Erstmals stoßen die in Luxemburg verkauften Autos wieder mehr CO2 aus. Obwohl sie hierzulande am meisten zum Klimawandel beitragen, überlässt die Dreierkoalition der nächsten Regierung das Handeln. Die vertagte Reform der Autosteuer ist nur ein Beispiel. 

2010 wurde in Luxemburg ein Hochgebirge entdeckt. Zumindest scheint dem so, wenn man sich die Statistik der verkauften Autos mit Allradantrieb anschaut. Damals hatten lediglich 11 Prozent der Neuwagen hierzulande einen 4×4-Antrieb. Doch dann explodierte der Verkauf von SUVs. 2017 lag der Anteil schließlich bei 28 Prozent. Damit positioniert Luxemburg sich im europäischen Vergleich direkt hinter der Schweiz, Norwegen und Schweden – also Ländern, wo ein Allradauto in manchen Gegenden und Wetterlagen tatsächlich Sinn macht.

Hierzulande kauft man ein SUV wegen des Komforts und des Prestiges, erklärten die Vertreter der Autohändler dem „Luxemburger Wort“. Auch beim diesjährigen Autofestival lag die Kreuzung von Gelände- und Sportwagen wieder voll im Trend.

Die Folge: Luxemburg ist Europameister – zumindest was den Kauf von Autos angeht, die möglichst viel Leistung haben und entsprechend viel CO2 in die Luft blasen. Hatte ein neues Auto 1990 im Schnitt 88 PS, so hat sich die Leistung bis vergangenes Jahr fast verdoppelt auf 164 PS (121 Kilowatt).

Damit liegt Luxemburg innerhalb der EU unangefochten auf Platz eins, nur die Schweizer kaufen noch kräftigere Boliden. Selbst die autoverrückten Deutschen sind mit durchschnittlich 151 PS bescheidener. Und der Luxemburger fährt überall mit seinem Auto hin: Selbst auf Distanzen unter einem Kilometer verzichten zwei Fünftel nicht auf ihr liebstes Transportmittel.

Autos werden sparsamer, doch das rettet das Klima nicht mehr

Nun könnte man meinen, dass das egal ist, weil neue Autos deutlich effizienter als die Vorgängermodelle sind. Das heißt, sie haben mehr PS und verbrauchen dennoch weniger Sprit. Tatsächlich sank der daraus folgende CO2-Ausstoß pro Auto beständig zwischen 2000 und 2016. Allerdings basieren diese Zahlen auf einem veralteten Testverfahren, was zur Folge hat, dass Experten die realen Werte um 40 Prozent höher schätzen.

Oftmals wird der niedrigere Verbrauch von Dieselfahrzeugen durch die Wahl eines größeren Fahrzeugtyps (über-)kompensiert.“ICCT-Experten

Doch selbst bei den optimistischen Werten gibt es ein großes Aber: 2017 stieg der CO2-Ausstoß der neuen Autos erstmals wieder an – von 126,1 auf 127 Gramm pro Kilometer. Damit liegt Luxemburg deutlich über dem EU-Durchschnitt von 118,5 Gramm CO2. Das ist bedenklich, weil die neuen Autos laut EU-Klimaziel bereits 2020 im Schnitt nur noch 95 Gramm CO2 ausstoßen sollen. Zwar sind die Autohersteller und nicht die Länder diesem Ziel verpflichtet, doch es zeigt, dass die Entwicklung in die falsche Richtung geht.

Die Luxemburger Autohändler fühlen sich dabei nicht in der Verantwortung. Auf den Negativtrend angesprochen sagt Frank Lentz vom House of Automobile (HOA), es sei die Aufgabe des Ministeriums solche Zahlen zu kommentieren. In einer Stellungnahme betont das HOA, dass die SUVs vor allem für ihren Konfort, den Stauraum und ihre Vielseitigkeit gekauft würden. Gerade die kleinen und mittleren Modelle hätten meist keinen Allradantrieb. Insgesamt sei die Auswirkung auf den CO2-Austoß „zu vernachlässigen“.

Der Verkauf von Dieselmodellen sinkt rapide

Die Autoindustrie glaubt, dass der CO2-Anstieg eine Folge des Dieselskandals ist. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr erstmals seit 2009 EU-weit mehr Benziner als Dieselautos verkauft. Diese Entwicklung betrifft auch Luxemburg. Zwar machten Dieselmodelle 2017 über die Hälfte der Verkäufe aus. Doch 2016 lag ihr Anteil noch bei 65 Prozent.

„Die Verkäufe von Dieselautos sind in freiem Fall“, sagt der Nachhaltigkeits- und Infrastrukturminister François Bausch (Déi Gréng) im Gespräch mit REPORTER. „Die Maßnahmen, den Diesel zu benachteiligen, haben gegriffen“, freut er sich. Gerade bei den Dienstautos gehe dessen Anteil zurück. Seit der Steuerreform 2017 sind mit Diesel fahrende Dienstautos zu geringerem Maße absetzbar. Das trage zu einer Senkung der Stickoxid-Emissionen bei, so Bausch. Also zu besserer Luft in den Städten.

Dieser Trend bedeute jedoch, dass es schwieriger werde, die CO2-Ziele 2020 und 2030 zu erreichen, sagt der europäische Verband der Autoindustrie ACEA. Benziner stoßen zumindest im Labor mehr CO2 aus, lautet das gängige Argument der Hersteller. Das stimmt allerdings in der Summe nicht mehr, sagen Experten des unabhängigen International Council on Clean Transportation (ICCT): „Oftmals wird der niedrigere Verbrauch von Dieselfahrzeugen durch die Wahl eines größeren Fahrzeugtyps, eines leistungsstärkeren Motors sowie von Sonderausstattungen (über-)kompensiert.“

In Deutschland liegen die Dieselfahrzeuge deshalb heute gleichauf mit den Benzinern, was den CO2-Ausstoß angeht, so das ICCT. Aufgrund des ebenfalls in Luxemburg herrschenden SUV-Booms sieht die Situation hierzulande ähnlich aus.

Politik muss über Steuern nachhelfen

Luxemburg erlebt demnach einen klassischen Rebound-Effekt. So nennen Experten das Phänomen, dass etwa Autos zwar effizienter werden, aber die Verbraucher sich dann größere Modelle leisten oder mehr Kilometer fahren. Das kostet sie schließlich nicht mehr als vorher. So schnellt der Spritverbrauch wieder hoch (auf Englisch: rebound). Das ist das absolute Gegenteil von „qualitativem“ Wachstum.

Eine der wenigen Möglichkeiten, den Rebound-Effekt zu verhindern, sind Steuern, erklärt das deutsche Umweltbundesamt. Werden Autos sparsamer im Verbrauch, muss der Staat den Sprit stärker besteuern. Werden die Modelle sauberer, was den CO2-Ausstoß betrifft, muss die Autosteuer ansteigen.

Wir können nur das machen, worin auch Konsens besteht.“Transportminister François Bausch

Diese umweltpolitische Selbstverständlichkeit steht explizit in den Schlussfolgerungen der Tanktourismus-Studie. Der Autor des Berichts Dieter Ewringmann empfiehlt, die Abgaben auf dem Diesel zu erhöhen, die Autosteuer und die Besteuerung von Dienstfahrzeugen zu reformieren. Es gelte die bisherige Förderung der Dieselautos zu beenden, da gerade diese die Umwelt am meisten belasten.

Wähler nicht verprellen

Doch Blau-Rot-Grün mag die mehrheitlich autofahrenden Wähler nicht verprellen. In Sachen Tanktourismus ist kaum noch etwas zu erwarten, heißt es aus dem Umweltministerium. Die Autosteuer wird erst 2020 reformiert. Und das obwohl klar ist, dass sie absolut keine Lenkungswirkung hat, wie Ewringmann schreibt. Das heißt, die Steuern sind so niedrig, dass die Verbraucher sich Auto fürs Prestige kaufen, statt ein Modell, das ihren tatsächlichen Bedürfnissen entspricht.

Der einzige Punkt, den die Dreierkoaltion anging, sind die Dienstfahrzeuge – worauf Déi Gréng mächtig stolz sind. Doch selbst diese Maßnahme der Steuerreform von 2017 fällt bescheiden aus. Es wurden nur Diesel-Dienstfahrzeugen schlechter gestellt, die mehr als 150 Gramm CO2 ausstoßen. Das liegt deutlich über dem Durchschnitt. In Belgien greift eine ähnliche Regelung ab 105 Gramm CO2.

„Wir können nur das machen, worin auch Konsens besteht“, verteidigt sich Minister Bausch. Tatsächlich relativierten DP und LSAP die Ergebnisse der Tanktourismus-Studie gleich nach Erscheinen. Der Tanktourismus sei ein sehr begrenztes Phänomen, meinte Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP). Dem Weltklima sei es egal, ob Tanktouristen und Pendler in Luxemburg oder hinter der Grenze Sprit kaufen, twitterte der DP-Abgeordnete Max Hahn. Beides zeigt einen begrenzten Willen, sich mit der Frage des Klimaschutzes auseinanderzusetzen.

Im Wahlkampf müssten sich die einzelnen Parteien zu diesen Fragen positionieren, so Bausch, einer der beiden grünen Spitzenkandidaten im Zentrum. Umweltministerin Carole Dieschbourg und Transportminister Bausch machen gerade Druck in Brüssel, um ehrgeizige CO2-Ziele für Lkws zu erreichen, berichtet Radio 100,7. Den Diesel in Luxemburg teuerer zu machen, scheint aber keine Option.

Doch auch Déi Gréng mögen lieber die Tram einweihen als Steuern erhöhen. Man könne die Spritpreise erst erhöhen, wenn die Infrastruktur für Alternativen wie Elektroautos und öffentlichen Transport stehe, erklärt der grüne EU-Abgeordnete Claude Turmes die Strategie.

Die Klimakatastrophe naht

Doch für die nächste Regierung wird die Anstrengung gewaltig und die Zeit knapp werden. Luxemburg hat sich im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Dazu kommt, dass der Transport für knapp Zweidrittel der schädlichen Klimagase in Luxemburg verantwortlich ist.

Die Lage beginnt dramatisch zu werden. Im dritten Jahr in Folge steigen die CO2-Emissionen innerhalb der EU, statt zu sinken. In der Nutzung fossiler Energien sei der Ausstoß um 1,8 Prozent gestiegen, meldete Eurostat am vergangenen Freitag. Luxemburg liegt exakt im EU-Durchschnitt – falls das ein Trost ist.

Im Klartext: Das Pariser Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen, ist bereits fast unmöglich einzuhalten. Es sei denn, es wird mit technischen Mitteln der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen. Doch das bleibt bisher eine theoretische Möglichkeit, da die Technik nicht einsatzbereit ist. So fasst die Zeitschrift „The New Yorker“ die Situation zusammen.

„Eng Schëpp zouleeën“

Auf Luxemburg bezogen bleiben also maximal zwei Legislaturperioden, um den aktuellen Trend zu stoppen und umzukehren. In der politischen Zeitrechnung ist das grausam wenig, denn es drohen wütende Autofahrer und hohe Einnahmeausfälle aus dem Tanktourismus. Auch die zunehmenden Alternativen zum eigenen Auto wie Tram, Carsharing oder Radfahren werden sich nicht so schnell in die Gewohnheiten der autoversessenen Luxemburger einbrennen. Welche Regierung wird sich diese Revolution innerhalb von fünf Jahren zutrauen?

Die nächste Regierung müsse „eng Schëpp zouleeën“, was die Förderung von Elektro- und Hybridautos angeht, sagt Bausch. Er erwartet, dass alle großen Autohersteller verstärkt Modelle mit Elektroantrieb auf den Markt bringen. Doch auch hierbei ist die Liebe der Luxemburger für SUV-Modelle hinderlich. Ein schwereres Auto benötigt eine leistungsfähigere Batterie, was wiederum technisch schwieriger umzusetzen ist.

Die Studie zum Tanktourismus liegt derweil seit anderthalb Jahren in der Schublade. Die erste Regierung mit grüner Beteiligung hat zwar manche Infrastrukturprojekte vorangebracht. Doch ihr Zögern in den Automarkt einzugreifen, bedeutet einen Rückschritt im Klimaschutz.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde ergänzt, um den Zusammenhang zwischen Allradantrieb und SUV-Modellen klarzustellen. Grundlage ist eine Stellungnahme des House of Automobile, die nach Erscheinen des Beitrags einging. (16.5.2018)