Die Regierung gibt sich ein ehrgeiziges Klimaziel: 2030 sollen Elektroautos knapp die Hälfte des Fahrzeugbestands in Luxemburg ausmachen. Heute liegt der Anteil gerade einmal bei 1,5 Prozent. Damit diese Wende gelingt, muss sich vieles ändern – und zwar schnell. Eine Analyse.

Wer heute ein Elektroauto kaufen will, hat es nicht einfach. Beim Autohändler wird der Verkäufer womöglich abraten. Elektroautos sind teuer. Die Reichweite der Batterie genügt im Alltag, aber was ist mit der Fahrt in den Urlaub? Es braucht eine Ladesäule zu Hause. Und schließlich ist im Autohaus selten das passende Modell vorhanden, um eine Testfahrt zu machen.

Elektroautos passen zu Menschen, die umweltbewusst und technikaffin sind sowie geringe Distanzen fahren, heißt es in einer Broschüre des Verbandes der Luxemburger Autobranche. Also Autos für Nerds.

Doch die Regierung sieht das anders. Im Entwurf des Klimaplans steht, dass bis 2030 49 Prozent des Fahrzeugbestands aus Elektroautos bestehen soll. Aktuell liegt der Anteil bei 1,5 Prozent – sprich knapp 6.500 Pkws. Geht man davon aus, dass die Zahl der Autos insgesamt in den nächsten Jahren nicht steigen wird, dann müssten über 200.000 Autos durch solche mit Elektromotor ersetzt werden. Innerhalb von zehn Jahren.

Rapide Veränderung

Auf den ersten Blick scheint diese Zielsetzung von Blau-Rot-Grün kaum erreichbar. Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass der Automarkt vor dem Umbruch steht. Die Autos, die ausschließlich einen Verbrennungsmotor haben (ob Benziner oder Diesel) bleiben zwar dominant. Doch Modelle, die nur oder zusätzlich einen Elektromotor und eine Batterie zum Antrieb haben, nehmen in der Zahl deutlich zu. Und das nach Jahren mit sehr bescheidenem Wachstum.

Im ersten Halbjahr 2019 wurden mehr neue 100-Prozent-Elektroautos zugelassen als im ganzen Jahr 2018, betonten Umweltministerin Carole Dieschbourg und Transportminister François Bausch (beide Déi Gréng) in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Trotzdem bleiben die Hybridmodelle deutlich beliebter als die reinen Elektroautos. Das hat aber mehr mit dem Erfolg der klassischen Hybridmodelle zu tun. Denn die die sogenannten Plug-in-Modelle verkaufen sich schlechter als die Elektroautos.

Das Angebot bestimmt die Nachfrage

Ein Problem bleibt nach wie vor, dass es bisher an attraktiven Elektro-Modellen jenseits von Tesla mangelt. Doch in der Automobilindustrie wird gerade der Hebel umgelegt. Die Produktion von Elektroautos wird sich bis 2025 versechsfachen, so die Prognose der Experten von „Transport and Environment“. Ein Fünftel aller hergestellten Autos werden dann batteriebetrieben oder Plugin-Hybrid-Modelle sein. Ab 2020 kommen laut den Plänen der großen Hersteller jedes Jahr 30 neue Modelle an reinen Elektroautos (also ohne zusätzlichen Verbrennungsmotor) hinzu.

Besonders aktiv ist Volkswagen, jene Marke, die in Luxemburg am meisten Autos verkauft. 2030 sollen mindestens 40 Prozent der von Volkswagen verkauften Wagen Elektroautos sein, etwa vier Millionen Stück. Diese Autos müssen verkauft werden, auch in Luxemburg. Und so dürften die nächsten „Autofestivals“ nicht wiedererkennbar sein: leise, sparsame Flitzer statt schwere, laute Boliden, könnte die Devise lauten.

Glossar der Elektromobilität

Elektroauto (BEV): 100-Prozent-Elektroautos haben ausschließlich einen Elektromotor, der von einer Batterie gespeist wird. Sie müssen an einer Ladestation aufgeladen werden. Die Reichweite hängt deshalb von der Größe der Batterie ab. Die Modelle von Tesla und der beliebte Renault Zoe sind reine Elektroautos. Diese Antriebsart stößt weder CO2 noch Stickoxide oder Partikel aus. Kommt der Strom aus erneuerbaren Quellen, ist der Betrieb klimaneutral.

Hybrid-Auto (HEV): Diese Antriebsart hat sowohl einen Elektro- wie einen Verbrennungsmotor (meist Benzin). Der Verbrennungsmotor kommt bei höheren Geschwindigkeiten zum Einsatz oder wenn die Batterie leer ist. Die Batterie wird durch den Verbrennungsmotor geladen und durch die beim Bremsen zurückgewonnene Energie. Ein bekanntes Modell ist der Toyota Prius. Durch den zusätzlichen Elektromotor sind Hybrid-Modelle sparsamer als klassische Benziner und stoßen entsprechend weniger CO2 aus.

Plug-in-Hybrid (PHEV): Es ist eine Antriebsart, die sich zwischen dem Elektro- und dem Hybrid-Auto situiert. Diese Modelle haben zwar zusätzlich zum Elektromotor noch einen Verbrennungsmotor. Doch ihre Batterie lässt sich an einer Ladesäule aufladen (deshalb der Name Plug-in). Der Verbrennungsmotor kommt bestenfalls nur sehr selten zum Einsatz. Diese Antriebsart ist demnach emissionsärmer als ein klassisches Hybrid-Auto. Meist liegt der CO2-Ausstoß unter 50 Gramm pro Kilometer.

Druck über CO2-Ziele

Ein mächtiger Antreiber dieses Wandels sind die EU-Ziele für den CO2-Ausstoß der neuen Autos. Ab nächstem Jahr greift das erste Ziel: Die Gesamtheit der neuen Autos, die ein Hersteller auf den Markt bringt, darf im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Doch davon ist die Autoindustrie noch weit entfernt: 2018 stießen die in EU verkauften Neuwagen im Schnitt 121 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Zwei Gramm mehr als 2017, berichtet die NGO ICCT.

In Luxemburg ist die Lage noch schlechter. Hierzulande lagen Neuwagen 2018 bei 131 Gramm CO2 pro Kilometer. Seit 2016 wurden die neuen Autos im Schnitt klimaschädlicher – der erste Anstieg seit vielen Jahren. Luxemburg ist vom Klimaziel also noch weiter entfernt als die EU insgesamt. Die Gründe sind die gleichen, nur in Luxemburg sind sie ausgeprägter: Es werden mehr SUVs verkauft und weniger Dieselmodelle. Das verschlechtert die CO2-Bilanz.

Konkret bedeutet das, dass die Autohersteller massiv Elektroautos und Plug-in-Hybrid-Modelle verkaufen müssen, damit sie die Klimaziele erreichen. Bis 2025 müssen die Emissionen nochmals um 15 Prozent sinken, bis 2030 um 37,5 Prozent. Die gute Nachricht: Die Zahl der neuen Modelle, die die Autoindustrie bereits jetzt einplant, ist ausreichend, um diese Ziele zu erreichen, so „Transport and Environment“. Auch deshalb wird der Druck auf Luxemburgs Autohändler steigen, diese Modelle hierzulande zu verkaufen.

Blau-Rot-Grün verschenkt vier Jahre

Die Experten sind sich einig, dass die Autoindustrie inzwischen resolut und glaubwürdig auf Elektroautos setzt. Trotzdem ist das Spiel nicht gewonnen. „Transport and Environment“ fordert steuerliche Anreize, um die Wende Richtung Elektroautos möglichst schnell zu schaffen.

Das hat Blau-Rot-Grün bisher unterlassen. Als eine der ersten Amtshandlungen entschied die Dreierkoalition Ende 2013, die Prämie für Elektroautos ab 2015 abzuschaffen. Der Grund laut dem damaligen Staatssekretär Camille Gira (Déi Gréng): Die potenziellen Käufer würden sich auch ohne Prämie für ein solches Modell entscheiden. Das war falsch: Der Verkauf brach 2015 ein, der Fuhrpark erweiterte sich gerade einmal um 56 Elektroautos.

Ursprünglich hatte sich Blau-Rot-Grün das Ziel gesetzt, dass bereits 2020 in Luxemburg 40.000 Elektroautos fahren sollten. Diese Marke wird voraussichtlich deutlich verfehlt werden. Schaut man auf die Zahlen, dann war auch die Steuerreform von 2017 ein Flop. Trotz vermeintlich „grüner Handschrift“ fand der Steuerabzug von 5.000 Euro für ein Elektroauto wenig Anklang. Die 2.500 Euro Steuerabzug für Plug-in-Hybride scheint etwas besser gewirkt zu haben.

Aufgrund der schlechten Bilanz gibt es seit Anfang dieses Jahres eine Geldspritze in bar: 5.000 Euro für den Käufer eines Elektroautos und 2.500 Euro für ein neues Plug-in-Hybrid-Auto. Soweit das in den ersten sieben Monaten zu verfolgen ist, kommt diese Maßnahme deutlich besser an. Trotzdem werden noch immer mehr klassische Hybrid-Modelle als Elektroautos verkauft, obwohl der Staat diese nicht fördert.

Die schwierige Balance

Die Geldspritzen könnten zudem schnell teuer werden: 20.000 Elektroautos und 20.000 Plug-in-Hybridmodelle würden den Staat 150 Millionen Euro an Prämien kosten. Dazu kommen noch die Mindereinnahmen durch die Förderung von emissionsarmen Firmen- und Dienstwagen, die seit 2017 gilt. Der von Gira 2013 befürchtete Mitnahmeeffekt könnte sich tatsächlich rasch einstellen. Doch das Dilemma ist: Stoppt man die Prämien zu früh, verfehlt die Regierung ihre Ziele. Reagiert der Staat zu spät, schmeißt er Geld zum Fenster raus.

Es geht allerdings nicht um exorbitante Summen für den Luxemburger Staat. Zum Vergleich: Der „gratis“ öffentliche Transport wird den Staat etwa 40 Millionen Euro kosten – pro Jahr. Trotzdem bedeutet der Ausbau der Elektromobilität in einer ersten Phase deutlich höhere Ausgaben durch Förderung des Kaufs und der Infrastruktur, gleichzeitig aber abnehmende Einnahmen. Denn ein Hybrid-Porsche zahlt deutlich weniger Autosteuer, da diese auf den CO2-Ausstoß berechnet wird.

Dazu kommt: Elektroautos sind deutlich effizienter als Benziner oder Diesel. Das heißt, das Fahren ist günstiger pro Kilometer. Das gilt selbst dann, wenn Strom und Sprit pro Energieeinheit gleich besteuert werden, betont die Internationale Energieagentur IEA. Je höher die Zahl der Elektroautos, desto geringer die Steuereinnahmen aus dem Spritverkauf.

Um diese Einnahmeverluste auszugleichen, empfiehlt die IEA Mautsysteme, die sowohl orts- als auch streckenbezogen sein sollten. Das hieße also: Abgaben für das Fahren in der Stadt und auf Autobahnstrecken. Die Frage ist allerdings, ob das im Autoland Luxemburg für Politiker überhaupt denkbar ist.

Die ignorierte Rifkin-Empfehlung

Letzteres gilt auch für eine Maßnahme, die bereits zur Debatte steht. Im Rifkin-Bericht zur „dritten industriellen Revolution“ wird das Ziel definiert, dass 2050 alle Autos in Luxemburg emissionsfrei sind. Damit das erreichbar wird, brauche es eine drastische Maßnahme: Ab 2025 sollten keine Benziner oder Dieselautos mehr neu zugelassen werden, so die Empfehlung des Rifkin-Berichts.

Doch die Regierung hörte nicht auf den von ihr bezahlten Visionär Jeremy Rifkin, und auch nicht auf die Luxemburger Experten, die an der Ausarbeitung der Studie beteiligt waren. Dabei ist es fraglich, ob finanzielle Anreize allein die von Blau-Rot-Grün gewünschte Wende bringen – vor allem in der kurzen Zeitspanne bis 2030.

Die lapidare Aussage des Transportministers François Bausch (déi Gréng) zu dieser Frage lautete übrigens vor zwei Jahren: „Ich bin gegen Verbote.“


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