kommenden Jahren wenig ändern. Laut Statec müssten jährlich mindestens zwischen 5.600 bis 7.500 Wohnungen entstehen, um dem Bedarf an Wohnraum gerecht zu werden und die Preissteigerung damit abzufedern. 2018 konnten jedoch nur 3.300 Wohnungen gebaut werden. Wie viele es in den letzten beiden Jahren waren, ist noch nicht bekannt.

Dennoch rechnet das Statistikamt mit einem geringeren Preisanstieg für das kommende Jahr. Demnach würden die Preise laut aktuellen Zahlen um weitere 6,6 Prozent steigen. „Ich gehe davon aus, dass sich die Preissteigerung langfristig bei 4,5 bis 5 Prozent einpendeln wird“, sagt Julien Licheron. Mit fallenden Preisen sei jedenfalls bis auf Weiteres nicht zu rechnen.

„Es ist kein Wunder, dass man mittlerweile von Monaco an der Alzette spricht“, sagt Antoine Paccoud. In vermutlich nicht allzu langer Zeit wird dann auch der letzte Stadtteil die Marke eines Durchschnittspreises von 10.000 Euro pro Quadratmeter überschreiten.


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