Seit November 2022 sind europaweit Eigentümer-Register geschlossen. Grund dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zugunsten des Unternehmers Patrick Hansen. Auch die Baufirma Giorgetti geht vor dem EU-Gericht gegen das Handelsregister vor.
Die Schließung der Eigentümer-Register im vergangenen November kam nicht ohne Ansage. Bereits am 24. Januar 2020 war beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Kirchberg ein sogenanntes Vorabentscheidungsersuchen des Bezirksgerichts Luxemburg eingegangen. Der Hintergrund: Ein Geschäftsmann – in den Dokumenten nur „WM“ genannt – hatte vor dem Bezirksgericht gegen die „Luxembourg Business Registers“ (LBR) geklagt. Das Handelsregister war seiner Aufforderung nicht nachgekommen, seinen Namen aus dem „Registre des Bénéficiaires Effectifs“ (RBE) zu tilgen. „WM“ war aber nicht der Einzige, der gegen Entscheidungen des LBR vor Gericht zog: Wie das „Tageblatt“ berichtete, sind rund 715 solcher Fälle anhängig.
Die Luxemburger Richter reichten die Frage an die oberste europäische Gerichtsbarkeit weiter. Am 13. November 2020 wurde eine weitere Klage, diesmal von einer in Luxemburg angesiedelten Holding namens „Sovim SA“ , ebenfalls an den EuGH weitergeleitet. Beide Fälle wurden gemeinsam behandelt und führten zum Urteil vom 22. November 2022, in dessen Folge das RBE für die Öffentlichkeit gesperrt wurde.
Diskrete Familienholding
Nach dem Beschluss, beide Klagen gemeinsam zu verhandeln, leitete am 21. Mai 2021 das Bezirksgericht Luxemburg eine weitere Klage einer Holding weiter. Dieses noch nicht vom EuGH behandelte Ersuchen wurde von „G-Finance Sàrl“ eingereicht. Eine Recherche im Handelsregister ergibt, dass der einzige Anteilseigner eine weitere Holding ist – die ihrerseits sämtliche Tochtergesellschaften des Bauunternehmens Félix Giorgetti hält.
Auch das Vorabentscheidungsersuchen beschreibt G-Finance als eine „2003 gegründete Familienholding, die integral zur Giorgetti-Gruppe gehört“. Die Frage bleibt unbeantwortet, warum die bekannte Unternehmerfamilie auf Anonymität im Eigentümer-Register besteht – da ihr Familienname im Firmennamen steht. Auf einen Fragenkatalog von Reporter.lu gab es nur die Antwort von der Baufirma, dass sie sich nicht zu diesen Fragen äußern werde.
Damit ist das Unternehmen nicht das einzige, dessen Klage trotz Anonymisierung der Gerichtsakten in die Öffentlichkeit gelangte. Wie Reporter.lu bereits im Oktober 2021 im Zuge der Verhandlung vor dem EuGH exklusiv berichtete, handelt es sich bei „WM“ um Patrick Hansen, unter anderem CEO der Privatjet-Firma „Luxaviation“. Der Geschäftsmann hat sich nach dem Urteil bei „Paperjam“ dann auch positiv über die Entscheidung geäußert. Ohne explizit zu sagen, dass er hinter der Klage steckte.
Nationale Alleingänge
In Luxemburg haben seit dem 2. Januar dieses Jahres zumindest die vom Presserat anerkannten Journalisten wieder Zugang zum Eigentümer-Register. Reporter.lu hatte vor Kurzem aufgezeigt, welche Recherchen ohne das RBE nicht möglich gewesen wären. Ebenfalls Zugang haben die Finanzdienstleister, die Anti-Geldwäsche-Regeln umsetzen müssen. Trotzdem ist der Zugang erstens nicht mehr anonym und zweitens nicht mehr für die breite Öffentlichkeit möglich. Eine weitere Konsequenz des Urteils: Die Zugangsmöglichkeiten sind nun europaweit sehr unterschiedlich. Das französische Register ist beispielsweise immer noch zugänglich, jene in Österreich, Deutschland, Belgien und den Niederlanden sind aber gesperrt. Jede Regierung scheint einzeln abzuwägen, welche Folgen das Urteil für sie hat.
Während weitere Nachwehen der Entscheidung der EU-Richter noch nicht absehbar sind, lohnt sich ein Blick auf die Argumente, die gegen die Eigentümer-Transparenz ins Feld geführt wurden. Ein Blick in die verschiedenen Ersuchen verrät: Die Rechtfertigungen der Kläger sind an sich grundverschieden. Und werden in der Urteilsbegründung auch auf unterschiedliche Art bedacht.
Unterschiedliche Argumente
Die Anwälte von „WM“, also Patrick Hansen, führten ins Feld, dass der Geschäftsmann, der eigenen Aussagen nach mit 36 verschiedenen Gesellschaften im Register stehen sollte, sich und seine Familie durch die Eintragung ins Eigentümer-Register dem Risiko des „Betrugs, Entführung, Erpressung, Belästigung, Gewalt oder Bedrohung“ aussetzen würde. Das LBR hatte diese Begründung nicht anerkannt. Auch nicht, dass Patrick Hansen vorgab, bei seinen Auslandsreisen in „politisch instabile Staaten“ Personenschützer engagieren zu müssen, dies aufgrund des „intensiven Wirtschaftskrieges“, der in der Privatjet-Branche alltäglich sei.
Die Argumente der Juristen, die im Auftrag der Sovim-Holding vorsprachen, gründeten dagegen auf EU-Verordnungen und wichtigen Verträgen, wie etwa der EU-Menschenrechtscharta. Letztere garantiert das Recht auf eine geschützte Privatsphäre und Datenschutz. Viel schwerer wiegt aber die Bezugnahme auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU. Basierend auf diesem EU-Text fragen die Anwälte, ob es gerechtfertigt sei, die Daten über Besitztümer der Öffentlichkeit mitzuteilen, ohne dass die Besitzer „wissen könnten, wer an ihre Daten herangekommen ist“.
Diese an sich harmlose Frage könnte noch gefährlichere Konsequenzen haben. Zumal die Anwälte von Sovim nicht die Einzigen sind, die sie stellen. Der EU-Rat hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf der sechsten Anti-Geldwäsche-Richtlinie ähnlich argumentiert. Die Minister schlagen vor, es EU-Mitgliedstaaten zumindest zu ermöglichen, dass Firmeneigentümer über Anfragen informiert werden. Als Folge könnten sich Journalisten, aber auch Aktivisten der Zivilgesellschaft sowie Angestellte des Finanzsektors in ihrer Arbeit zusätzlich gehemmt fühlen. Und das nicht nur, wenn es um Geldwäsche oder weitere kriminelle Machenschaften geht. Auch große Multis könnten – wenn sie wissen, dass eine NGO über sie recherchiert – bereits vorab eine mediale Gegenoffensive planen.
Risiko Datenschutz
Die Anwälte der Baufirma Giorgetti verzichten bei ihrer Anfrage auf die DSGVO als Argument, sie bedienen sich aber ähnlicher Grundlagentexte. So stellen sie die Frage nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das im „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ festgelegt wurde. Auch wird die Menschenrechtscharta und der von der EU garantierte Schutz von Geschäftsgeheimnissen angeführt.
Die NGO „Transparency International“ (TI) wurde ebenfalls auf die Klage der luxemburgischen Baufirma aufmerksam. Im Juni 2022, schickte sie dem Gericht eine Stellungnahme zum Fall „G-Finance“. Die Anwälte von TI stellen darin vor allem klar, dass das Argument, die öffentliche Sichtbarkeit der Eigentümer in den Registern widerspreche dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, bereits vor EU-Gerichten widerlegt wurde.
Auch wenn das EuGH-Urteil vom November die Argumente von G-Finance nicht berücksichtigen konnte, so flossen sie teilweise mit ein. Die EU-Grundrechtecharta wie auch die EU-Verträge machte das Gericht geltend, um der Öffentlichkeit die Informationen aus dem Eigentümer-Register zu verwehren. Auch die DSGVO wird berücksichtigt. Allerdings geht das Gericht nicht so weit, Eigentümern zu erlauben, Wissen über diejenigen zu erlangen, die ihre Daten einsehen wollen.
Wenig berücksichtigt wurden dagegen die Argumente der Anwälte von Patrick Hansen: Zwar erkennt das Urteil an, dass Eigentümer unter außergewöhnlichen Umständen gewissen Risiken ausgesetzt sein können – doch die Richter gehen nicht weiter darauf ein. Sie begnügen sich damit, daran zu erinnern, dass dies vom Parlament, der Kommission und dem Rat so entschieden wurde.
Wie es nun mit dem Zugang zu Eigentümer-Registern weitergeht, wird von der nächsten Anti-Geldwäsche-Richtlinie abhängen und davon, wie die EU-Mitgliedstaaten diese umsetzen. Aber auch davon, wie die Luxemburger Gerichte das Urteil des EU-Gerichtshofs interpretieren. Ob das RBE nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit bleibt oder nicht: Weder Sovim oder G-Finance noch die Firmen, die Patrick Hansen zugerechnet werden, haben durch ihre Angaben bisher für Klarheit im Eigentümer-Register gesorgt.





