Selbstkritik ist nicht unbedingt die Stärke der Medien. In Luxemburg äußert sich dies etwa im Umgang mit den rückläufigen Auflagen. Die Branche sollte sich nicht länger selbst belügen, sondern eine offene Debatte über ihre Zukunftsfähigkeit führen. Eine Analyse.

„Ein starkes Wort“, „Editpress-Zeitungen: Stabile Leserschaft“, „Maillot jaune pour Paperjam“, „RTL Radio, Télé an RTL.lu bleiwe Leader zu Lëtzebuerg“, oder auch „Traditionelle Medien trotzen dem Internet“: Alle paar Monate wieder taucht die ominöse „Plurimedia“-Studie in der Presse auf und verleitet manche Medien dazu, sich selbst in ein gutes Licht zu stellen. Glaubt man den Schlagzeilen, so gibt es in der Entwicklung von Leser- und Nutzerzahlen nur Gewinner. Wenn man allerdings genauer hinschaut, ergibt sich ein anderes Bild. Von Pressekrise keine Spur? Im Gegenteil.

Das gilt auch für die jüngste Veröffentlichung der Studie vom vergangenen Mittwoch. Natürlich ist das „Luxemburger Wort“ weiter „stark“ und der Marktführer bei den Tageszeitungen. Selbstverständlich bleibt „RTL“ mit seinen Produkten Spitzenreiter bei Radio, TV und Internet. Von selbst versteht sich auch, dass andere Publikationen wie das „Tageblatt“ offensichtlich von sich behaupten können, eine „stabile Leserschaft“ zu haben. All das ist nicht weiter überraschend.

Die „Plurimedia“-Studie wird im Auftrag von den Verlegern (Saint-Paul, Editpress und CLT-UFA) von TNS Ilres durchgeführt und misst anhand von Umfragen die Reichweite der Medien. Die so erhobenen Zahlen sagen jedoch nur wenig aus, wenn man sie nicht im Kontext der längerfristigen Entwicklung betrachtet. Dabei zeigt sich nämlich, dass das „Wort“ längst nicht mehr ganz so stark ist wie noch vor einigen Jahren, „RTL“ auch schon mal unangefochtener war und dass die Rede von der „stabilen Leserschaft“ letztlich einer Realitätsverweigerung gleichkommt. „Stabil“ ist bei den Printmedien nur der stetige Verlust von zahlenden Kunden.

Luxemburgs Medien verschweigen seit Jahren konsequent ihre tatsächlichen Auflagen. Sie führen zwar eine oberflächliche „Die-Lage-ist-schwierig“-Debatte, ohne aber selbstkritisch die dafür notwendigen Fakten zu liefern.

Bezieht man jedenfalls mehr als nur die punktuellen Zahlen von „Plurimedia“ in die Analyse ein, ergeben sich drei Befunde: 1. Die Pressekrise ist real, auch in Luxemburg. 2. Die Zeitungen haben das digitale Zeitalter verschlafen, ganz besonders in Luxemburg. 3. Die staatliche Pressehilfe fördert nicht nur den Pluralismus, sondern auch die anhaltende Verweigerung vor dem digitalen Wandel.

Pressekrise und Auflagenschwund

Der erste Befund lässt sich selbst mit den unscharfen „Plurimedia“-Daten verdeutlichen. Über den Zeitraum von zehn Jahren ergibt sich dabei besonders bei den Printmedien ein nüchternes Bild. Das „Luxemburger Wort“ hatte 2008 noch einen Leseranteil gemessen an der Gesamtbevölkerung von 44,4 Prozent, jetzt nur noch 30,7 Prozent. Das „Tageblatt“ rutschte im gleichen Zeitraum von 14,1 Prozent auf 8,0 Prozent, „Le Quotidien“ von 7,1 auf 5,1 Prozent, das „Lëtzebuerger Journal“ von 3,1 auf 1,2 Prozent, und so weiter…

Nur wenige Zeitungen blieben über die Periode von zehn Jahren tatsächlich stabil, wenn auch auf vergleichbar niedrigem Niveau, darunter „d’Lëtzebuerger Land“ (heute 3,0 Prozent) und die „Woxx“ (1,4 Prozent). Nur das Monatsmagazin „Paperjam“ konnte in diesem Zeitraum die Leserzahlen wesentlich steigern.

Allerdings sind die durch Umfragen erzielten Leserzahlen weitaus weniger aussagekräftig und folgenreich als die tatsächlichen Auflagen. Untersucht man jedenfalls die tatsächlich gedruckten und dann noch die davon tatsächlich verkauften Zeitungen, dann ist der negative Trend noch deutlicher.

Aus den 152.700 Lesern (bzw. 30,7 Prozent Marktanteil) des „Luxemburger Wort“ werden so 2017 im Durchschnitt 58.276 gedruckte Zeitungen, wovon rund 54.500 täglich verkauft werden. 2007 lag die verkaufte Auflage noch bei über 70.000 – ein Minus von knapp 17 Prozent innerhalb von zehn Jahren. Bei anderen Titeln, insbesondere Publikationen aus dem Hause „Editpress“, ist die Entwicklung der verkauften Auflagen noch düsterer. So hat etwa die Wochenzeitung „Le Jeudi“ innerhalb von zehn Jahren ihre bezahlte Auflage nahezu halbiert und verkaufte 2017 im Schnitt nur noch 1.619 Exemplare pro Woche.

Faktenfreie Mediendebatte

Diese Zahlen hören die Verlage und Medienkonzerne nicht so gerne. Mehr noch: Luxemburgs Medien verschweigen seit Jahren konsequent ihre tatsächlichen Auflagen. Sie führen zwar eine oberflächliche „Die-Lage-ist-schwierig“-Debatte, ohne aber selbstkritisch die dafür notwendigen Fakten zu liefern. Eine Mediendebatte ohne fundiertes Zahlenmaterial, wie im vergangenen Mai im Parlament, wäre im Ausland undenkbar. Manche Medien im Land, wie jüngst das „Tageblatt“, tun anhand der abstrakteren Umfrageergebnisse sogar so als hätten sie urplötzlich ein Rezept gegen Auflagenschwund und Zeitungssterben gefunden. Kurz: Sie belügen sich selbst.