Nachdem der Anwalt Gaston Vogel in erster Instanz vom Vorwurf des Aufrufs zum Hass freigesprochen wurde, wird der Fall in naher Zukunft vor dem Berufungsgericht verhandelt. Die Anklage hat nämlich Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Ein Urteil, das Reporter.lu vorliegt.
Gaston Vogel muss erneut auf die Anklagebank. Denn die Staatsanwaltschaft hat Berufung gegen seinen Freispruch in erster Instanz eingelegt. Dieser Schritt überrascht nicht: Im ersten Prozess hatte nämlich der „Procureur d’Etat“ Georges Oswald eine Geldstrafe gefordert, weil seiner Ansicht nach das, was der bekannte Rechtsanwalt im August 2015 in einem offenen Brief über rumänische Bettler geschrieben hatte, ausdrücklich den Tatbestand des Aufrufs zum Hass (Artikel 457-1 des Strafgesetzbuchs) sowie der Diskriminierung (Artikel 454) erfüllte. Gaston Vogel hatte in seinem Schreiben Begriffe wie „racaille“, „puanteurs“ und „mendiants dégueulasses“ verwendet.
Die Richter aber sahen das anders als die Anklage. Sie folgten vielmehr der Argumentation der Verteidigung, wie aus dem schriftlichen Urteil hervorgeht, das Reporter.lu vorliegt.
Zwar stellt das Gericht in seiner Urteilsbegründung fest, dass die genutzten Begriffe eine negative Stimmung gegenüber der Gemeinschaft der Roma erzeugen: „(…) font naître un sentiment négatif à l‘encontre de la communauté des Roms“. Allerdings müsse man den Brief im größeren Kontext betrachten, so die Richter: „(…) au contexte dans lequel le courrier a été rédigé (…) les propos (…) ne sont pas de nature à entraîner un sentiment de haine, à savoir un sentiment violent qui pousse à vouloir du mal, ou une aversion profonde envers l’ensemble de la communauté des Roms en provenance de la Roumanie.“ Gaston Vogels Worte hätten sich vielmehr nur gegen „ceux parmi le groupe des Roms qui ne respectent pas les règles“ gerichtet.
Fragwürdige Wortwahl
Dass Gaston Vogel sich derber Worte bediente, finden zwar auch die Richter verwunderlich und kritikwürdig, dennoch würde das niemanden zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt anstacheln: „Même s’il est étonnant et critiquable qu’un homme cultivé (…) ait cru avoir recours à un tel langage inapproprié pour se faire entendre, ces propos ne remplissent pas, dans leur degré d’aversion, la profondeur requise pour être qualifiés de haineux et ne créent pas dans l’esprit de celui qui les perçoit un choc incitatif à la discrimination, à la haine ou à la violence“.
Ziel des Anwalts sei es nicht gewesen, zu Hass aufzurufen, sondern eine öffentliche Debatte über das Problem von aggressiver Bettelei anzustoßen, hält das Gericht fest: „le but de son courrier était de lancer un débat d’intérêt général pour que des solutions soient trouvées au niveau politique face au problème de la mendicité agressive“. Insofern habe er lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht: „ n’a dès lors pas abusé de sa liberté d’expression et d’opinion et, même s’il a pu heurter ou choquer certaines personnes, il n’a pas outrepassé les limites de ce droit fondamental qu’est la liberté d’expression“, so die Richter der 19. Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg.
Medien als Mitangeklagte
Ob die Richter am Berufungsgericht das auch so sehen, bleibt abzuwarten. Wann der Prozess in zweiter Instanz verhandelt wird, ist noch nicht bekannt. Neben Gaston Vogel werden dann auch wieder die Vertreter jener Medien, die den Leserbrief veröffentlich hatten, auf der Anklagebank Platz nehmen müssen: „CLT Ufa“ als Muttergesellschaft von „RTL“ sowie mit Patrick Welter ein ehemaliger Redakteur des „Lëtzebuerger Journal“.
Auch sie waren im ersten Prozess freigesprochen worden. Wenn Gaston Vogel kein Aufruf zum Hass und keine Diskriminierung nachgewiesen werden könne, dann auch nicht jenen Presseorganen, die sein Schreiben weiterverbreitet haben, so das Urteil aus erster Instanz.


