In der Entwicklungshilfe gilt Luxemburg als Musterschüler. Die zuständige Ministerin Paulette Lenert reist heute nach Laos, um sich ein Bild der geförderten Projekte zu machen. Neben Erfolgen dürfte aber auch die Lage der Menschen- und Freiheitsrechte im Land ein Thema sein.

Laos könnte als Aushängeschild der Luxemburger Entwicklungshilfe betrachtet werden. Die Projekte, die dort gestartet werden, helfen den Menschen dabei, sich selbst etwas aufzubauen und sich gegenseitig zu unterstützen. Es werden Krankenhäuser, Schulen, Brücken gebaut, die Menschen werden zu Hebammen, Hotelfachkräften, Weberinnen ausgebildet. Es ist die typische Hilfe zur Selbsthilfe. Die Menschen werden direkt von den Organisationen in die Projekte miteinbezogen, damit sie selbstständig leben können.

Die Prioritäten der Luxemburger Entwicklungshilfe liegen auf den Gebieten der Gesundheit, des Tourismus und der Landwirtschaft. Im Jahr 2018 hat die staatliche Agentur LuxDev gut 16,94 Millionen in Laos investiert. Neben LuxDev hat auch die Luxemburger Universität eine Partnerschaft mit der laotischen Universität, vor Ort sind unter anderem Nicht-Regierungsorganisationen wie Care, Caritas, Inclusion (ehemals Handicap International), aber auch die „Aide au Développement de la Santé“ tätig.

Doch sind die Früchte der Kooperation auch bei der Bevölkerung angekommen? Und wie lässt sich die Hilfe mit einer Verbesserung der Situation der Menschen- und Freiheitsrechte vor Ort verbinden? Nach 20 Jahren Arbeit braucht es immer noch Zeit. „Man sagt, dass es in der Regel eine Generation braucht, bis sich etwas ändert – also mindestens 25 Jahre“, so Robert Kohll von der Caritas. Zudem ist die Messung des Erfolgs jeglicher Entwicklungspolitik schwierig bis umstritten.

Entwicklungshelfer brauchen langen Atem

Es bleibt also noch viel zu tun. „Im Laos entwickelt sich alles langsamer“, sagt auch François Xavier Dupret vom Cercle de Coopération. Und während Luxemburg sich aus Ländern wie Vietnam langsam, aber sicher zurückzieht, weil das Land heute deutlich besser aufgestellt ist, ist Laos noch weit von diesem Schritt entfernt. „Wirtschaftlich entwickelt das Land sich langsamer, weil es erstens keinen Zugang zum Meer hat – und zweitens seine Landwirtschaft nicht ganz so viel hergibt“, so François Xavier Dupret.

Luxemburgs Hilfsorganisationen brauchen denn auch einen langen Atem. Das Land mit rund sieben Millionen Einwohnern hat nicht den Unternehmergeist des großen Nachbarn China, nicht den Tatendrang und die Offenheit Vietnams. Die Uhren ticken dort ein bisschen langsamer. Es ist ein ruhiges und zurückgelehntes Land. Aber nicht nur das.

Es ist auch ein Land, in dem die Menschen von Armut und Unterernährung heimgesucht werden – laut UNO zählt es zu den am wenigsten entwickelten Staaten der Welt. Seit 1997 ist es Zielland der Luxemburger Entwicklungshilfe. Mit dem Bau eines Krankenhauses hat die staatliche Agentur Lux Development (LuxDev) damals angefangen. Jetzt reist Kooperationsministerin Paulette Lenert (LSAP) nach Laos, um sich ein Bild der Lage, der Programme und der Menschen zu machen.

Der Aufschwung tut dem Land natürlich gut, man sieht ihn aber nicht unbedingt in den kleinen Dörfern.“Robert Kohll, Caritas

Vor allem Betroffene in den abgelegenen Gegenden brauchen Hilfe. Sie leiden unter Armut, sind fehlernährt, haben keinen oder nur einen schlechten Zugang zur Medizin. In einem früheren Gespräch mit REPORTER beschreibt Frédéric Haupert von Care Luxemburg den Ernst der Lage. Die Probleme der Armut und Unterernährung seien so akut, „wie man sie sonst nur aus Krisengebieten kennt“.

Kinder können sich körperlich und geistig nicht richtig entwickeln, weil ihnen wichtige Nährstoffe fehlen. Ihre Mütter ernähren sie hauptsächlich von sogenanntem „Sticky Rice“, der praktisch keine Nährstoffe enthält. Viele Frauen bekommen ihr Kind ohne ärztliche Betreuung – ein hohes Risiko für Mutter und Kind. In Laos ist die Sterblichkeitsrate von Müttern und Kindern die höchste der Region.

Kritik an politischer Situation kein Thema

Politisch gilt das Land als relativ stabil, es gibt keine Unruhen, kaum Aufstände. Allerdings ist die demokratische Volksrepublik Laos auch ein faktischer Ein-Parteien-Staat. 1975 übernahmen die Kommunisten die Macht. Die bis heute regierende „Laotische Revolutionäre Volkspartei“ errichtete ein marxistisch-leninistisches Regime nach dem Vorbild der ehemaligen Sowjetunion. Weder die Nationalversammlung noch die Regierung gehen aus freien Wahlen hervor.

Laut der Einschätzung der NGO „Freedom House“ fehlt es in Laos an grundlegenden bürgerlichen Freiheiten. „Human Rights Watch“ kritisiert seit Jahren, dass die laotische Regierung nach wie vor die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigung und Versammlung stark einschränke. Zudem seien willkürliche Verhaftungen von Dissidenten an der Tagesordnung. Die Ein-Parteien-Regierung schränke den Internetzugang auf ein Minimum an Informationen ein und kontrolliere so gut wie alle Medien des Landes.

Laos is a one-party state in which the ruling Lao People’s Revolutionary Party (LPRP) dominates all aspects of politics and harshly restricts civil liberties.“Bericht der NGO „Freedom House“

Kritik am objektiven Mangel an politischen Freiheiten gibt es seitens der luxemburgischen Regierung wenn, dann nur hinter vorgehaltener Hand. Die Beziehungen, die von hier aus aufgebaut worden sind, will man offensichtlich nicht durch eine Brüskierung des Regimes oder durch die Einforderung von demokratischen Mindeststandards gefährden.

Außenminister Jean Asselborn und Kooperationsministerin Paulette Lenert trafen erst Ende Juni den Außenminister der Republik Laos in Luxemburg. Damals wurden die hervorragenden bilateralen Beziehungen unterstrichen und betont, dass man die Zusammenarbeit weiter vertiefen möchte. Über kritische Äußerungen hinter verschlossenen Türen ist nichts bekannt.

Politisch scheinen in Laos die Uhren aus dem Kalten Krieg stehen geblieben zu sein: Seit 1975 herrscht hier eine kommunistische Einheitspartei. Demokratie und Freiheitsrechte gibt es kaum. (Foto: Shutterstock.com)

Es lohnt aber ein Blick in den Bericht des UN-Sonderbeauftragten Philip Alston. Er schreibt im März 2019, dass in Laos immer noch ein Viertel der Bevölkerung in Armut lebt und 80 Prozent dem Armutsrisiko ausgesetzt sind. „Die Menschen, die in ruralen Gegenden leben, wurden beim wirtschaftlichen Wachstum nicht mit einbezogen und haben keinen Zugang zu Straßen, Wasser und Strom“, heißt es im Bericht.

Durch die Kontrollen der Regierung würden Menschen festgenommen und eingeschüchtert oder einfach verschwinden. „Entwicklungspartner haben vor diesen Problemen oft die Augen verschlossen und die UNO hat nicht getan, was sie könnte, um eine Stimme für die Schutzbedürftigen und für Menschenrechte zu sein“, so Philip Alston weiter.

Luxemburg will auch Probleme ansprechen

Die Luxemburger Organisationen setzen vor allem auf Diplomatie und Kommunikation mit den lokalen Behörden, statt auf Kritik. Ihre Herangehensweise ist eine andere – vielleicht auch, weil sie direkt vor Ort agieren und auf die Behörden angewiesen sind. „Je besser man ein Land kennt und je besser der Umgang mit den lokalen Akteuren ist, desto mehr kann man im Land bewirken“, so François Xavier Dupret. Will heißen: Entwicklungshilfe funktioniert besser – oder einfacher – wenn die diplomatischen Beziehungen stimmen. Und umgekehrt können auch konkrete Arbeiten im Land bessere Gesprächskanäle fördern.

„Die Kritik im UN-Bericht ist berechtigt“, sagt Kooperationsdirektor Manuel Tonnar. „Und die teilen wir auch.“ Die Frage, die sich bei Entwicklungshilfe aber immer wieder stellt: Will man einem Land helfen, in dem Menschen unterdrückt werden? Sucht man den Kontakt zu einer Regierung, die gegen Menschenrechte verstößt? Es ist das Paradox der Entwicklungshilfe, an dem sich auch Luxemburg reibt.

„Wenn das das Kriterium wäre, dann hätten wir in vielen Ländern ein Problem“, so Manuel Tonnar. Dennoch würde man gemeinsam mit anderen Ländern und Organisationen Korruptions- oder Transparenzprobleme auch in Laos regelmäßig ansprechen. „Auch das ist ein Grund, weshalb wir vor Ort sind.“

Wirtschaftliche Öffnung, brüchiger Aufschwung

Tatsächlich erlebt Laos einen regelrechten wirtschaftlichen Boom. „Der Aufschwung tut dem Land natürlich gut, man sieht ihn aber nicht unbedingt in den kleinen Dörfern“, sagt Robert Kohll von Caritas. Dabei ist das Land reich an Ressourcen und ein Ziel von rohstoffhungrigen Ländern wie China, Thailand und Vietnam. Diese Staaten wollen auf Wasser und Strom zugreifen und haben dafür das nötige Geld. In Südostasien hat ein Wettlauf um den Bau von Wasserkraft-Staudämmen längst begonnen, um den Strombedarf zu decken. Direkt am Mekong gelegen ist Laos besonders günstig für Investitionen in Staudamm- und Energieprojekte positioniert.

Die Laoten sind den Investitionen natürlich nicht abgeneigt. Doch durch die Projekte werden auch Ökosysteme und Lebensgrundlagen zerstört. Für internationale Kritik sorgen auch Umsiedlungsaktionen von Bevölkerungsgruppen. China pachtet Land- und Waldflächen. Diese werden abgeholzt, lokale Bauern werden vertrieben und ihr Land zerstört. Die Regierung gruppiert deshalb unterschiedlichste Stämme mit verschiedenen Dialekten an Orten, wo sie den Projekten Chinas und Vietnam nicht im Weg stehen. Dann werden sie zu einem Großteil sich selbst überlassen. Außer, es nimmt sich eine NGO ihrer an.

Damit die Projekte langfristig fruchten können, behalten auch die Hilfsorganisationen sie im Blick. Welches Projekt besteht noch, nachdem sie abgezogen sind? Warum? Warum nicht? Lohnt es sich, noch einmal einzuschreiten? Auch diese Beobachtungsarbeit gehöre dazu, sagt Robert Kohll. Nur so könnten Initiativen dauerhaft etwas bringen. Auch, wenn das in Laos vielleicht etwas länger dauert.


Anmerkung der Redaktion: Eine Woche lang dauert der Arbeitsbesuch der Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten Paulette Lenert in Laos. Die Ministerin begleitet eine Delegation von Beamten, Botschaftern und Abgeordneten sowie Journalisten aus Luxemburg. Für REPORTER nimmt Michèle Zahlen an der Reise Teil und wird im Laufe der kommenden Tage über ihre Eindrücke aus dem Partnerland der luxemburgischen Entwicklungshilfe berichten.


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