Das Finanzministerium feiert eine Staatsanleihe als großen Erfolg und europaweite Neuheit. Der neue „sovereign sustainability bond“ soll dabei den Anschein einer nachhaltigen Politik erwecken. Doch nachhaltig ist vor allem der Anstieg von Luxemburgs Staatsschulden.

Schuldenmachen als Erfolg zu verkaufen, wirkt auf den ersten Blick seltsam. Im Falle des Luxemburger Finanzministeriums ist es allerdings nicht das erste Mal. Regelmäßig verschickt Finanzminister Pierre Gramegna (DP) Pressemitteilungen, in denen er die Emission von neuen Staatsanleihen, mit denen sich der Staat Geld an den Finanzmärkten leiht, als erfolgreiches Ereignis darstellt.

In den vergangenen Monaten häuften sich diese Mitteilungen. Im April lieh sich der Luxemburger Staat insgesamt drei Milliarden Euro. Im Sommer kamen weitere 350 Millionen an kurzfristigen Krediten hinzu. Die neuen Liquiditäten dienen vor allem dazu, die Mehrkosten der Bewältigung der Corona-Krise zu stemmen. Gleichzeitig steigen durch die Anleihen natürlich die Schulden des Luxemburger Staates.

Finanzpolitik als erfolgreiche PR-Kampagne

Am 7. September teilte das Finanzministerium dann mit, dass man eine weitere Staatsanleihe in Höhe von 1,5 Milliarden Euro aufgelegt habe. Die neueste Anleihe trägt die Bezeichnung „sovereign sustainability bond“. Dabei handelt es sich laut Pierre Gramegna um einen „riesigen Erfolg“ („huge success“). Eine Bewertung, die zum Teil ungefiltert von Luxemburgs Medien übernommen wurde. „Paperjam“ titelte etwa: „Obligations durables: un succès à 1,5 milliard d’euros“.

Doch des Eigenlobs nicht genug: Luxemburg sei ein „Pionier“ bei der Auflegung eines „glaubwürdigen und umfassenden Rahmenwerks“ für „nachhaltige Finanzen“, heißt es weiter in der Pressemitteilung von vergangener Woche. Zudem unterstreiche die Transaktion, die zu einem Negativzins von 0,123 Prozent abgeschlossen wurde, das große Vertrauen der Investoren in Luxemburg, das von den Rating-Agenturen mit „AAA“ bewertet wird.

Formell gesehen war die Transaktion durchaus ein Erfolg. Dem Ersuchen nach neuen Liquiditäten wurde an den Märkten mit einem Interesse begegnet, das die Summe von 1,5 Milliarden deutlich überstieg. Was die PR-Abteilung des Finanzministeriums in ihrer Kommunikation allerdings nicht erwähnte: Selbst „nachhaltige“ Staatsanleihen bewirken neue Schulden, also neue Verbindlichkeiten, die der Luxemburger Staat nach Ablauf der festgelegten Frist (in diesem Fall nach zwölf Jahren) zurückzahlen muss.

Geld soll in „nachhaltige“ Projekte fließen

Hinter dem Begriff „sovereign sustainability bond“ verbirgt sich dabei die Idee, dass der Staat mit dem geliehenen Geld nur „nachhaltige“, also laut Pressemitteilung „soziale und umweltpolitische“ Projekte finanzieren darf. Die Definition solcher Projekte, die die Regierung in einer neuen Rahmenordnung festhält, ist sehr allgemein formuliert. Neben „grünen“ Maßnahmen wie dem Bau von energieeffizienten Gebäuden oder öffentlichen Verkehrsmitteln fallen darunter auch nahezu jegliche „soziale“ Maßnahmen.

Es handelt sich um eine nicht ganz ungeschickte Marketingstrategie des Ministers, um die immer akuteren Liquiditätsengpässe des Staates zu verschleiern.“Gilles Roth, Finanzexperte der CSV

Konkret heißt das, dass der Staat mit den 1,5 Milliarden Euro aus den „nachhaltigen“ Anleihen etwa die Tram oder das neue „Südspidol“ in Esch/Alzette finanzieren kann. Diese Beispiele nannte der Finanzminister auch vergangene Woche in einer Sitzung des zuständigen Parlamentsausschuss. Auch Bildungseinrichtungen, die Förderung der Solidarwirtschaft oder der Bau von Sozialwohnungen fallen unter die „Sustainability“-Kriterien. Zudem kann das Geld nicht nur für neue Vorhaben, sondern auch zur „Refinanzierung“ bestehender Projekte genutzt werden. Inwiefern solche Investitionen das Kriterium der „nachhaltigen Entwicklung“ erfüllen, ist dabei Ansichtssache.

Dennoch sind nachhaltige Anleihen weltweit im Trend. Eine Studie der „DZ Bank“ bezifferte solche Programme im vergangenen Jahr global auf nahezu 300 Milliarden Euro. Bis 2023 könnte sich der Markt nahezu verdreifachen. Polen war 2016 das erste Land, das einen sogenannten „sovereign green bond“ emittierte. Frankreich, Irland, Nigeria und viele andere Staaten folgten wenig später. Zudem gibt es bereits die Kategorie „social bonds“. Luxemburg ist nun das erste europäische Land, das einen sogenannten „sustainability bond“ auflegte, also eine Kombination aus „grünen“ und „sozialen“ Staatsanleihen.

Zwischen Marketing und „greenwashing“

Was bei der offiziellen Kommunikation allerdings etwas untergeht: Das Geld, das sich Luxemburg an den Märkten, also insbesondere von großen Banken leiht, fließt nicht in einen speziellen Fonds, sondern ganz gewöhnlich in die Staatskasse. Das heißt: Es lässt sich letztlich nicht nachvollziehen, ob die 1,5 Milliarden aus der jüngsten Anleihe tatsächlich für nachhaltige Projekte genutzt werden. Oder ob damit zunächst andere laufende Kosten des Staates gedeckt werden und die nachhaltigen Projekte erst im Nachhinein finanziert werden.

„Eine Staatsanleihe bleibt eine Staatsanleihe“, sagt der finanzpolitische Sprecher der CSV, Gilles Roth. Zwar könne niemand etwas gegen eine nachhaltige Politik haben. Das so gesammelte Geld fließe allerdings in den globalen Staatshaushalt und könne per Gesetz nicht zweckgebunden sein. Der Kern der Debatte ist laut dem CSV-Abgeordneten demnach auch nicht die Terminologie, sondern die Tatsache, dass dem Staat in der Corona-Krise das Geld ausgehe. „Es handelt sich um eine nicht ganz ungeschickte Marketingstrategie des Ministers, um die immer akuteren Liquiditätsengpässe des Staates zu verschleiern“, so Gilles Roth.

Selbst Investoren und Teile der Fachpresse bezeichnen die „green“ oder „sustainable bonds“ als Marketing- und PR-Methode. Finanzinstrumente, die als nachhaltig gelabelt werden, seien „ein zentrales Marketinginstrument“, das es einem Unternehmen oder einem Staat zudem ermögliche, „mehr mediale Aufmerksamkeit“ zu erlangen, heißt es etwa in einem Artikel der „Berkeley Economic Review“. Zudem besteht die Gefahr des „greenwashing“, also des bewussten Missbrauchs von grünen oder nachhaltigen Anleihen. So nutzte die Volksrepublik China das Geld aus einem „green bond“ etwa zum Bau eines modernen Kohlekraftwerks.

Das leise Comeback des „Kopernikus“

Die nachhaltigen „government bonds“ wurden von den gleichen Finanzinstituten (u.a. BCEE, BIL und BGL BNP Paribas) gezeichnet, die auch bei gewöhnlichen Staatsanleihen zu den Gläubigern gehören. Die neuen Anleihen werden zwar von externen Dienstleistern überprüft. Die Bewertung und Kontrolle der Luxemburger Anleihe („second-party opinion“) wird etwa vom Unternehmen „Sustainalytics“ durchgeführt. Letztlich gibt es aber keine harten Maßnahmen oder gar Strafen, die eine irreführende Nutzung der Gelder verhindern könnten.

The huge success of this first issuance of a sovereign sustainability bond by a European country proves that Luxembourg has put in place a credible and comprehensive framework for sustainable finance (…).“Finanzminister Pierre Gramegna

Dennoch haben die nachhaltigen Instrumente durchaus einen Vorzug gegenüber gewöhnlichen Staatsanleihen. Über die Verwendung der Gelder muss das Finanzministerium nämlich regelmäßig, in diesem Fall ein Mal pro Jahr, Bericht erstatten. Konkret hat sich die Regierung zum Beispiel dazu verpflichtet, zu belegen, wie viele Tonnen CO2 durch die besagten Investitionen eingespart werden können. Die Investitionen der öffentlichen Hand können so konkreter gemessen und auch von der Öffentlichkeit nachverfolgt werden, heißt es aus dem Finanzministerium.

Auf diesen „Reporting“-Ansatz, also eine bessere Nachvollziehbarkeit beim Umgang mit öffentlichen Geldern, wird jedenfalls viel Wert gelegt. Manche der Beamten von Pierre Gramegna haben in diesem Sinne das Versprechen ihres Ministers zur „kopernikanischen Revolution“ der Haushaltspolitik noch nicht komplett zu den Akten gelegt. Zur Erinnerung: 2014 hatte der neue Finanzminister pompös einen „Staatshaushalt der neuen Generation“ angekündigt, in der weniger die eingesetzten Mittel als die dadurch erzielten Resultate im Vordergrund der politischen Bewertung stehen sollten. Die Umsetzung dieses Ansatzes fiel bisher spärlich aus.

Schuldenmachen mit politischer Symbolik

Die Verantwortlichen im Finanzministerium sehen den ganzen Ansatz der „green“ bzw. „sustainable finance“, wenn nicht als Marketinginstrument, so doch als „politisches Signal“. Wenn der Staat schon neue Schulden aufnehmen muss, dann soll doch damit zumindest die Botschaft verbreitet werden, dass das geliehene Geld für etwas Sinnvolles ausgegeben wird. Zudem betont das Ministerium stets, dass neue Schulden in einer Phase von niedrigen bzw. Negativ-Zinssätzen im Vergleich zu haushaltspolitischer „Austerität“ das kleinere Übel seien.

All das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Luxemburgs Staatsschulden mit knapp 16,5 Milliarden Euro schon heute ein Rekordniveau erreicht haben. Schon im kommenden Jahr könnte sich der Schuldenstand laut regierungsinternen Prognosen auf nahezu 20 Milliarden Euro bzw. fast 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen. Das würde einer Verdopplung der öffentlichen Schuld seit dem Antritt der blau-rot-grünen Koalition im Jahre 2013 entsprechen.

Bis 2023, also das Jahr der nächsten Parlamentswahlen, muss der Staat zudem auslaufende Staatsanleihen in Höhe von fast vier Milliarden refinanzieren – also alte Schulden mit neuen Schulden zurückzahlen. Luxemburgs Schuldenpolitik lässt sich in diesem Sinne, also unabhängig von allen „green“, „social“ oder „sustainability frameworks“, durchaus als „nachhaltig“ (Duden: „sich auf längere Zeit stark auswirkend“) bezeichnen.


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