Mehrere Presseverlage haben bei der Regierung eine „Aide exceptionnelle“ beantragt, um den Einbruch des Anzeigengeschäfts in der Corona-Krise zu kompensieren. Blau-Rot-Grün deutet nun Entgegenkommen an. Auch die seit langem diskutierte Reform der Pressehilfe ist nicht vom Tisch.
„Die aktuelle Situation halten wir vielleicht noch zwei Monate durch“: Die Einschätzung von „Journal“-Direktor Claude Karger bringt die Dringlichkeit der Lage auf den Punkt. Weil in der Corona-Pandemie die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft massiv eingebrochen sind, steht Luxemburgs Presse vor einer existenziellen Krise.
Auch die Publikationen der großen Verleger „Saint-Paul Luxembourg“, „Editpress“ und „Maison Moderne“ haben mit ähnlichen Einbußen zu kämpfen. Die Folge: Alle drei Unternehmen greifen vor allem in den Anzeigenabteilungen bereits auf Kurzarbeit zurück. Beim „Luxemburger Wort“ sind auch schon Journalisten im „Chômage partiel“ (REPORTER berichtete).
„Professioneller Journalismus unersetzbar“
Wie ernst die Lage ist, zeigt auch die Tatsache, dass sich die Presseverlage nun an den Staat wenden. In einem gemeinsamem Brief an Staats- und Medienminister Xavier Bettel (DP) fordern „Saint-Paul Luxembourg“, „Editpress“, „Journal“, „Maison Moderne“, „d’Lëtzebuerger Land“ und „Woxx“ eine außerordentliche finanzielle Unterstützung, um die Krise zu meistern. In dem Schreiben ist von einer „Aide exceptionnelle“ für jene Printmedien die Rede, die sich wesentlich durch Werbeanzeigen finanzieren.
Am Freitag war die Pressekrise ein erstes Mal Thema im Kabinett. Laut Informationen von REPORTER soll Blau-Rot-Grün der Anfrage der Verlage positiv gegenüber stehen. Wie die außerordentliche Hilfe aussehen könnte, ist bisher aber noch unklar. Die unterschiedlichen Möglichkeiten sollen in den kommenden Tagen erörtert werden, heißt es aus Regierungskreisen.
„Die Regierung ist sich der sehr besonderen Situation der Medien bewusst“, heißt es auch aus dem Staatsministerium auf Nachfrage von REPORTER. „Die Presse leistet in dieser Krise eine außerordentliche und beeindruckende Arbeit, und beweist, dass professioneller Journalismus unersetzbar ist“, so eine Sprecherin von Premier Xavier Bettel.
Wie das Ausland die Presse in der Krise unterstützt
Die von den Printmedien geforderte Hilfe könnte unterschiedliche Formen annehmen. Der Staat könnte etwa die Einnahmeausfälle finanziell kompensieren und eine Direkthilfe an die Verleger überweisen. Auch das Vorziehen der ausstehenden Tranchen der staatlichen Pressehilfe könnte zumindest die befürchteten Liquiditätsengpässe mancher Zeitungen verhindern.
Mehrere Regierungen in der EU haben ihrerseits schon früh auf die verschärfte Krise ihrer Presse reagiert. Neben generellen Maßnahmen für jegliche Unternehmen wie das Aussetzen von Steuer- oder Abgabenzahlungen haben etwa Dänemark und die Niederlande direkte Beihilfen für die betroffenen Presseorgane beschlossen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Staat selbst verstärkt Anzeigen in den Medien schaltet und damit den Verlust von kommerzieller Werbung ausgleicht. In Belgien hat die flämische Regierung etwa eine solche Kampagne zur Sensibilisierung für Verhaltensempfehlungen in der Corona-Krise in Höhe von drei Millionen Euro gestartet.
Hohe Abhängigkeiten der Printmedien
Die Verschärfung der Pressekrise in der Corona-Krise legt dabei offen, wie verletzlich das Geschäftsmodell der traditionellen Presse in Luxemburg ohnehin ist. Die drei Standbeine (Abonnements, Anzeigen und Pressehilfe) sind offensichtlich nicht krisenresistent. Die meisten bezahlten Auflagen gehen seit Jahren teils rasant zurück. Besonders für kleinere Printmedien stellen sich bei einem konjunkturell bedingten Einbruch des Anzeigengeschäfts so schnell existenzielle Fragen.
Dabei stützen sich die meisten Printmedien bereits zu einem beträchtlichen Teil auf Gelder des Staates. Zur direkten Subvention kommt noch die Unterstützung durch den Staat in Form von bezahlten amtlichen Mitteilungen („Avis officiels“) hinzu. Im Fall kleinerer Publikationen kann die finanzielle Hilfe des Staates so mehr als ein Drittel („Lëtzebuerger Land“) oder sogar mehr als die Hälfte jeglicher Einnahmen („Journal“, „Woxx“) ausmachen.
Kommt eines der traditionellen Standbeine auch nur ins Wackeln, wie aktuell, drohen den betroffenen Medien finanzielle Schwierigkeiten. „Keine Zeitung in Luxemburg hat herausragende Margen. Hinter keinem Verlagshaus steht ein Aktionär, der zur Not viel Geld nachschießen kann“, sagte Editpress-Direktor Jean-Lou Siweck vergangene Woche im Gespräch mit REPORTER. „Die gedruckte Presse war in Luxemburg schon vor dem Auftreten des Coronavirus in einer wahrhaftigen Krise.“
Reform der Pressehilfe weiter auf der Agenda
Zwei Medien, die am stärksten durch den Einbruch des Anzeigengeschäfts getroffen wurden, sind „L’Essentiel“ und „Paperjam“. Beide Publikationen finanzieren sich fast komplett durch kommerzielle Werbung und Sponsoring. Beide kommen aktuell auch nicht in den Genuss der Pressehilfe für Printmedien, sondern erhalten nur den Pauschalbetrag, den der Staat im Rahmen des Übergangsregimes für Online-Medien ausbezahlt.*
Die Summe, die der Staat aktuell für gedruckte Zeitungen ausgibt (rund 7,0 Millionen Euro in 2018; „Avis officiels“ ausgenommen), liegt ungefähr sechs Mal so hoch wie die finanzielle Austattung der Hilfen für Online-Medien (1,2 Millionen Euro).
Sowohl die Ungleichbehandlung von Print und Online als auch der Ausschluss von „L’Essentiel“ (als Gratiszeitung) und „Paperjam“ (als Monatszeitung) vom Regime der Print-Pressehilfe sollten eigentlich bald der Geschichte angehören. Denn die Regierung arbeitet seit geraumer Zeit an einer Reform des Pressehilfe-Regimes. Die geplante Reform sollte eigentlich im März im Kabinett vorgestellt werden. Doch der „Lockdown“ machte diesem Plan, wie manch anderen Gesetzesprojekten, einen Strich durch die Rechnung.
Die Reform der Pressehilfe soll allerdings „zeitnah“ auf Regierungsebene diskutiert werden, heißt es aus dem Staatsministerium – und zwar unabhängig von der Entscheidung für eine außerordentliche Hilfe für jene Presseorgane, die mit dem massiven Rückgang des Anzeigengeschäfts zu kämpfen haben.
* Anmerkung der Redaktion: Auch REPORTER erhält seit 2019 die Pauschalhilfe für Online-Medien von 100.000 Euro pro Jahr. Lesen Sie hier mehr über unser Geschäftsmodell.
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